EnInnov: Geballte Energie Featured
- Written by Karin Legat
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Die Technische Universität Graz öffnete zum bereits 16. Mal ihre Tore für "EnInnov", einem Symposium rund um Erneuerbare Energien, Elektrizitätsmarkt, Energiespeicherung und -Effizienz.
Von Karin Legat
Das Thema des ersten Vortrages der EnInnov im Februar war ungewöhnlich: Stefan Schleicher, Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz und Konsulent am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, stellte eine "Anleitung" zum Verfehlen der Klimaneutralität bis 2040 in den Raum.
Österreich befindet sich im EU-Ranking unter jenen fünf Nachzüglern, die gegenüber 1990 höhere Emissionen von Treibhausgasen aufweisen. Nicht immer scheint verstanden zu werden, was mit Klimaneutralität bis 2040 wirklich gemeint ist. „Deshalb meine Erinnerung: Innerhalb von zwei Jahrzehnten muss ein Gleichgewicht zwischen den Emissionen von Treibhausgasen und dem Abbau solcher Gase hergestellt werden.“ Das bedeutet, dass Jahr für Jahr die Emissionen um gut fünf Prozent des jetzigen Volumens verringert werden müssen. „Ich stelle mich deshalb gerne für eine Wette zur Verfügung, bei der ich an die Herren Kurz und Kogler bereit bin, einen namhaften Betrag zu zahlen, falls bis 2040 Klimaneutralität erreicht wird“, meint er provokant.
„Warum ich mir sicher bin, diese Wette zu gewinnen? Die österreichische Politik und deren Stakeholder halten an einem sehr naiven Verständnis des Energiesystems fest“, begründet Schleicher. Fossile werden zwar durch Erneuerbare substituiert, derzeit nachrangig sei aber die Erhöhung von singulären Effizienzpotentialen, etwa bei einzelnen Gebäuden. Noch kaum angekommen ist die Integration aller Komponenten des Energiesystems. Es brauche ein „Carbon Management“ für alle stofflichen Nutzungen der Ressourcen.
Bild: Stefan Schleicher fordert einen Wechsel vom „3e“- zum „3i-Mindset“ - der Fokus auf Erneuerbare, Effizienz und Energiewende (3e) um die Hebel für Veränderungen Innovation, Integration und Inversion (3i) erweitert.
Klimawandel
„Eine wesentliche Herausforderung stellt der steigende Bedarf an Kälte zur Gebäudeklimatisierung oder zur Prozesskühlung dar“, führt Wolfgang Sanz in seinem Vortrag bei der Konferenz aus. Areale mit gemischter Nutzung, also Wärmebedarf von Wohnbauten und Kältebedarf von Gebäuden aus Industrie und Dienstleistung, agieren bereits erfolgreich. „Anergienetze“ verknüpfen Wärme- und Kältebezüge und nutzen neue Synergien. Das umgebende Erdreich dient als Wärme- oder Kältequelle ebenso wie die Speichermassen See-, Fluss- und Grundwasser oder große Erdsondenfelder. Potential sieht Sanz auch bei Klimadeckenelementen in Hochhäusern. „Wenn wir uns nicht in diese Technologien intensiv einbringen, gibt es wenig Chance, den Gebäudebereich 2040-tauglich zu machen“, betont er. Die Netze müssen zudem bilateral geführt werden.
Wärmespeicher
Erneuerbare Energien unterliegen starken Schwankungen, wobei sich Endverbraucher oft räumlich weit entfernt von der Produktion befinden – das macht Speicher erforderlich. Ohne Speicherkapazitäten für Elektrizität sind nur etwa 60 % der Elektrizität direkt mit Erneuerbaren zu decken. Hermann-Josef Wagner von der Ruhr-Universität Bochum verweist diesbezüglich auf die Energiespeicherung unter der Erde in Form eines stillgelegten Bergwerks als Pumpspeicherkraftwerk.
AEE INTEC präsentierte in Graz das Projekt „giga_TES“. Ziel ist die Entwicklung innovativer Konstruktionsmethoden für „Giga-Wärmespeicher“ und die Ausarbeitung wirtschaftlicher und umsetzbarer Lösungen für kritische Speicherkomponenten wie Bodenplatten, Wände und Abdeckungen.
Bild: Künftig werden Großwärmespeicher als Teil von Fernwärmenetzen zur Erreichung einer vollständigen erneuerbaren Wärmeversorgung von Städten eine zentrale Rolle einnehmen. Das Projekt „giga_TES“ beschäftigt sich mit der Entwicklung innovativer Konstruktionsmethoden für Giga-Wärmespeicher. Bildquelle: Arcon Sunmark
Ein weiteres Projekt ist der saisonale thermochemische Solarspeicher auf Salzhydrat-Basis. Die Beladung des Sorptionsspeichers findet im Sommer mit Solarenergie statt. Wasserdampf wird vom Speichermaterial dehydriert und nach der Kondensation mit Hilfe einer Niedertemperaturquelle zum Beispiel Erdwärme in ein Wasserreservoir geleitet. Das trockene Sorptionsmaterial und das flüssige Wasser werden getrennt gelagert. Im Winter wird bei Bedarf im umgekehrten Schritt Wasser mit Hilfe der Niedertemperaturquelle verdampft und vom Speichermaterial absorbiert. Hierbei wird Wärme frei.
Eine bedeutende Speicherrolle können auch Batterien in ihrem Leben nach der E-Mobilität übernehmen. Nach zehn Jahren Einsatz in der E-Mobilität enthalten sie noch zirka 80 % ihrer Kapazität. Dazu läuft bei der Grazer Energieagentur bis Sommer 2021 das Projekt „SecondLife“.
Speicher Holz
Mit einer nachhaltigen Redox-Flow-Batterie beschäftigt sich „ecolyte“. „Die aktuelle Technologie verwendet hauptsächlich Vanadium“, informiert Professor Stefan Spirk, TU Graz. Das bedeutet nicht-erneuerbare Elemente, verbunden mit den Problemen Verfügbarkeit, teils Toxizität, ein hoher Transportaufwand und Korrosion. Die Lösung sieht er in Ökoelektrolyten, der Verwendung nachhaltiger Elemente, die regional verfügbar und erneuerbar sind. Genutzt werden dafür Abfallströme der Zellstoffindustrie. Im Vordergrund steht Lignin, das mit rund 80 Millionen Tonnen im Jahr bei der Papierherstellung anfällt. Das Lignin wird veredelt, die daraus gewonnenen Elektrolyte werden in Redox-Flow-Batterien eingesetzt. „Zurzeit arbeiten wir an der Hochskalierung des Ansatzes“, informiert Spirk.
Redox-Wärme-Batterien für Power-to-Heat sind auch Thema der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie. Dazu läuft das EU-Projekt „Scores“. Entwickelt wird ein Hybridspeichersystem, die Aufladung erfolgt durch Reduktion des Metalloxids über Wasserstoff, aufbereitete Lithium-Ionen-Batterien oder Wärmepumpen- und Pufferkombinationen.
Raumluft nutzen
Der Einsatz neuer Technologien ist für Forscher vor allem dort interessant, wo große Energieumwandlungsverluste auftreten. Professor Richard Krotil von der FH Burgenland bezieht sich auf die Nutzung von Sorptionstechnologie für die Raumluftkonditionierung, da diese in Mitteleuropa 50 % der gesamten Endenergie verbraucht. „Für den technisch und wirtschaftlich sinnvollen Antrieb von Sorptionsanlagen kommen Wärmequellen wie Abwärme aus technologischen Prozessen, Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung, Solarwärme und Geothermie in Frage. Dabei werden natürliche Kältemittel eingesetzt, die ein hohes Substitutionspotential von Treibhausgasen besitzen.“
Die Nutzung bestehender Wärme spricht auch Simon Moser von der Johannes Kepler Universität Linz an: „Die Nutzung industrieller Abwärme im Unternehmen ist eine weit verbreitete Praxis, wohingegen die externe Nutzung noch auszubauen ist.“ Hier bestünde deutlicher Handlungsbedarf.
Für Richard Büchele von der TU Wien steht vor allem die integrierte Behandlung von Energie in der Planung im Mittelpunkt, egal ob Raumordnung, Bauprojekt oder Infrastrukturentwicklung. Dazu nennt er das Projekt „Spatial Energy Planning for Heat Transition“, das die Grundlagen für effektive Energieraumplanung als Instrument zur Forcierung der Wärmewende liefert. Der dabei im Entstehen befindliche „HEATatlas“ soll die automatisierte Analyse von Energieinfrastruktur, -bedarf und erneuerbaren Energiepotentialen und damit die effiziente Integration dieser Fragestellungen in etablierte Planungsprozesse erlauben.
Bild: Die derzeit weltgrößte Pilotanlage zur CO2-freien Herstellung von Wasserstoff am voestalpine-Standort in Linz – Projekt H2Future - war in Graz ebenfalls Thema. Bildquelle: voestalpine
Bild: „Werden Erneuerbare Energien wie Wind- oder Solarenergie in großen Mengen ausgebaut, führt das zu einer erheblichen Notwendigkeit für neue Energiespeicherlösungen und die Kopplung von Energiesektoren“, hält Marie-Theres Holzleitner vom Energieinstitut an der JKU Linz fest. Bildquelle: JKU Linz
Grafik: Das "ecolyte"-Team in Graz arbeitet an der nachhaltigen Redox-Flow Batterie rund um Lignin. Quelle: TU Graz
Hintergrund
Im Rahmen des Projekts „Renewable Gasfield“ errichtet Energie Steiermark eine Demo-Anlage in Gabersdorf, Steiermark, die die erneuerbare Stromproduktion mittels Elektrolyse an eine lastflexible Methanisierung inklusive Speicherung und Verteilung von erneuerbarem Wasserstoff und synthetisch erzeugtem Erdgas koppelt und damit für das österreichische Gasnetz kompatibles, einspeisefähiges Methan produziert (Link).
Zur Umwandlung und Speicherung von elektrischer Energie in Form von Wasserstoff oder als synthetisches Methan gibt es die Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion "Power&Gas". Einige Projekte:
- HYTRUCK, 2018/07 – 2021/06: Ziel ist eine emissionsfreie brennstoffzellenbasierte Lösung für den Nutzfahrzeugmarkt (Link)
- UpHy, 2018/05 – 2022/05: Ziel ist vor allem die Skalierung von Technologien für die Produktion und Verteilung von grünem Wasserstoff (Link)
- HyTechbasis, 2019/04 –2022/03: Ziel ist die Entwicklung eines neuen Elektrolyse-Urkonzepts mit neuem Stack (Link)