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Kurz nach dem Urknall

Batterien spielen bei der Energiewende eine wesentliche Rolle und gelten als Schlüsseltechnologie. Batterien spielen bei der Energiewende eine wesentliche Rolle und gelten als Schlüsseltechnologie. Fotos: Fraunhofer/KIT,

Batterien erhöhen die Versorgungssicherheit und gleichen Fluktuationen aus: Die Bedeutung von Stromspeichern steigt. Erste Lösungen sind am Markt, für Forschung und Entwicklung gibt es keine Grenzen.

Bei schwülen 35 Grad wächst der Wunsch nach einer mobilen Klimaanlage, Produktionsprozesse müssen netzstabilisierend gesteuert und Stromspitzen gepuffert werden. Im Stromsystem ist hohe Flexibilität gefragt. Trittsteine sind innovative Speichertechnologien, die die Einspeisung aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen ausgleichen und damit fluktuierende Energie jederzeit verfügbar machen. Laut Robert Fischer von Varta Storage läuft die Forschung auf Hochtouren. »Wir stehen bei der Batterietechnologie eher kurz nach dem Urknall als am Ende der Planetenbildung.«

Bindeglied Speicher

Kein Batterietyp ist so vielfältig wie der auf Lithium-Ionen-Basis, wo es dutzende Elektrodenmaterialien mit unterschiedlichen Eigenschaften gibt. Gemeinsam ist allen eine lange Lebensdauer, sowohl kalendarisch wie auch hinsichtlich der Zahl der Ladezyklen, der hohe Wirkungsgrad und die hohe Entladetiefe von über 90 %. Blei-Akkus bringen dagegen nur knapp über 80 % Wirkungsgrad, können nur zu etwa 65 % entladen werden, bestechen aber durch Kostenvorteile.

Die mit Lösungsmitteln arbeitenden Redox-Flow-Speicher überzeugen durch ihre Langlebigkeit und flexible Einsetzbarkeit. Relevant sind auch Aqueous-Hybrid-Ion-Batterien, die auf Salzwasser basieren sowie langlebige und leichte Natrium-Schwefel-Batterien.


Bild: »Der Ausschuss in der Zellproduktion ist heute oft noch im zweistelligen Prozentbereich, das ist viel zu viel. Es braucht Qualität. Hier sehe ich eine Chance für Europa«, sagt Michael Stelter, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme.

Seit dem Marktstart Anfang der 90er-Jahre haben die Lithium-Ionen-Batterien einen Siegeszug durch die zahllosen Einsatzmöglichkeiten angetreten. Die ersten wurden in Mobiltelefonen und Laptops eingebaut, aufgrund höherer Energiedichten treiben sie heute Elektrowerkzeuge an und bilden stationäre Speicher im Industriebereich. 2018 lag die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Zellen laut Schätzung des Fraunhofer Instituts bei etwa 100 GWh Speicherkapazität. Bis 2020 wird sich dieser Wert verdoppelt haben. Hersteller aus Japan, Korea und China produzieren über 80 % aller weltweiten Zellen. Laut Brancheninsidern dürfte sich dieses Bild so schnell nicht ändern.

Batteriekonzept im Detail

Die »sonnenBatterie« des deutschen Herstellers sonnen beruht auf Lithium-Eisenphosphat. Als Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid-Batterie gibt es zum Beispiel »pulse« und »pulse neo« von Varta Storage. Mathias Bloch von sonnen erklärt die Entscheidung für LiFePO4. »Bei der Auswahl der richtigen Batterietechnik gehen wir nach vier Kriterien vor, die momentan alle anderen von uns im Batterielabor getesteten Akkus ausschließen. Wir prüfen Sicherheit, Langlebigkeit respektive Leistungsfähigkeit, Beständigkeit und Umweltverträglichkeit.« Bei sogenannten Nageltests darf die Batterie nicht explodieren oder brennen, bei den Prüfungen entstehen bei einem simulierten Kurzschluss Temperaturen von über 700 °C. Ein gutes Ergebnis erzielt die sonnenBatterie auch bei der Lebensdauer. LiFePO4 kann mehr als 10.000 Mal be- und entladen werden. Handybatterien erreichen vergleichsweise 300 bis 500 Ladezyklen, für die Batterie eines Elektroautos sind 1.000 Ladezyklen ein guter Wert. Die LiFePO-Technologie ist seit über 15 Jahren am Markt und verwendet keine giftigen Schwermetalle.


Bild: »Die sonnenBatterie ist ein tausendfach bewährter Hightech-Stromspeicher«, betont Mathias Bloch, sonnen.

Für Robert Fischer, Energie- und Serviceberater bei Varta Storage Österreich, ist vor allem das Vorliegen eines Sicherheitskonzepts entscheidend. Die Zertifizierungen sind länderspezifisch, betreffen Höhensimulation und thermische Prüfung ebenso wie Schwingung, Kurzschluss, Aufprall- oder Quetschtest, Über- und erzwungene Entladung. Viele Abnehmer hätten zudem eigene Kriterien, die auf keiner Norm beruhen. Eine gute Batterie verlangt nach einem ausgereiften Batteriemanagement, von dem Lebensdauer, Effizienz und Sicherheit abhängen. Das Batteriemanagement wird laut Fischer unter Verwendung von Sensorik geregelt, gemessen werden Strom, Spannungen sowie Temperaturen der Einzelzellen und des Gesamtsystems.


Bild: Als »pulse« und »pulse neo« gibt es die Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxid-Batterie bei Varta Storage in den Kapazitätsklassen 3,3 und 6,5 kW/h.

Battery 2030+

Die Entwicklung hochmoderner Batterien ist das Ziel der Forschungsinitiative Battery 2030+ der Fraunhofer-Allianz. Beteiligt sind 17 Partner aus neun europäischen Ländern. Dafür wurde eine Plattform etabliert, die durch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz neue Batteriematerialien schneller entdeckt. »Wir arbeiten intensiv an Produktionslösungen für den Standort Europa«, betont Professor Michael Stelter, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme. Oft werde auf den Aspekt Batteriequalität vergessen. Bei der Produktion von Millionen Zellen habe Fernost die Nase vorn, aber es brauche Industrie 4.0, hochwertige Sensorik und moderne Prozessautomatisierung, um Qualität herzustellen. »Der Ausschuss in der Zellproduktion ist heute noch oft zweistellig, das ist viel zu viel. Da sehe ich die Chance für Europa.«


Bild: Innerhalb von 46 Sekunden wurde 2019 der mit sechs Millionen Euro gefüllte Topf für Speicherförderung geleert, große Speicherprojekte mit mehreren MW haben viel Förderbudget abgeschöpft. »Die Regierung muss die Fördergelder nun aufstocken, Fördersätze sowie Anlagengrößen sind zielführender zu gestalten und mehrere Antragszeitpunkte im Jahr müssen ermöglicht werden«, fordert Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Branchenverbandes PV Austria.


Terminvorschau: Österreichische Fachtagung für Photovoltaik & Stromspeicherung am 5. und 6. November 2019, Allianz-Stadion, 1140 Wien

Forschung: neue Materialien

Die Forschungsansätze im Batteriesegment sind schier grenzenlos. Norwegische Forscher setzen Silizium statt Graphit für die Anode ein und wollen damit die Kapazität von Lithium-Ionen-Akkus um 300 bis 500 Prozent steigern. An der University of California erwarten ForscherInnen durch die Überziehung der Nanodrähte mit dem Kunststoff Polymethylmethacrylat eine entscheidende Steigerung der Zyklenfestigkeit. Gearbeitet wird am Tausch von Natriumionen- gegen Lithiumbatterien. Es fehlt aber noch das Anodenmaterial, das häufiges Wiederaufladen bei gleichbleibender Batterieleistung gestattet. Die Lösung könnten Grünabfälle sein. An einer Bio-Batterie, die auf organischen Materialien und Natrium-Ionen basiert, forscht die TU Innsbruck. Eine Verlängerung der Lebensdauer plant die TU Graz durch die Unterdrückung von Singulett-Sauerstoff in Lithium-Sauerstoff-Batterien. Das Projekt b-PCM des AIT arbeitet an La­tentwärmespeichern in temperatursensiblen Batteriesystemen und zielt auf eine längere Lebensdauer der Energiespeicher bei mobilen und stationären Anwendungen ab. Bei KIT Helmeth wird an der Optimierung von Power-to-Gas gearbeitet. Bislang lag der Wirkungsgrad bei etwa 54 %, der Prototyp des EU-Projektes erreichte 76 %.


Siemens: Speicher für Eigenheim

Mit der Junelight Smart Battery bietet Siemens einen Batteriespeicher zur Speicherung und Nutzung von eigenerzeugtem Strom an, der speziell auf die Anforderungen in privaten Eigenheimen ausgelegt ist. Der Lithium-Ionen-Speicher vereint Funktionen für ein intelligentes Energiemanagement mit einem modernen Design. Abhängig von der wetterbedingten Ertragsprognose der Photovoltaikanlage sowie vom individuellen Verbrauchsprofil des Haushalts stimmt die Junelight Smart Battery Be- und Entladevorgänge vorausschauend aufeinander ab. Über die mobile Junelight Smart App sind alle Energieflüsse von der Produktion über Speicherung bis hin zu Verbrauch und Netzeinspeisung stets in Echtzeit einsehbar. Die Speicherkapazität lässt sich flexibel an den individuellen Bedarf anpassen und umfasst bis zu 19,8 kWh. Die Junelight Smart Battery ist seit April in Österreich erhältlich.

ADS-TEC: Flexibles Komplettsystem

Der deutsche Batteriehersteller ADS-TEC liefert mit einer neuen Speicherserie eine skalierbare, flexible Lösung in Bezug auf Kapazität und Leistung. Neben der Indoor-Variante wird das Portfolio aus diesem mittleren Leistungsbereich erstmals auch um ein Outdoor-Modell ergänzt. Durch die integrierte Notstromfunktion sind die Systeme für eine Vielzahl von Speicheranwendungen einsetzbar.

Die StoraXe-System-Serie deckt den Bedarf an flexiblen, mittelgroßen Speicherlösungen für größere Privathaushalte, Mehrfamilienhäuser sowie Betriebe, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Das neue Portfolio umfasst Speichersysteme mit einer installierten Kapazität von 30 bis 66 kWh und Leistungen von 20 bis 60 kW. Die Komplettsysteme vereinen sowohl den Speicher als auch die zugehörige Leistungselektronik in einem Gehäuse. Durch diesen kompakten Aufbau ist die platzintensive Installation eines separaten Wechselrichters nicht mehr nötig.

LG Chem: Modulare Batterie

Der koreanische Hersteller LG Chem hat seine modulare Heimbatterie RESU10M auf der Messe Electrical Energy Storage (EES) Europe im Juni präsentiert. Während ihre Gesamtenergiekapazität der ursprünglichen RESU10 ähnelt, bietet der Lithium-Ionen-Speicher einen besseren Formfaktor, da er aus zwei getrennten Batteriemodulen und einer oberen Abdeckung besteht. Jedes Batteriemodul wiegt etwa 36 kg und damit weniger als der Hälfte des Gewichts der RESU10, was die Installation durch den Benutzer selbst erleichtert. Mit ihrem schlanken, robusten Material kann sie ihrem Hersteller zufolge »überall installiert werden« – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gebäudes. Das Produkt ist ab Juli in Europa erhältlich.

 

Last modified onMontag, 22 Juli 2019 09:28
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