Menu
A+ A A-
Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 68

Im Steuer-Feuer

\"VonSpitzengehälter und Boni explodieren, der Durchschnitt darbt

vergleichsweise. Aber wie viel sollten Top-Manager tatsächlich verdienen – und sollten Leistungsträger gar durch »Reichensteuern« geschröpft werden? Was wirtschaftlich sinnvoll und gerecht ist und was Manager dazu meinen.

Manchmal dauert es ein bisschen, bis internationale Trends oder Diskussionen auch im kleinen Österreich landen. »Tax the Rich« geistert etwa schon seit Jahren durch die Welt und bringt es bei Google auf gut sieben Millionen Treffer. Unter dem höchst unklaren Sammelbegriff »Reichensteuer« bricht eine breitere Diskussion jetzt auch in der Alpenrepublik aus. Die ersten Anfänge dürften in der parlamentarischen Sommerpause zu verzeichnen gewesen sein. Die SPÖ, bislang bei diesem Thema eher handzahm, entdeckte den knackigen Begriff für sich und startete erste mediale Versuchsballons. Und löste damit im politischen Klima, trotz Sommer, einen Temperatursturz aus. Natürlich stellte sich die ÖVP wie ein Mann vor die »Leistungsträger«, die der heiligen Gral der Partei sind. In den letzten Wochen intensivierte sich die Debatte. Selbst bei den herbstlichen Lohnverhandlungsrunden dürfte die Reichensteuer – je nach Standpunkt als Kampfruf oder Schreckgespenst – im Hintergrund präsent gewesen sein. Natürlich hat die diffuse Steueridee vordergründig nichts mit Lohnabschlüssen zu tun.

Die Metaller begründeten ihre für österreichische Verhältnisse fast schon unerhörte Forderung von 5,5 Prozent mit Argumenten, wie sie eins zu eins auch von Fans einer Reichensteuer stammen könnten. Die Unternehmensgewinne steigen und steigen wie die Produktivität, bei den Belegschaften komme aber nur wenig davon an. Die Metaller zeigten derart Zähne, dass die Industrievertreter nach einer Schrecksekunden einem Kompromiss zustimmten. Für den Fall dass die Kampfmaßnahmen tatsächlich eskalieren, dürfte die Gewerkschaft auf die Zustimmung breiterer Bevölkerungskreise spekuliert haben. Diese sind in Österreich wie in Europa nämlich schon etwas zermürbt. Seit der Finanzkrise 1 fliegen den Bürgern nur so die Billionen, Milliarden und Millionen um die Ohren. Einmal sind es Bankenrettungspakete, dann wieder Unternehmensgewinne oder exzessive Managerboni. In der Finanzkrise 2 werden überhaupt gleich ganze Staaten geschreddert, um ein aus dem Ruder gelaufenes Casino-System am Laufen zu halten.

>> Verkehrte Welt und wankende Dogmen <<

Meldungen, dass Vorstände von DAX- oder ATX-Unternehmen ihre Bezüge wieder einmal kräftig hinaufgeschnalzt haben, sind Salz in den Wunden der mit Sparappellen und -diktaten bombardierten Bürger. Gleichzeitig bejubelt etwa der D.A.CH-Report von Valuga Market Research das »Comeback der Millionäre«. Selbst im Krisenjahr 2009 wuchs das Gesamtvermögen um 9,5 Prozent, bis 2013 sind 7,2 prognostiziert. So gut wie alle Studien zeigen das gleiche Bild: Die Einkommens-und Vermögenskluft wird weltweit breiter.

Unterstützung bekommen Verfechter von Reichensteuern auch von unerwarteter Seite. Ausgerechnet der Multimilliardär und Erzkapitalist Warren Buffett macht sich für höhere Abgaben der Reichen stark. »Es gibt einen Klassenkrieg. Aber es ist die Klasse der Reichen, die diesen Krieg führt und dabei ist, ihn zu gewinnen«, ließ das Orakel von Omaha schon während der Finanzkrise 1 aufhorchen. Das hätte auch Alfred Gusenbauer in seiner Juso-Zeit sagen können. In der New York Times rechnete Buffett später vor, dass er weniger Steuern bezahlt als seine kleinen Büroangestellten. Der asketische und bescheiden gebliebene Selfmade-Milliardär ist in den Staaten hoch angesehen. Kein Wunder also, dass US-Präsident Barack Obama jüngst geplante Abgaben kurzerhand als »Buffett-Steuer« titulierte, um Sympathieeffekte mitzunehmen.

In bewegten Zeiten ist kein Dogma sicher. US-Oberspekulant George Soros rüffelte seinen Finanzminister ob dessen »fundamentalistischen Glaubens an den Markt«. Der Harvard-Ökonom und Ex-IWF-Chefvolkswirt Kenneth Rogoff wiederum wollte 2009 die Banken radikal verstaatlichen. Ohne Entschädigung für die Anteilseigner – und das Top-Management hätte er in die Wüste geschickt. In einem Spiegel-Interview forderte er nicht nur Zügel für den »US-Cowboykapitalismus«, sondern auch noch gleich die Regulierung der weltweiten Finanzmärkte. In Europa oder Österreich sind solche Töne eher selten zu hören. Der deutsche Ex-Bundespräsident Horst Köhler, als früherer IWF-Direktor sozusagen auch ein Kollege Rogoffs, hatte die Finanzjongleure ungewöhnlich scharf attackiert. Es sei nicht akzeptabel, dass wenige Gewinn machen, während die Bürger bluten.

>> Mahnende Worte <<

Kurz danach geißelte Köhler noch die zunehmende Schere zwischen arm und reich. In einem Interview mit Österreich zog Heinz Fischer nach. Sonst nicht gerade ein Mann starker Worte, geriet das stets bedachte Staatsoberhaupt für seine Verhältnisse fast schon in Rage. »Natürlich sei er grantig«, diktierte er Österreich und ortete »ein Problem bei der Einkommens- und Vermögensverteilung«. Man solle es sich doppelt überlegen, bevor man Steuern auf Vermögen ersatzlos auslaufen lasse, während beim Pflegegeld jeder Euro zweimal umgedreht werde. Von Arbeitnehmern und Pensionisten werde Einkommensdisziplin verlangt, während dieser Appell bei Unternehmen und Spitzeneinkommen eindeutig ins Lehre gehe. Die Sager lieferte Fischer 2008, womit er fast schon als Pionier und Vordenker von »Reichensteuern« durchgeht. Der mediale Wirbel blieb überschaubar, vielleicht weil präsidiale Wortmeldungen hierzulande nur selten den Nervenkitzel einer Sonntagsandacht überbieten.

Für mehr Wirbel sorgten schon die Äußerungen des Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner. Bei einer Diskussion über soziale Gerechtigkeit ließ er den Ex-SP-Sozialminister Erwin Buchinger fast schon wie einen altbackenen Systemerhalter aussehen. Für »absurd hohe Gehälter« um fünf Millionen Euro forderte der Strabag-Boss forsch einen Spitzensteuersatz von 70 bis 80 Prozent und teilte noch einen Seitenhieb auf den ehemaligen Porsche-Manager Wendelin Wiedeking aus, der mit bis zu 77 Millionen Euro Jahresgage gerade neue »Maßstäbe« setzte. Einmal in Fahrt, befand Haselsteiner, dass auch millionenschwere Aktienoptionen wie bei der OMV gesetzlich verboten gehörten. Dabei ist Österreich bei Ungleichgewichten von Einkommen- und Vermögen – zumindest im internationalen Vergleich – ohnehin ein Nachzügler (siehe Kasten). In den USA oder auch beim Nachbarn Deutschland geht die Schere noch viel schneller auf. Während Amerikaner ohne viel zu murren in Zeltstädten und Wohnwagensiedlungen hausen und in Las Vegas ihre Sozialhilfeschecks gegen den »American Dream« von Reichtum eintauschen, sieht die Lage in Europa ein bisschen anders aus.

>> Kritik an diffusen Steuerideen <<

So ließ die EU schon vorausplanen, was zu tun ist, wenn der soziale Friede kippt. Im Brüsseler Sicherheitsszenario haben durch verschärfte Ungleichheiten ausgelöste Aufstände und Unruhen schon seit einigen Jahren einen Fixplatz, was möglicherweise auch den ausufernden Überwachungswahn erklärt, mit dem Europas Lenker ihre Bevölkerungen überziehen. Handlungsbedarf scheint gegeben, aber was ist konkret zu tun? Das »Wirtschaftsforum der Führungskräfte« (WdF) stemmt sich vehement gegen »Reichensteuern«. WdF-Vorsitzender Karl Javurek, im Hauptberuf Gewista-Boss, hält die planlose Ankündigungspolitik etwa für »verantwortungslos und standortschädlich«. Javureks Kritik ist nicht ganz der Hand zu weisen. Bislang sind die Vorschläge als eher diffus zu bezeichnen. Statt Lösungen wird ein Hickhack-Spektakel geboten, das nicht einmal vor eigenen Parteigrenzen Halt macht. Getrieben durch Partikularinteressen zerreibt sich die ÖVP fast schon von selbst. Zuerst wetterte man knallhart gegen das Schröpfen der heiß geliebten Leistungsträger. Dann melden sich Bauernbund oder Erwin Pröll zu Wort. Letzterer dürfte Meinungsumfragen zum Thema gelesen haben und verordnete der Partei einen teilweisen Schwenk.

Auch innerhalb der SP-Fraktion ist die Einigkeit nicht viel höher. Da gibt es Fans von Substanzbesteuerung, andere sähen lieber nur Vermögenszuwachssteuern, in der Frage des Spitzensteuersatzes schwanken die Genossen zwischen Beibehaltung und Anhebung.

Und über alles wird auch parteiintern seit Jahren gestritten. Veit Sorger kann sich wiederum eine Solidarabgabe vorstellen, ähnlich wie sie in Kreisen von VP und SP ventiliert wird, keinesfalls jedoch Erbschaftssteuern oder Vermögenssteuern. Via »ZiB«-Interview sagte der Präsident der Industriellenvereinigung freilich auch, dass neue Steuern so lange nicht in Frage kämen, als die Politik ihre Hausaufgaben nicht mache. Das ist fast schon eine Drohung. Wenn die Politik ihre Hausaufgaben so zügig erledigt wie in den letzten Jahren, kommt eine Einigung – Endlosprojekte wie Verwaltungs- oder Bildungsreform lassen Schlimmes befürchten – am St. Nimmerleinstag.

>> Wie viel ist genug? <<

Karl Javureks Bedenken, dass Milliardenvermögen oder Holdings schon »auf Verdacht« flugs in Ausland wandern, mag überzogen sein. Falls die Politik zu lange herumschustert, dürfte die Verunsicherung jedoch groß genug werden, dass auch reale Standortnachteile zu befürchten sind. Laut IWF und OECD sind Potenziale vorhanden. Beide Organisationen haben Österreich bereits nahegelegt, seine Vermögenssteuerpolitik zu überdenken. Der Anteil von vermögensbezogenen Steuern liegt bei rekordverdächtigen 0,5 Prozent und wird nur noch von drei OECD-Staaten knapp unterboten. Selbst Steuerparadiese wie Schweiz und Luxemburg oder Kapitalistenhochburgen wie USA oder England heben etwa vier- bis achtfach höhere Sätze ein.

Die Frage, wie viel Einkommen für Spitzenkräfte genug ist, wird sich wohl nie schlüssig beantworten lassen. Erste-Boss Andreas Treichl wird das anders sehen als beispielsweise KMU-Manager der zweiten und dritten Ebene. Headhunter Andreas Landgrebe glaubt, dass sich Gagen- und Boni-Exzesse von alleine eindämmen könnten. Die Top-Jobs werden weniger, die Benchmarks dafür härter. Gleichzeitig drängen die Babyboomer auf den Markt.

WKO-Präsident Christoph Leitl tritt für Reformen bei Manager-Boni ein. Diese sollen künftig nicht nur vom Aktienkurs abhängen, sondern auch von Forschung oder Mitarbeiterzufriedenheit. Im staatsnahen Bereich soll es für gescheiterte Manager zudem »keinen Euro« Abfindung mehr geben. Das klingt grundvernünftig.Durchschnittsösterreicher können die Fotos der diversen Meischis, Birnis und sonstiger Managergiganten im Staatsbereich ohnehin nicht mehr sehen, ohne einem Wutanfall zu erliegen. Der Neidkomplex dürfte dabei eine kleinere Rolle spielen. »Natürlich muss Leistung auf allen Ebenen anständig bezahlt werden«, meint Gebrüder-Weiss-Chef Wolfgang Niessner. Wenn ein System Auswüchse wie unmoralische Boni erlaube, sei im System selbst etwas faul. Was in Österreich tatsächlich faul sein könnte, formuliert Konsum-Sanierer Hans-Jörg Tengg so: »In den Gremien sitzen geschlossene Gesellschaften, die sich gegenseitig und miteinander hinauf lizitieren.« Für Tengg »Exzesse«, die es zu benennen und korrigieren gilt. Als Korrektiv sieht der Unternehmer eine »maximale Gehaltstransparenz«.

 

>> Glückliches Österreich:

Egal, ob Einkommen oder Vermögen, die Kluft zwischen arm und reich wird weltweit breiter. Die Reichen werden nicht nur immer reicher, gleichzeitig werden die Armen immer mehr. Das ist der Tenor zahlloser Studien. Dass aktuell rund 46 Millionen Amerikaner von Essensmarken leben, überrascht weniger als mangelernährte Kinder beim potenten Nachbarn Deutschland. Im Vergleich ist Österreich immer noch eine Insel der Seligen. Aber auch in der Alpenrepublik gehen Lohnschere und Vermögen auseinander. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforums Führungskräfte zeigt die Entwicklung der Managergehälter seit den 80er-Jahren (siehe Grafik). Aber der Durchschnitt sagt nicht alles. In den Konzernen wird richtig Geld gescheffelt, in den KMU überwiegen freilich »Hungerleider«. Ein Schlaglicht auf heimische Vermögen liefert das WiFo. Sei den 60ern stiegen die Besitzeinkommen um rund das 50-Fache an. Aber nicht bei allen kommt der Segen an: Knapp eine Million Österreicher ist latent armutsgefährdet.

>> Einkommensentwicklung seit 1982 (inflationsbereinigt)

back to top