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Im Energiefokus

Foto: Im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte zum Konzept TABSOLAR entstehen multifunktionale, durchströmbare Komponenten aus Ultrahochleistungsbeton, die als gebäudeintegrierte Solarkollektoren, Niedertemperaturquellen für Wärmepumpen oder thermoaktive Bauteilsysteme dienen können. Foto: Im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte zum Konzept TABSOLAR entstehen multifunktionale, durchströmbare Komponenten aus Ultrahochleistungsbeton, die als gebäudeintegrierte Solarkollektoren, Niedertemperaturquellen für Wärmepumpen oder thermoaktive Bauteilsysteme dienen können.

Gebäude benötigen etwa 40 Prozent des Gesamtenergiebedarfs in Österreich, fungieren aber auch als Energielieferanten. Der Gebäudehülle kommt damit eine entscheidende Rolle in der Energiefrage zu, auch in der Forschung.

Ungedämmte Wände, ausgeprägte Wärmebrücken, eine zentrale, gasbefeuerte Heizungsanlage, dezentral erzeugtes Warmwasser mit strombetriebenen Boilern in den Wohnungen – so präsentierte sich der energetische Standard von Wohnanlagen der 1980er-Jahre. Bis 2050 ist eine Halbierung des Endenergiebedarfs im gesamten Gebäudesektor zu schaffen. Dies beweist das Ergebnis einer Großfeldanalyse zweier Stadtteile in Wien und Innsbruck. Zur Umsetzung ist eine konsequente Fokussierung auf den besten verfügbaren Baustandard sowohl bei der thermischen Sanierung als auch beim Neubau notwendig.

Manko Einsatzbereitschaft

»In den letzten Jahren wurden viele Lösungen rund um die innovative Gebäudehülle gefunden«, sieht Professor Alexander Passer von der Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen der TU Graz gute Fortschritte und verweist u.a. auf die erste Plussanierung in Kapfenberg. Das Gebäude aus den 1960er-Jahren wurde hier durch vorgefertige Fassadenelemente mit höchster Wärmedämmung, Wärmerückgewinnung und einem innovativen haustechnischen Konzept auf Plusenergiestandard saniert, das ergab über 80 Prozent Einsparung an Energie und Treibhausgasemission.

Als weiteres Projekt nennt Passer FitNeS, fassadenintegrierte modulare Split-Wärmepumpen für Neubau und Sanierung. Möglichkeiten der Energieeffizienzsteigerung ergeben sich auch durch die Erweiterung der energetischen Systemgrenzen vom Einzelgebäude zum multifunktionalen Gebäudeverband. Anhand des Plusenergieverbundes Reininghaus Süd konnte etwa gezeigt werden, dass eine wirtschaftlich umsetzbare, technisch und organisatorisch innovative Plusenergielösung auch im Gebäudeverbund möglich ist. In internationalen Forschungsprojekten, u.a. IEA EBC Annex 72, wird an der Harmonisierung der Nachhaltigkeitsbewertungen gearbeitet, um auch die graue Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen.

»Die Technologien sind vorhanden und einsatzbereit. Im breiten Markt zählen aber nach wie vor geringe Herstellungkosten statt langfristiger Nachhalitgkeitsbetrachtungen. Die Bereitschaft der Investoren für innovative Maßnahmen und echten Klimaschutz ist entwicklungsbedürftig«, bedauert Passer. Deshalb fordert u.a. die Grazer Deklaration für Klimaschutz im Baubereich (https://gd.ccca.ac.at) entschlossenes Handeln zur Reduktion der Treibhausgasemissionen.

Solare Integration

Mit 95,6 Prozent stellen Gebäude das am häufigsten genutzte Flächenpotenzial für PV-Installationen in Österreich dar, wobei nur drei Prozent nicht als Aufdach-Montage, sondern bauwerkintegriert ausgeführt sind. »Speziell in der Kombination mit etablierten Konzepten wie Passiv- oder Niedrigstenergiehaus stellt die PV den wesentlichen Stromlieferanten für zukunftsfähige Bauwerke dar«, betont Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik. Da viele Projekte Einzellösungen sind, mangelt es aber an standardisierten, zuverlässigen und zertifizierten Produkten, Planungs- und Bauprozessen.

»Deshalb wird aktuell an diesen Themen mit besonderer Intensität geforscht und entwickelt«, informiert Christoph Mayr, Business Manager PV Modules and Power Plants am Center for Energy des AIT. Dazu läuft u.a. das EU Horizon 2020-Projekt Be-SMART, wo das AIT Center for Energy mit 14 europäischen Partnern an multifunktionalen Bauteilen forscht, die die isolierenden, schalldämmenden und ästhetischen Aufgaben von Baustoffen erfüllen und zugleich Energie erzeugen.

Bei Coolskin speist eine als Kaltfassade realisierte, vertikale PV-Anlage die zur Gänze in der Fassade befindliche Technik wie Wechselrichter, Batterie, Kühleinheit und Ventilation. Altafos ist ein Projekt der TU Graz, das sich mit organischen Solarzellen befasst, die aufgrund ihrer einfachen Verarbeitbarkeit und des geringen Energieaufwands für ihre Herstellung zuletzt an Bedeutung gewonnen haben.

Multifunktional

»Die Gebäudehülle ist schon immer multifunktional gewesen«, betont Architekt Michael Grobbauer vom Zentrum Alpines Bauen der FH Salzburg. Sie diente als Schall-, Feuchte-, Schlagregen-, Wind- und Wärmeschutz und trennte Innen- und Außenraum. Durch die gestiegenen Anforderungen haben sich diese Funktionen weiterentwickelt.

Sogenannte adaptive Fassaden zeigen sich in Form von kontrollierbarer Wärmedämmung und thermischer Masse, Strahlungsaustausch, Lüftung, solarer Energiegewinnung, Tageslicht, Sonnenschutz und Regulierung der Feuchtigkeit. Das smarte Fassadenkonzept nutzt Wettervorhersagen, prognostiziertes zukünftiges Nutzerverhalten und aktuelle Anforderungen sowie Randbedingungen, um physikalische Eigenschaften anzunehmen, die zu energieoptimierter Performance und Behaglichkeit für den Nutzer führen.

»Neben PV und Kühlung können auch Beschichtungssysteme zur Sonnenlichtsteuerung für den Innenraum integriert sein«, informiert Christoph Mayr. Funktionelle Beschichtungen in den Fenstergläsern reduzieren den Wärmeeintrag in das Gebäudeinnere oder filtern das Sonnenlicht. Die Tageslichtqualität spricht auch Michael Grobbauer an. »Es stellt sich die Frage, wie gut die Tageslichtautonomie ist, also die Versorgung des Innenraums mit Tageslicht über die Tagesbilanz zur Reduktion des Energieaufwands für Kunstlicht. Das ist bei vielen Bauherren von seiner Bedeutung her noch nicht angekommen.«

Faktor Nachhaltigkeit

Eine erfolgversprechende Weiterentwicklung sieht Michael Grobbauer in der ökologisch relevanten Gebäudehülle. »Am Zentrum Alpines Bauen arbeiten wir mit zellulosebasierten Materialien, d.h. Holzwerk- und Dämmstoffen im Einsatz für die urbane Nachverdichtung.« Zunehmend finden sich auch Bio-Kunststoffe im Bauwesen, die sich chemisch nicht von erdölbasierten unterscheiden. Regenerative, rezyklierbare und regionale Komponenten im Hochbau sind auch Thema des Projektes natuREbuilt von der TU Wien zusammen mit Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich.

Im Gespräch mit dem Bau&Immobilien Report spricht Univ.-Prof. Azra Korjenic, Leiterin Forschungsbereich Ökologische Bautechnologien, vor allem den neuen Freiland-Prüfstand an, mit dem ökologische Wand-, Dach- und Terrassenaufbauten auf ihr hygrothermisches Verhalten, auf ihre bauphysikalische Funktionsfähigkeit und Dauerhaftigkeit getestet werden. Es gäbe noch viele Informationsdefizite und Unsicherheiten zur Lebenszeit regenerativer Baustoffe. Das Testgebäude dazu findet sich im TU Wien Science Center. Die Tragkonstruktion ist aus Holz und die einzelnen Prüfflächen modular, sodass die Konstruktionen leicht ausgetauscht werden können.

Der gesamte Prüfstand ist drehbar. Auch ein innovatives PV-Grün-Fassadensystem, das im Rahmen einer Dissertation am alten Öko-Prüfstand entwickelt wurde, wird getestet. »Wir haben eine Vielzahl von Sensoren in jeder Schicht eingebaut, die über Wärmestrom, Temperatur, Feuchtigkeit und vieles mehr informieren und Rückschlüsse auf Lebensdauer und Probleme zulassen.«

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