Neue Grenzen der Physik
- Written by Karin Legat
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Im Rahmen der Energiewende kommt es zu gravierenden Veränderungen des Energiesystems und im Stromnetz. Vor allem im Industriebereich, der für 30 % des Energieverbrauchs verantwortlich zeichnet, bedarf es kreativer Denkprozesse.
Mit fast 30 % Endenergieverbrauch ist die Industrie neben dem Verkehr ein zentraler Energieverbraucher. Das gilt vor allem für die energieintensive Industrie, die in Österreich einen Anteil von knapp 60 % am Endenergieverbrauch des produzierenden Bereichs umfasst. Zur Erreichung einer nachhaltigen Industrie braucht es 100 % erneuerbare Energie. Das ist zwar eine große Herausforderung für die Infrastruktur, laut der Studie IndustRIES des AIT, Austrian Institute of Technology, allerdings realisierbar.
Für das Jahr 2030 wurden anhand von drei Szenarien – Basis, Effizienz und Umbruch – mögliche Wege aufgezeigt, wie die Industrie mit erneuerbaren Energieträgern versorgt werden kann. Dabei werden allerdings die Bereiche Verkehr, öffentliche und private Dienstleistungen, private Haushalte und Landwirtschaft nicht berücksichtigt. Sie müssen durch Importe gedeckt werden.
»Österreich ist heute Energieimporteur und wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch im dekarbonisierten Szenario sein«, gibt Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, der die Studie in Auftrag gab, zu. Es werden natürlich andere Energieträger sein, zum Beispiel erneuerbarer Wasserstoff, Biomasse oder Strom.
Bild oben: »Es ist natürlich zu begrüßen, dass man sich mit dem Thema der Transformation auseinandersetzt, um vor allem großen und für Österreich höchst relevanten Unternehmen eine Indikation für die Zukunft zu geben. Betrachtet man die Studie IndustRIES, muss aber klar werden, dass das erst ein Anfang sein kann, weil noch viele Fragen offen sind«, reagiert Florian Maringer, Geschäftsführer des Verbands Erneuerbare Energie Österreich, EEÖ, auf die Studie des AIT. »Die Dekarbonisierung der Industrie macht es erforderlich, dass man sich Prozesse, und nicht nur Energieinput genauer ansieht«, fordert Maringer. (c) EEÖ
Erste und wichtigste Aufgabe muss es sein, den Energiebedarf insgesamt signifikant zu senken. Das Energieeffizienzpotenzial sei in vielen Prozessen mit verfügbarer Technologie allerdings limitiert, teils werden mit bestehenden Verfahren auch thermodynamische Grenzen erreicht. Das vorhandene Potenzial für erneuerbare Energien muss daher großflächig und ohne Verzögerung ausgebaut werden.
Die Umstellung des Energiesystems im Wärmesektor ist ein wichtiger Punkt in der Energiewende. Der langfristige Umbau der Anlagen für die Erzeugung von gewerblicher und industrieller Prozesswärme ist nötig. Für die effiziente Verwendung von Überschussmengen an Energie vor allem im Sommer braucht es Digitalisierung, die Vernetzung der Systeme über den Stromsektor hinaus, Automatisierung und Flexibilisierung.
Theresia Vogel: »Im zukünftigen Energiesystem werden Industrieunternehmen als Prosumer verstärkt aktiv eingebunden sein, flexibel auf Änderungen reagieren und somit einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Versorgungssituation leisten.« Aufgrund der großen Bandbreite der eingesetzten Prozesse ergeben sich neue Schnittstellen und Synergien zwischen Strom, Gas und Wärme respektive Kälte. Theresia Vogel stellt fest, dass einige Industriebereiche etwa mit niedrigeren Temperaturen arbeiten. Wenn dazu auf Wärme aus Solarthermie zurückgegriffen wird, gibt es freie Ressourcen für den Hochtemperaturbereich.
Schlüsselrolle Strom
Die Elektrifizierung auf Basis erneuerbaren Stroms wird künftig eine Schlüsselrolle spielen. Dafür braucht es den verstärkten Infrastrukturausbau in Regionen von Verbrauch-Hotspots, da sich die Lage der Erneuerbaren oft nicht mit der energieintensiven Industrie deckt. Einen großen Handlungsbedarf sieht das AIT bei Erzeugungs- und Netzausbau sowie bei Speichern für entsprechende Flexibilitätsbereitstellung.
Bild oben: »Österreich ist heute Energieimporteur und wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch in einem dekarbonisierten Szenario sein«, betont Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Wolfgang Hribernik, AIT. (c) Pressebüro Legat
»Die Transformation des industriellen Energiesystems erfordert die Entwicklung neuer Basistechnologien wie in den Bereichen Leistungselektronik, Wärmepumpen, Speicher und Automatisierungstechnik. Es bedarf auch der Umsetzung neuer Systemlösungen für die Planungs- und Betriebsoptimierung von Prozessen, die Beteiligung an Energiemärkten und lokale Energiegemeinschaften«, fordert Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy AIT.
NEFI (New Energy for Industry), eine der »Vorzeigeregionen Energie« des Klima- und Energiefonds, zeigt, wie die Barriere zwischen Lab-scale und role-out überbrückt werden kann. Ebenso ist basierend auf dem steigenden Bedarf an energetischer Flexibilität in Optionen wie Speicher, Power to Gas und regelbare Kraftwerke zu investieren. Notwendig dafür sind Verfahrensbeschleunigungen zur fristgerechten Umsetzung von Erzeugungs- und Leitungsbauprojekten.