Hoch hinaus
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Geschlossene Personenaufzüge für Wohngebäude gibt es erst seit mehr als 100 Jahren. Davor wurden sie in Bergwerken eingesetzt. Heute ist modernes Leben ohne Aufzüge und Rolltreppen nicht mehr vorstellbar. Die neueste Aufzugsgeneration arbeitet bereits als Minikraftwerk.
Von Karin LegatHoch hinaus heißt es nicht nur in Bezug auf die weltweite Bevölkerung – für das Jahr 2050 wird mit 9 Milliarden Menschen weltweit gerechnet. Hoch hinaus heißt es auch im Bauwesen. 2050 werden etwa zwei Drittel der Menschen in Städten wohnen. Urbane Gebiete lassen sich nicht endlos ausdehnen. Bauunternehmer weichen daher in die Höhe aus, Aufzüge sind die logische Folge. Jährlich werden weltweit rund 450.000 Aufzüge neu in Verkehr gebracht, insgesamt sind rund zehn Millionen Anlagen tagtäglich im Einsatz. »Der Aufzug ist heute ein Durchgangsraum. Man drückt auf den Knopf des Zielgeschoßes und weiß manchmal gar nicht mehr, dass man im Fahrstuhl war. Früher war er etwas Außergewöhnliches. Es gab sogar Tafeln an der Aufzugstür mit der Aufschrift ›Achtung Aufzug‹, als ob er ein wildes Tier wäre«, erzählt Günter Baca, Marketingleiter und Mitglied der Geschäftsführung bei Kone. Im modernen Leben sind Aufzüge der Status quo. »Sie steigern den Komfort und Wert von Eigentums- und Mietwohnungen und sind entscheidend für die Lebensqualität insbesondere älter werdender Menschen. Oft bieten sie die einzige sichere Möglichkeit, Wohnungen in höher gelegenen Stockwerken zu erreichen. Aufzüge werden daher oft nachträglich eingebaut«, beschreibt Anton Marschall von Schindler ein Marktsegment im Aufzugsbau. In Wohnbauten kommen überwiegend maschinenraumlose Seilaufzüge zum Einsatz, der hydraulische Antrieb übernimmt den Transport in sehr hohen Gebäuden. Zweiter Player im Indoor-Transportwesen sind Rolltreppen. Diese finden in Wohngebäuden jedoch selten Anwendung.
»Achtung Aufzug«
Mit Risiko sind Lifte heute kaum mehr behaftet. Probleme treten laut TÜV am ehesten mit automatischen Fahrkorbtüren auf, mit Abstellungenauigkeit, technischen Gebrechen sowie externem Fehlverhalten. »Der Sicherheitsaspekt hat sich sehr stark verbessert. Mit Fug und Recht kann man sagen, dass der Aufzug heute das sicherste Massentransportmittel ist.« Und er ist auch das meistgenutzte: »Zu jeder Tageszeit befinden sich alleine in Kone-Aufzügen mehr Menschen als in allen Flugzeugen der Welt«, schildert Baca. In den letzten 100 Jahren haben die Liftgenerationen zahlreiche Innovationen erfahren. »Aufzüge überzeugen heute mit einer Vielzahl an sicherheitstechnischen Einrichtungen«, zeigt Marschall auf und nennt als Beispiele Geschwindigkeitsbegrenzer, Notrufkommunikationssysteme, Türraum- und optionale Vorraumüberwachung, Kabinentüre sowie die automatische Fangvorrichtung. Die Fangvorrichtung kommt im Falle des Risses des Tragmittels zum Einsatz.
»Wenn das Seil reißt, greifen Bremskeile und Reibbeläge und reduzieren somit die Hubbewegung. Die Liftkabine kann nicht abstürzen«, erklärt der Experte. Die Entscheidung für Aufzugsschächte, in denen Wartungstätigkeiten durchgeführt werden, ist ein weiteres Sicherheitsplus. Diese Arbeiten orientieren sich an der Nutzung und an der Anzahl der Fahrten. Nach der Inbetriebnahme wird die Fahrtenanzahl je nach Belegung des Gebäudes geschätzt. Danach folgt ein Wartungsmodell, das sich an der unverbindlichen ÖNORM EN 13015 orientiert. Diese entscheidet über das Mindestwartungsintervall. Bei Kone hat das Wartungssystem 16 Module, die entsprechend der Nutzung gleichsam »nach Maß« zusammengestellt werden. Schindler bietet systematische Wartungs- und Inspektionsbesuche sowie Servicepakete für verschleißbedingte Reparaturen inklusive kostenloser Entstörungen an. Nach der durchschnittlichen Lebensdauer von 25 Jahren werden Aufzüge generell modernisiert oder komplett getauscht. »Natürlich sind viele Aufzüge um einiges länger in Betrieb, eine Generalüberholung sollte aber aus energetischen und sicherheitstechnischen Aspekten ins Auge gefasst werden«, empfiehlt Kone. Derzeit wird von Bregenz bis Wien eine Aufzugsrichtlinie der EU umgesetzt. Bis März 2013 müssen alle Personenaufzüge in Wien gemäß dem Wiener Aufzugsgesetz mit Fahrkorbtüren, Fernnotrufsystemen und Antrieben ausgestattet sein, die eine Stufenbildung zwischen Haltestellen- und Fahrkorbfußbodenniveau möglichst vermeiden. »Es wurden zwar viele Evaluierungen gemacht, aber die Beauftragungen hinken hinterher«, stellt Baca fest. Laut einer Otis-Studie liegt das vor allem am Wissensdefizit (siehe Kasten Seite 31). »Besonders markant ist die Uninformiertheit über die Umsetzungsfristen. 13 Prozent glauben, es gebe keinen definierten Zeitpunkt für die Umstellung oder sie sind über die Fristen falsch informiert. Fehlende finanzielle Mittel verzögern die Nachrüstung ebenso«, sagt Otis-Geschäftsführer Udo Hoffmann.
Wer bremst, gewinnt
Aufzüge und Fahrtreppen haben laut Schindler mit etwa 5 bis 8 Prozent nur einen geringen Anteil am Energieverbrauch eines Gebäudes. Für Aufzugsfirmen zählt daher nicht allein der Stromverbrauch der Anlagen, sondern vor allem Nachhaltigkeit und Effizienz während des gesamten Lebenszyklus. Zum Portfolio zählen kompakte Konzepte, die selbst in kleinsten Aufzugsschächten komfortable Kabinengrößen ermöglichen, außerdem intelligente Steuerungen, die ressourcenschonende Fertigung hochwertiger Komponenten, der Einsatz recyclingfähiger Materialien und eine sorgfältige Wartung für eine lange Lebensdauer der Anlagen. In puncto Stromverbrauch überzeugen Aufzüge der letzten Generation durch regenerative Antriebe, die als kleine Kraftwerke angesehen werden können. Die durch Aufzugsfahrten entstehende elektrische Energie wird in das hausinterne Stromnetz zurückgeführt, wodurch bis zu 75 Prozent Strom eingespart werden können. Auf diese Weise finanziert sich die nächste Aufzugsgeneration. Vor allem in höheren Gebäuden und bei höheren Nennlasten wird diese Technik erfolgreich eingesetzt.. Energieeffiziente Aufzüge schlagen sich nicht negativ auf das Budget nieder. »Wir verstehen Energieeffizienzpakete nicht als Extras. Die wichtigsten gibt es deshalb bereits seit drei Jahren ohne Mehrpreis. Der technische Vorsprung ist ein Wettbewerbsvorteil«, betont der Kone-Manager. Für mehr Energieeffizienz nimmt das Unternehmen auch am europäischen E4 Programm – Energy-Efficient Elevators and Escalators teil. In diesem Programm werden Potenziale für Energieeffizienz aufgezeigt.
Energieeffizienz im Kleinen
Im Wohnhausbereich ist der regenerative Antrieb aufgrund der fehlenden Gebäudehöhe umstritten. Für Kone ist er zu unergiebig, Otis setzt ihn dagegen als Standard ein. Energieeffiziente Lösungen gibt es in jedem Fall. Primärer Faktor ist die Optimierung der Stromgrundlast. Transportmittel in Wohngebäuden stehen rund 23,5 Stunden pro Tag still, verbrauchen aber auch in diesem Status 68 Prozent des Energiebedarfs. »Hier gibt es große Chancen für Energieeffizienz. Das ist sehr oft Detailarbeit und nicht spektakulär«, vergleicht der Kone-Manager die Maßnahmen mit der Abstimmung eines Formel-1-Autos oder eines Klaviers. »LED-Leuchten verbrauchen etwa 80 Prozent weniger Energie als Halogenleuchten. Energieeffizienz ist durch den Standby-Betrieb von Lüftung und Antrieb erreichbar. Frequenzumrichter reduzieren den Anlaufstrom und sorgen für den geregelten Stillstand der Kabine. Getriebelose Anlagen benötigen keinen Ölwechsel, schaffen ebenso Kostenersparnisse und schonen die Umwelt. Bedeutenden Einfluss auf den tatsächlichen Energieverbrauch des Fahrstuhls im Betrieb erzielen neben der Auswahl der Komponenten die Bereiche Montage, Wartung und Instandhaltung. Der autarke Aufzug ist für die Aufzugsexperten schwierig zu erreichen. In gewissen Situationen muss Strom zugeführt werden, um ihn in Gang zu setzen. Dieser kann aber minimiert werden, etwa durch die Analyse der Komponenten. »Es gibt Computerplatinen, die mit weniger Standby-Strom auskommen und trotzdem auf Knopfdruck sofort einsatzbereit sind«, berichtet Baca. Auch bei bestehenden Anlagen kann die Energieeffizienz verbessert werden. Im Shopping Center SCS bei Wien wurde laut Kone etwa ein Bürohaus durch Modernisierungsmaßnahmen von der Energieklasse D auf A verbessert. Die Gesamtersparnis über die angenommene Nutzungsdauer von 25 Jahren beträgt über 27.000 Euro, berichtet das Unternehmen, das als erster Aufzughersteller mit der Energieeffizienzklasse A für einen Standardaufzug in Wohn- und Geschäftshäusern ausgezeichnet wurde. Intelligente Beleuchtungssteuerungen, bei denen der Aufzug automatisch die Gangbeleuchtung des Zielstockwerks einschaltet, bedeuten ebenfalls Energieersparnis. Nachhaltige neue Materialien wie stahlseelenarmierte Polyurethan-Gurte, die von Otis statt Stahlseilen eingesetzt werden, benötigen keine Schmier- und Pflegemittel, sind wesentlich leichter als Stahlseile, unterliegen sehr geringem Verschleiß, sind korrosionsfrei, dreimal länger haltbar als Stahlseile und sorgen für ein Höchstmaß an Sicherheit bei größter Laufruhe. Eine positive Umweltbilanz haben Aufzüge auch nach ihrer Lebensdauer. »Über 90 Prozent der Komponenten eines Aufzuges sind recyclebar«, betont Marschall.
Aufzug der Zukunft
Der Energiebedarf aller Aufzüge beträgt EU-weit derzeit 18,3 TW/h, weltweit 38 TW/h. Das entspricht der Energieproduktion von zwei bzw weltweit vier Atomkraftwerken. Mit energieeffizienten Aufzügen ließe sich der Energiebedarf um zwei Drittel reduzieren, und die Zahl der AKW halbieren, rechnet Kone vor. Energieeffizienz führt daher die Agenda aller Liftunternehmen an. Neben Technologien zur Maximierung der Energieeffizienz arbeitet Kone an einem Solaraufzug. »Gerade im Wohnbau können Solarpaneele für ein grünes Transportmittel eingesetzt werden«, meint Baca. »Stahlglasschächte im Außenbereich werden im Sommer erfahrungsgemäß sehr heiß. Ein gutes Indiz, dass der Außenschacht als Energieproduzent genutzt werden kann.« Neben energietechnischen Innovationen finden sich Neuerungen auch im Aufzugsmanagement, wenngleich hier vor allem Bürokomplexe betroffen sind. Durch moderne Zielrufsteuerungen können Aufzugsgruppen intelligent genützt werden. Nach Eingabe des gewünschten Stockwerks an einem Terminal gruppiert der Aufzug Personen mit denselben Zielhaltestellen und weist einen Aufzug zu. Zwischenstopps und Wartezeiten werden dadurch reduziert. Im Bereich Sicherheit wird sich laut Experten nicht mehr allzuviel verbessern lassen.
Stop & Go
Die effizienteste Art, für Energieeffizienz zu sorgen, ist natürlich, die Stockwerke zu Fuß zu meistern. »Raufgehen ist sehr sympathisch – gut für die Umwelt und Gesundheit. Abwärts sollte man allerdings den Lift nehmen. Wer stolpert, fällt weit. Auf Stiegen passieren die meisten Unfälle«, appelliert Baca schmunzelnd für den Aufzug.
>> Studie Wiener Aufzugsgesetz:
Mangelndes Wissen und hohe Kosten bringen Umsetzung ins Stocken. In Wien sind noch immer Tausende Aufzüge ohne Fahrkorbtüren und ohne Notrufsystem in Betrieb. Eine von Aufzughersteller Otis in Auftrag gegebene Umfrage in der Wiener Immobilienwirtschaft zeigt die Gründe für die Verzögerung.
Bis allerspätestens März 2013 müssen alle Personenaufzüge in Wien gemäß des Wiener Aufzugsgesetzes 2006 mit Fahrkorbtüren, Fernnotrufsystemen und Antrieben ausgestattet sein, die eine Stufenbildung zwischen Haltestellen- und Fahrkorbfußbodenniveau möglichst vermeiden. Doch obwohl sich die Frist dem Ende zuneigt, gibt es noch jede Menge Nachholbedarf. Rund 300 Immobilienbüros, Hausverwaltungen und Facility Manager wurden von Marketagent.com in einer Online-Studie zum Thema befragt. Obwohl jeder zweite Befragte seit mehr als zehn Jahren Aufzüge betreut, besteht bei zumindest einem Drittel Informationsbedarf über die Bestimmungen und Vorschriften zum Wiener Aufzugsgesetz. Besonders markant ist die Uninformiertheit über die Umsetzungsfristen: So weiß nur rund ein Drittel der Befragten, dass die Nachrüstung der signifikanten Mängel bis allerspätestens März 2013 umgesetzt sein muss. 13 Prozent glauben, es gebe keinen definierten Zeitpunkt für die Umstellung, rund 15 Prozent geben an, es nicht zu wissen, die Übrigen sind falsch informiert.
Bei 80 Prozent der Befragten entspricht zumindest die Hälfte der betreuten Aufzüge dem Neuen Wiener Aufzugsgesetz. Die Frage, warum bisher noch nicht alle Anlagen entsprechend den Vorgaben modernisiert wurden, begründen rund 45 Prozent mit fehlenden finanziellen Mitteln. Auf Platz zwei mit rund 14 Prozent liegen die Antworten »fehlende Zustimmung der Eigentümer« und »die Frist läuft noch«.
Die meisten Betreiber gehen ein bewusstes Risiko ein. Fast 74 Prozent wissen, dass die Sperre des Aufzuges drohen kann, wenn gegen das Wiener Aufzugsgesetz verstoßen wird. Gleichzeitig ist nahezu 90 Prozent der Befragten bewusst, dass die Aufzugshersteller einem Last-Minute-Ansturm von Nachrüstungsaufträgen nicht gewachsen sind. 37 Prozent erwarten eine Verwarnung durch die zuständige Behörde, 17,4 Prozent finanzielle Strafen bei Kontrollen. Rund 9 Prozent glauben, dass es keine Konsequenzen geben wird, solange kein Unfall passiert.