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Zum Angriff geblasen

Die Wirtschaft Chinas steht an einer neuen Schwelle: vom Billigproduzenten zur Hochtechnologiebranche. Eines dieser Hightechunternehmen, die künftig neben Systemintegratoren und Herstellern wie Alcatel, Ericsson oder Cisco eine signifikante Rolle spielen werden, ist Huawei Technologies. Hatten die Chinesen bereits im Vorjahr alle Geschäftserwartungen gnadenlos übertroffen, wurde im ersten Halbjahr dieses Jahres abermals eine Steigerung von 85 Prozent bei den weltweiten Sales erreicht.Unternehmen wie Huawei ist die westliche Marktwirtschaft alles andere als fremd. Bereits in den achtziger Jahren gegründet, hat der ausschließlich privat geführte Konzern reichlich Markterfahrung in den einschlägigen Wirtschaftszonen sammeln können, die in genügend großer Entfernung von der Zentralregierung in Peking liegen. »Ihr Europäer solltet keinen Unterschied machen, ob nun amerikanische oder chinesische Unternehmen als Mitbewerber auftreten«, plädiert Huawei-Marketingvorstand Jin Wang für ein globales Selbstverständnis in der Begegnung mit neuen Marktteilnehmern.

Auch wenn man sich vordergründig nicht über den Preis definieren möchte, sind Produkte und Dienstleistungen made in China in der Regel markant günstiger als ihre Pendants aus Hochpreisregionen wie der EU. Wang übt sich in freundlicher Zurückhaltung: »Wir nehmen niemandem Marktanteile weg, sondern arbeiten gemeinsam an der Vergrößerung des Kuchens.« Das erste Halbjahr hat bei Huawei indes für eine Vergrößerung der Referenzliste geführt. Gleich 19 Telkos wurden als Kunden hinzugewonnen, mittlerweile sind die Chinesen in der offiziellen Liste der bevorzugten Lieferanten der British Telecom, für die man an einem Next-Generation-Network bastelt.

Potenzial. Für Huawei ist der europäische Markt noch kein essenzieller Umsatzträger. Dennoch wird er als Schlüsselmarkt betrachtet, da am alten Kontinent viele IKT-Spezialisten beheimatet sind, die weltweit Netze errichten. Zuletzt wurden hier 200 Millionen Dollar Umsatz erreicht - ein Niveau, das in den nächsten Jahren verdoppelt bis verdreifacht werden soll. Man sei sich aber bewusst, wie schwierig der Eintritt in diesen Markt ist, sagt Wang. »Wir müssen uns erst das Vertrauen der Branche erarbeiten.« In Frankreich ist dies ebenfalls schon gelungen, dort hat man zuletzt sogar nationale Schwergewichte wie Alcatel in einer Ausschreibung der France Telecom ausstechen können. Darüber hinaus lieferte der Hightechmischkonzern dem niederländischen Mobilfunker Telfort ein UMTS-Netzwerk.

In einem Angriff auf den Markt führte Huawei die Multi-Service-Control-Network Gateway-ME60-Serie für Carrierkunden ein. Netzwerkbetreiber sollen damit künftigen Ansprüchen an Quality-of-Service mit ihren IP-Netzwerken gerecht werden. Ein einzelner ME60-Router kann bis zu 60.000 Endanwender unterstützen, mit dem Hightechgerät soll vor allem der Angriff auf den Marktführer Cisco geblasen werden. »Der Unterschied zu Cisco ist, dass wir nur zehn Prozent unseres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aufwenden, während hier Cisco 13 Prozent investiert«, heißt es bei Huawei. Es sind aber die Standortkosten, die für den Newcomer sprechen: Ein Ingenieur in China kostet ein Vierzigstel bis ein Fünfzigstel seines Pendants in den USA. Insgesamt sind 14.000 Beschäftigte bei Huawei im Bereich F&E tätig, die Mehrheit davon in China selbst. Für die Industrie in Europa heißt dies: warm anziehen.

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