Brücken zu bauen gilt als die Königsdisziplin der Ingenieurskunst. Nicht nur die Baustoffe werden ständig weiter entwickelt. Auch in der Bauweise gibt es immer wieder völlig neue Ansätze, auch aus Österreich. Johannn Kollegger, Vorstand des Instituts für Tragkonstruktionen, zählt zu den führenden Köpfen der heimischen Brückenbauszene. Aus seiner Feder stammt ein neues Klappbrückenverfahren mit Betonfertigteilen, das deutliche Kosteneinsparungen im Brückenbau ermöglichen soll. Dabei wird eine tonnenschwere Brücke aufgespannt wie ein Regenschirm. Die einzelnen vorgefertigten Teile werden senkrecht montiert und zu einem hohen, schlanken Turm aus Beton zusammengefügt, der dann mithilfe eines Krans auseinandergeklappt wird. Diese Konstruktion muss dann nur noch ausbetoniert werden. Die größte Herausforderung bei dieser Konstruktion war laut Kollegger die Entwicklung von verbindenden Gelenken, die das Ausklappen unbeschadet überstehen. Dafür wurden Elemente aus Stahl und Beton gebaut, die im Prüflabor des Instituts mithilfe von Stahlseilen so lange belastet wurden, bis sie zerbrachen. Daraus konnten wichtige Daten über die Belastbarkeit der Konstruktion gewonnen werden. Um den eigentlichen Klappmechanismus zu testen, wurde schließlich auch noch ein verkleinertes Brückenmodell mit einer Spannweite von 15 Metern errichtet.Für richtiges Aufsehen auch außerhalb der kleinen Community von Brückenenthusiasten sorgte dann im Sommer letzten Jahres ein Großversuch in Gars am Kamp. Auf dem Betriebsgelände von Industriepartner und Betonfertigteilspezialist Oberndorfer wurde eine Klappbrücke in Originalgröße errichtet. Eine fast 26 Meter hohe Konstruktion aus Fertigteilträgern wurde montiert und zu einer etwa 50 Meter langen Brücke ausgeklappt. Dann wurde der Träger mit Beton vergossen und es entstand ein monolithischer Bauteil ohne Verbindungen wie Schrauben oder Verleimungen.Das Konstruktionsprinzip ist von Erfinder Johann Kollegger weltweit zum Patent angemeldet worden. Jetzt wird das Prinzip bei internationalen Tagungen und Kongressen vorgestellt. bei der Vermarktung könnte es von großem Vorteil sein, dass das kühne Konstruktionsprinzip in den nächsten Monaten auch in die Praxis entlassen wird. Auf der S7 im Burgenland soll noch in diesem Jahr ein Prototyp der Klappbrücke mit einer Spannweite von mehr als 120 Meter errichtet werden. »Das Brückenklappverfahren bietet enorme wirtschaftliche Vorteile«, erklärte Thomas Pils von der Asfinag Baumanagement GmbH im Rahmen der »Brückentagung 2011« Mitte Mai in Wien. Die von der TU Wien veranstaltete Tagung fand heuer zum bereits dritten Mal statt und bot Bauherren, Baufirmen, Zivilingenieure und Universitäten die Möglichkeit zum Informationsaustausch. Außerdem war die Tagung auch heuer eine Informationsquelle für Innovationen auf dem gesamten Gebiet des Brückenbaus.> Forschung:Ohne Abdichtung und Fahrbelag. Das Forschungsinstitut der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie VÖZfi arbeitet seit längerem an einer »Brücke ohne Abdichtung und Fahrbelag«.Konventionelle Betonbrücken enthalten schlaffe, korrosionsgefährdete Bewehrung aus Stahl. Durch die Belastung treten in biegebeanspruchten Bauteilen aus Beton wie den Brückenträgern und -platten Risse auf. Wasser und Chloride dringen ein und können Korrosion in der Bewehrung hervorrufen. Das kann sowohl die Tragfähigkeit als auch das Aussehen der Brücken beeinträchtigen. Deshalb wird zwischen Fahrbelag und Tragwerksbeton eine Abdichtung angebracht. Diese sind allerdings anfällig für Schäden, haben eine begrenzte Lebensdauer und müssen nach rund 30 Jahren aufwändig erneuert werden. Mit dem VÖZfi-Projekt wurde eine Bauweise entwickelt, mit der Betonbrücken viel dauerhafter und wartungsfreier ausgeführt werden können als bisher. Dafür wird die gesamte herkömmliche, korrosionsgefährdete Bewehrung durch in Hüllrohren geführte und somit dauerhaft vor Korrosion geschützte, vorgespannte Bewehrung ersetzt. Als Fahrbahn kommt Straßenoberbeton in direktem Verbund mit dem Tragwerk zur Anwendung.Intensiv getestet wurde die neue Bauweise im Rahmen eines Großversuchs im Prüflabor des Instituts für Tragkonstruktionen an der TU Wien. Das System konnte sowohl im Hinblick auf das Verbundverhalten zwischen Tragwerks- und Straßenoberbeton überzeugen als auch im Umgang mit der auf Brücken auftretenden dynamischen Belastung und den verschiedenen Umwelteinflüssen.Einen ersten Praxiseinsatz feierte die »vorgespannte Betonbrücke ohne Abdichtung und Fahrbahnbelag« in Salzburg. Bei einer 50 Meter langen, gekrümmten Brücke über den Egg-Graben hat sich das innovative Konzept bewährt. Jetzt soll sich das Konzept bei weiteren Projekten der Asfinag bewähren. >>Nischen: Stahlbrücke für AfrikaDas Stahlbauunternehmen Waagner Biro zählt zweifelsfrei zu den führenden Brückenbauern des Landes. In den letzten Jahren hat sich das Unternehmen als Spezialist für bewegliche Brücken einen Namen gemacht. Zu den realisierten Projekten zählen die Rethe-Klappbrücke in Hamburg, die Golden Horn Bridge in Istanbul oder auch eine Brücke über den Prai River in Malaysia. Dazu hat sich in der jüngsten Vergangenheit auch der Markt für Paneelbrücken in Afrika sehr gut entwickelt. Waagner Biro lieferte unter anderem vier Paneelbrücken nach Burkina Faso und drei Schwerlast-Paneelbrücken nach Algerien. Diese Brücken können in kürzester Zeit und mit einfachsten Mittel aufgestellt werden, dabei aber sehr schwere Lasten tragen. In Algerien wurden die Brücken für den Transport von Turbinen für ein neues kalorisches Kraftwerk errichtet und mussten eine Last von 512 Tonnen tragen können. Dafür wurden die Brücken schon im Vorfeld einem besonderen Test unterworfen. Für diesen »Lastversuch« überfuhr ein mit Kran-Gegengewichten aus Stahl beladener Lkw-Zug die Brücken, um einen Vergleich der tatsächlichen Durchbiegung mit den zuvor errechneten Werten zu ermöglichen. Dabei wurden sämtliche Vorgaben erfüllt und die Turbinen konnten zum Kraftwerk transportiert werden. >> Seitenblick: Tauchen für den BrückenbauDas Tauchunternehmen Nautilus aus Weyregg am Attersee hat sich in den letzten Jahren zum österreichischen Marktführer im Berufstauchen entwickelt. Die Aufträge reichen von Kraftwerkssanierungen, Stahlwasserbau, Bautauchen, Unterwasserbeton bis zum Rohrleitungsbau. Im letzten Jahr hat Nautilus im Rahmen eines Bahntunnelbaus im Inntal in mehr als 6.000 Tauchstunden rund 33.000 m² unter Wasser betoniert. Es folgte ein Großauftrag aus Albanien, wo für die Porr eine Fundamentbetonplatte für ein Laufkraftwerk bei sehr hohem Grundwasserspiegel hergestellt wurde. Dafür waren sechs Taucher mehrere Monate im Einsatz. Im Brückenbau kümmern sich die Profitaucher rund um die Geschäftsführer Alois Männer und Markus Distler um das Bauen, Sanieren, Kontrollieren und Reinigen von Brücken und Brückenpfeilern unter Wasser. >> Innovation: HochleistungsbrückeMit der Wildbrücke in Völkermarkt hat die Strabag im letzten Jahr die weltweit erste Bogenbrücke aus Ultrahochleistungsbeton (UHCP) realisiert. Dieser Beton besteht aus 400 Kilogramm Stahlfasern auf einem Kubikmeter Beton. Damit wird UHPC so hart, dass die Brückenwände deutlich dünner ausfallen können und somit Baumaterial gespart wird. Zusätzlich ist die Lebensdauer länger. Die UHPC-Fertigteile haben eine Wandstärke von 60 Millimetern und können vollständig auf Bewehrungsstahl verzichten. Bei der Völkermarkter Wildbrücke überspannt ein schlankes Bogenpaar aus Ultrahochleistungsbeton das mittlere Brückenfeld mit 70 Metern. Dafür gab es bereits mehrere Auszeichnungen, darunter den Ziviltechniker Award für die innovativste Planungsleistung.