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Gefährliche Alleingänge

 

 

\"''BeiEin Interview mit den Managementberatern Anke Houben und Kai Dierke.

Wenn es in den obersten Managementebenen knirscht und knarrt, wenn die Unternehmensführung statt auf Teamwork zu setzen im Alleingang entscheidet, dann gefährdet das den Erfolg und mitunter auch die Existenz eines Unternehmens. Davon sind die beiden Top-Managementberater Kai Dierke und Anke Houben überzeugt.

(+) plus: Sie beide beraten Vorstände internationaler Großunternehmen. Hat die Finanzkrise das Denken der Top-Manager verändert?

Kai Dierke: Eindeutig ja. Sie beschäftigen sich viel intensiver mit der Frage: Wie kann ich mein Unternehmen gegen unvorhergesehene, äußere Risiken absichern? Dabei geraten aber oft die inneren Risiken, die den Unternehmenserfolg mindestens ebenso gefährden, aus dem Fokus.

(+) plus: Welche Risiken meinen Sie damit?

Anke Houben: Zum Beispiel das Leadership-Risiko. Es besteht darin, dass das Top-Team eines Unternehmens nicht optimal zusammenarbeitet und funktioniert.

Dierke: Bei Top-Managern wie CEOs beobachtet man unter Druck immer wieder folgende Verhaltensweise: Sie wählen eher den Alleingang als die konsequente Arbeit im Team. Sie lassen wenig Dialog, geschweige denn Feedback zu und gefährden durch ihre Alleingänge den Erfolg, zuweilen sogar die Existenz des Unternehmens.

(+) plus:
Wo konnten Sie diese Alleingänge von CEOs beobachten?

Dierke: Prominente Beispiele wie Wiedeking bei Porsche, von Pierer bei Siemens oder Fuld bei Lehman Brothers sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie brachten ihre Unternehmen zwar voran, setzten diese aber zugleich enormen Risiken aus. Ihre Alleingänge wurden nicht durch das »Team at the Top« ausbalanciert.

Houben: Auch bei unserer täglichen Arbeit registrieren wir immer wieder ein Sich-Abkapseln der Vorstandsmitglieder unter Stress; des Weiteren eine Quasi-Entmachtung der Vorstandsteams durch die CEOs. Dabei lassen sich insbesondere drei Verhaltensmuster beobachten.

(+) plus: Wie sehen diese typischen Verhaltensmuster bei Stress aus?

Houben: Da ist erstens der »klassische Held«. Er reagiert auf Komplexität mit einer Dramatisierung der Situation und Schwarz-Weiß-Rhetorik. Das ist bei einem Turnaround ein angemessenes Verhalten. Zündet ein CEO oder CFO aber ständig die Bühne an, dann findet in der Regel keine gemeinsame Analyse und kein Dialog im Top-Team mehr statt. Das Team folgt vielmehr dem Helden auf dem Pfad des Aktionismus. Die Folge: Das Top-Team und die Organisation werden auf Dauer »sauer« gefahren.

Dierke: Der zweite Typ ist der »Erfahrene der ersten Stunde«. Er will komplexe Probleme mit Erfolgsrezepten der Vergangenheit lösen – nach dem Motto »Das hat immer funktioniert«. In globalisierten, technologiebasierten Märkten liegt in einem solchen Verhalten ein immenses Risiko. Denn Top-Manager, die so agieren, blenden die Komplexität aus und stellen sich nicht konsequent den neuen Realitäten.

(+) plus: Und der dritte Typ?

\"...Houben: Das ist der »meinungsstarke Unbeirrbare«. Er begründet sein Verhalten mit den Verhältnissen, nach dem Prinzip: »Ich habe keine Alternative – entweder ihr seid für oder gegen mich.« Er fordert bedingungslose Loyalität und stellt das Top-Team vor eine Scheinwahl. Innere Emigration und Demotivation sind häufig das Resultat.

(+) plus: Wo sehen Sie die Gründe für diese Verhaltensmuster?

Dierke: Vor allem aus zwei Gründen: Erstens sind die Denkmuster von Top-Managern nun mal leistungs-, ergebnis- und somit auch wettbewerbsorientiert. Der Alphatier-Habitus ist ihr Erfolgsrezept, um an die Spitze zu gelangen und dort zu überleben. Deshalb sind viele CEOs wenig auf Dialog und Annahme von ehrlichem Feedback getrimmt. Und dieser Tunnelblick verstärkt sich in Zeiten zunehmender Komplexität.

(+) plus: Und der zweite Grund …

Houben: … sind Strukturen und Systeme, die der Teamarbeit im Vorstand entgegenwirken. Bereichsvorstände streben oft primär nach einem Optimieren ihres Bereichs. Denn dies ist ihre Kernaufgabe. Auch die Kompensations-, Zielerreichungssysteme und Budgets sind in erster Linie bereichsorientiert definiert.

(+) plus: Heißt das, an der Firmenspitze ist die Konkurrenz besonders stark?

Prohaska: Ja. Deshalb gibt es dort auch keine natürliche Entwicklung in Richtung »ein Team«.

(+) plus:
Wie können Top-Teams trotzdem erreichen, dass sie optimal zusammenarbeiten?

Dierke: Indem sie sich immer wieder vor Augen führen, dass sie Leistungsgemeinschaften mit einer klaren Zielausrichtung sind. Erst die gemeinsame Verpflichtung auf ein Ergebnis, bei dem man sich gegenseitig in die Verantwortung nimmt, macht ein Team wirksam. Deshalb ist der produktive Konflikt ein wichtiger Geburtshelfer jedes erfolgreichen Top-Teams.

(+) plus: Heißt das, die Teammitglieder müssen immer wieder gemeinsam ihr Verhalten hinterfragen?

Houben: Ja, denn es ist eine Fiktion, anzunehmen, Teams an der Spitze würden automatisch einen High-Performance-Status entwickeln. Sie müssen sich diesen systematisch und diszipliniert erarbeiten. Erst wenn das oberflächliche Harmoniekartell gebrochen ist, kann das Team eine höhere Stufe der Performance erklimmen.

(+) plus: Knirscht es bei diesem Prozess zuweilen?

Dierke: Ja, denn es ist ein mühsamer Prozess, sich als Team einen produktiven und effizienten Modus zu erarbeiten – und es ist genauso mühsam, ihn aufrechtzuerhalten. Deshalb lautet die Kernherausforderung für jedes Top-Team, sich durch ein konsequentes Reflektieren der eigenen Funktionalitäten und Disfunktionalitäten in einem Dialog über sich selbst zu halten.
Houben: Das Team muss also die Fähigkeit zur Selbstreflektion entwickeln. Dann kann es auch das Leadership-Risiko verringern.


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