Wann wird Energiepolitik europäisch?
- Written by Redaktion
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Der Regulator E-Control sieht eine Neupositionierung der EU-Energiepolitik dringend gefordert. Handlungsbedarf besteht vor allem im Klimaschutz, im Marktmodell und bei der Infrastruktur.
Die Probleme der Energiepolitik in Europa sind im Großen und Ganzen hausgemacht. Sich widersprechende Ziele auf europäischer Ebene, nationale Besonderheiten und Alleingänge machen eine effiziente und effektive Energiepolitik unmöglich«, argumentieren die Vorstände der E-Control, Walter Boltz und Martin Graf. Sie plädieren für ein Bündel von Maßnahmen sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene, um die europaweiten Ziele – Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit – anhaltend erreichen zu können.
Das europäische Energiesystem ist momentan durch tiefgreifende Veränderungen gekennzeichnet. Das ehrgeizige Projekt des europäischen Energie-Binnenmarkts soll planmäßig noch heuer realisiert werden. Auch wenn auf dem Weg dorthin bereits deutliche Fortschritte erzielt wurden, gibt es noch viel Handlungsbedarf: »Die nationalen Energiepolitiken der Mitgliedstaaten haben alle EU-Instrumente zunichte gemacht. Das einzige Instrument, das es gibt, ist der Emissionshandel ETS. Aber auch dieser funktioniert nicht optimal, weil die EU-Mitgliedstaaten jeweils alleine die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorantreiben und eine gemeinsame Vorgehensweise nicht umgesetzt wird. Vorgegeben sind nur Mindeststandards, die im besten Fall Koordinierungsmechanismen darstellen aber nicht mehr.« Auf die neue EU-Kommission warten also große Herausforderungen, sowohl was den Strom- als auch den europäischen Gasmarkt betrifft. »Um das europäische Energiesystem an die Anforderungen, die an das System gestellt werden, anzupassen und es zukunftsfit zu machen, ist eine Fokussierung auf wichtige Einzelbereiche notwendig. Der größte Handlungsbedarf besteht in den Bereichen Klimaschutz, Marktmodell und Infrastruktur«, so Walter Boltz. »Eine auf die Zukunft ausgerichtete europäische Energie- und Klimapolitik muss auch in Abstimmung mit der Wirtschaftspolitik passieren, sie muss leistbar bleiben. Die Vorgaben für die Energie- und Klimapolitik sind gleichzeitig mit einem Industriepaket zu schnüren«, betont Boltz und er ergänzt: »Wenn auf der einen Seite für CO2 bezahlt werden muss, dann sollte es auf der anderen Seite, wenn nötig, zu Entlastungen, etwa steuerlichen Entlastungen oder gleichzeitig beschlossene Beihilfenrahmen, kommen.« Auch ein laufendes Benchmarking mit China und den USA mit Fokus auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit sei in diesem Zusammenhang wichtig, so Boltz. »Ineffizienten Maßnahmen im großen Stil können wir uns nicht mehr leisten. Unsere nächsten Schritte müssen effizient und möglichst günstig sein.«
Klimaschutz und Förderungen
Die europäische Klimaschutzpolitik fußte bisher auf dem Emissionshandel und gleichzeitig gab es für die Mitgliedstaaten Vorgaben im Bereich Energieeffizienz und Vorgaben für den Anteil an Erneuerbaren Energien. »Dieses extrem teure und nicht zielgerichtete System sowie die Wirtschaftskrise haben dazu geführt, dass die CO2-Preise in den Keller gefallen sind und zum Beispiel Deutschland noch mehr CO2 emittiert als früher. Hier sollte man sich auf die Reduktion von CO2 konzentrieren, ein CO2-Handelssystem mit Mindestpreisen schaffen und die Mitgliedstaaten die Einsparungen durch Energieeffizienz und den Anteil an Erneuerbaren Energien selbst entscheiden lassen«, erklärt der Regulator. Martin Graf kritisiert or allem den Wildwuchs an unterschiedlichen Ökostromförderungsmodellen in Europa. Diese reichen von geförderten Einspeisetarifen über Bonusprämien, Auktionen bis zu Quotensysteme und produzieren unerwünschte Ergebnisse: Fördersysteme, die den Markt verzerren und zu höheren Gesamtbelastungen für die Konsumenten führten und die eine einheitliche EU-Energiepolitik für erneuerbare Energieträger unmöglich machen.
Die Umstellung der Förderung auf Investitionsförderungen würde die Investitionssicherheit, Kostenwahrheit und Marktintegration der Erneuerbaren stark unterstützen. Wie prinzipiell überhaupt bei den Förderungen Skaleneffekte genutzt, und die Kosteneffizienz im Fokus stehen sollte. Gemeinsam mit dringend notwendigen und verbindlichen Energieeffizienz-Maßnahmen, in der alle Primärenergieträger (Mobilität, Wärme, Elektrizität) einbezogen sind, bekäme das Thema Nachhaltigkeit auf EU- und nationaler Ebene neues Gewicht und ein marktfähiges Design. Für das Funktionieren des europäischen Energiebinnenmarktes ist der Netzausbau nicht nur ein wesentlicher Bestandteil, sondern unerlässlich. Bisher war die europäische Infrastruktur, auch mit dem Europäischen Energieinfrastruktur Paket (EIP), nur für einen sehr geringen und kleinräumigen Stromaustausch im System ausgelegt. Zudem kommt, dass ohne die Vorgaben der EU über einen Anteil an Erneuerbaren Energien die Erzeugungskapazitäten in der EU regional künftig viel schlechter verteilt sein werden. »Wir müssen uns Gedanken machen, wie ein Stromtransportsystem, das Strom über große Entfernungen befördern kann, aussehen muss. Dabei ist ein quer über Europa verlaufendes, leistungsfähiges Stromnetz, das die wichtigsten Erzeugungs- und Verbrauchszentren miteinander verbindet, anzudenken«, erklärt Walter Boltz.
Versorgungssicherheit
Und Graf ergänzt: »Versorgungssicherheit hängt stark mit dem Thema günstige Preise und Nachhaltigkeit zusammen. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energie sind Investitionen in leistungsstarke, intelligente Netze nötig, um die Netzstabilität nicht zu gefährden und zukünftig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Man sollte auch darüber nachdenken dürfen darüber, ob es aus netztechnischer Sicht systemrelevante Kraftwerke gibt und wie man mit ihnen in einem liberalisierten Energiemarkt umgeht.«
Er regt an, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, um den Ausbau nicht zu gefährden. Durch die Schaffung eines »One-Stop-Shop« für Umweltverträglichkeitsprüfungen inklusive klaren Entscheidungs-fristen und Anlagengenehmigungen für prioritäre Netzprojekte, könnte viel erreicht werden. Aber auch bei den Finanzierungsinstrumenten müssten neue, innovative und intelligente Wege gefunden werden. »Allein in Österreich müssen bis zum Jahr 2020 rund 8,7 Milliarden Euro in die Netze investiert werden. Hier braucht es neues Denken in großem Stil«, erklärt Martin Graf. Die Europäische Investitionsbank sei auf diesen Zug aufgesprungen und biete auch neue Instrumente für die Infrastrukturfinanzierung an. Jetzt liege es an den Energieunternehmen, diese Möglichkeiten auch im Sinne der Konsumenten zu nutzen.
Ausgleichszahlungen »nicht notwendig«
n Durch die niedrigen Stromgroßhandelspreise rechnet sich der Betrieb fossiler Kraftwerke derzeit häufig nicht, wie auch die beabsichtigten Stilllegungen von drei konventionellen Verbund-Kraftwerken in Österreich zeigen. Dennoch sind hierzulande Zahlungen für das Bereithalten von Kraftwerken nicht nötig, betont Regulator Walter Boltz im Rahmen der Präsentation einer Marktuntersuchung Anfang Juni. Auf Grund der hohen installierten Kraftwerksleistungen sind in Österreich bis 2030 keine Probleme bei der Stromversorgungssicherheit zu erwarten. Das geht aus der im Frühjahr fertiggestellten Studie des schwedischen Beratungsunternehmens SWECO im Auftrag mehrerer europäischer Regulatoren, Stromerzeuger und Übertragungsnetzbetreiber hervor. »Die Einführung von Kapazitätszahlungen in Österreich wäre daher eine lupenreine Beihilfe für die betroffenen Kraftwerksbetreiber«, folgert Boltz und warnt vor wettbewerbsverzerrenden Beihilfenregimes in einzelnen europäischen Staaten. »Es gibt bessere und kostengünstigere Möglichkeiten, die Stromversorgung zukünftig sicherzustellen«, ist er überzeugt. So könnte der grenzüberschreitende Austausch von Strom weiter forciert werden. »Ziel ist es, dass Länder, die gerade zusätzliche Energie benötigen, auf Erzeugungskapazitäten von Nachbarländern zurückgreifen können.« Deutschland mache dies jetzt schon und hat sich bereits in Österreich Erzeugungskapazitäten gesichert.