Im Licht der Digitalisierung
- Written by Redaktion
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Zur Premiere des ersten Fachforums lud das Austrian Institute of Technology in die Seestadt Aspern. Die Message an die Teilnehmer: Die Akteure müssen vernetzt sein und zusammenarbeiten, um das Potenzial hinsichtlich Energieeffizienz, Automatisierung und Nachhaltigkeit besser zu nutzen.
Der Tag begann pünktlich um acht Uhr mit einer Führung durch die Seestadt Aspern, mit 240 Hektar eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Richard Wippel, Projektleiter bei RK safetec, bot erste Einblicke in die digitalisierte Großbaustelle. »Das strenge UVP-Verfahren hat Auswirkungen darauf gehabt, wie wir die Baustelle aufsetzen. Die Zufahrt darf nur vom Süden erfolgen, es gibt ein Zufahrtslimit.«
Aus Gründen der Minimierung von Lärm und Luftschadstoffen dürfen nicht mehr als 700 LKW täglich zufahren. Darüber hinaus gibt es die Behördenauflage, dass im Südbereich LKW mindestens Euroklasse 3 und im Norden mindestens Euroklasse 5 aufweisen müssen. Fahrzeuge schwerer als 3,5 Tonnen werden daher einem Ein- und Ausfahrtreglement unterzogen. RK safetec, ein Unternehmen der Rhomberg Sersa Rail Group und zuständig für bauprovisorische Anlagen und Sicherheitstechnik, hat dafür ein passives RFID-System in Kombination mit Schrankenanlagen installiert.
»Jene LKW, die oft in das Bauareal fahren, z.B. Betonmischer, sind mit Transpondern ausgestattet und können die Kontrollanlagen berührungslos passieren. LKW, die nur sporadisch eine Einfahrt benötigen, erhalten nach Online-Anmeldung einen Code zugeschickt und werden für eine bestimmte Arbeitszeit zugelassen«, informierte Wippel. Mit den Anlagen kann auch die Fahrgeschwindigkeit geregelt werden, die auf asphaltierten Straßen bei 30 km/h liegt, auf Schotterstraßen bei 20 km/h.
Vor der Schrankenanlage muss der LKW die Geschwindigkeit reduzieren, da die Erkennung auf fünf Meter beschränkt ist. Ebenfalls digital erfolgt die Lärmmessung auf der Baustelle. Im Sekundentakt werden Lärmemissionen aufgezeichnet, diese auf zehn Minuten hochgerechnet und Stunden- und Tagesmittelwerte erstellt. Wenn das System anschlägt, werden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Die digitale Lärmmessung korreliert mit einer eigenen Wetterstation, um Einflüsse wie Sturm oder Starkregen zu berücksichtigen.
Zurück zur Kerze
Zurück im Technologiezentrum sprach Gernot Wagner, Geschäftsführer von Porr Design&Engineering, den krassen Unterschied in der Digitalisierung zwischen Planung und Fertigung an. »Bis zum Baustart sind wir digital gut unterwegs, dann erfolgt ein gewaltiger Rückschritt, die Kerze wird manchmal erst gesucht«, gab er einen plastischen Vergleich zur Planung, die im Vergleich der Glühbirne ähnelt. Porr reagiert mit dem Projekt PORR base darauf mit dem digitalen Aufsatz der Bauabwicklung von der Planung, BIM, bis zur Realisierung: I2M (Information zur Maschine).
Immer wieder fällt bei der Konferenz der Vergleich mit der Autoindustrie, die BIM quasi bereits ins Auto implementiert hat. Am Bau dagegen werde aus dem 3D-Bim-Modell wieder ein 2D-Plan, weil mit 3D nichts gefertigt werden könne. Paul Pletsch von Cree sieht das Problem im Schritt von der Planungssoftware in das CAD-Programm.
»Es funktioniert nicht, weil die Schnittstellen nicht ausreichend definiert sind«, ergänzte Univ.-Prof. Andreas Kropik von der TU Wien auf Anfrage des Bau & Immobilien Report. Schnittstellen gibt es am Bau ausreichend. »Durch die sehr weit verbreitete Einzelvergabe in Österreich und Deutschland sind am Bau schon einmal 150 Unternehmen aktiv mit 300 Schnittstellen vertreten«, stellte Karl Friedl, Geschäftsführer von M.O.O.CON, fest. Eine Lösung heißt Totalunternehmerverband, wie in Wien beim Projekt Rochusgasse der Post und beim Bauprojekt ÖAMTC realisiert. In Berlin gilt das Medienhaus Axel Springer als Vorzeigeprojekt.
Baumeister Otto Handle von Inndata nannte in diesem Zusammenhang den ÖNORMEN-Ausschuss A1109, der sich seit fünf Jahren mit der Normung der BIM-Prozesse im Allgemeinen, der Modellierungsrichtlinien und der Art und Weise, wie man Parameter im Modell hinterlegt, beschäftigt. Die BIM-Norm A6241-2 besteht seit 2015 und behandelt die Strukturen betreffend Austausch bzw. Zusammenarbeit mit digitalen Gebäudemodellen, sowohl von grafischen als auch von Metadaten. »Ein Server regelt dabei die Parameterstrukturen«, informiert Handle. Dadurch kann die Norm leicht regelmäßig thematisch erweitert werden. Eine Adaption steht bevor.
Neue Kultur
Es braucht ein Umdenken, sind sich die Teilnehmer des AIT-Fachforums für digitale Gebäudetechnik einig. »Das digitale Gebäude der Zukunft braucht integrierte Denk- und Planungsansätze sowie einen interdisplinären Ansatz bereits in der Konzeptionsphase«, erklärte Thomas Fleckl, Head of Competence Unit Sustainable Thermal Energy Systems am Center for Energy des AIT, zu Beginn der Veranstaltung. »Detailbranchen müssen zusammengeführt werden, Planer, Errichter, Betreiber und Finanzierer – alle sind wir die Immobilienbranche«, forderte Karl Friedl.
Mit einer gemeinsamen Geisteshaltung finde man einen Weg. »Wenn wir nicht anfangen, uns zu verstehen und die Prozesse durchgängig zu gestalten, brauchen wir über Digitalisierung nicht nachdenken.« Zukunftsforscher Harry Gatterer nannte dazu das Beispiel der Mölltaler Tischler. »Acht Tischlereien standen vor dem Aus. Die Lösung war für sie zu kooperieren, sich zu vernetzen.« Dieser Schwenk vom Ego- zum Ökosystemdenken sei entscheidend.
Vorteil BIM
Erst fünf bis 15 Prozent der Bauprojekte werden mit BIM geplant, und das trotz massiver Kostenvorteile:
- Eine integrierte Planung erlaubt es, den Bauablauf ganzheitlich zu optimieren.
- Verstärkte Modularisierung und Standardisierung ermöglichen es, mehr Komponenten außerhalb der Baustelle vorzufertigen, was die Kosten um fast ein Drittel und die Bauzeit um knapp die Hälfte reduziert.
- Automatisierte Prozesse und die integrierte Steuerung von Maschinen und Ressourcen machen den gesamten Bauprozess erheblich effizienter.
- Die Erstellung digitaler Zwillinge von Bauwerken erlaubt es, schon in der Planungsphase die spätere Nutzung des Objekts im Blick zu behalten und beispielsweise Energieeffizienz oder Wartungsaufwand zu optimieren. Zudem lässt sich am digitalen Zwilling der Baufortschritt überwachen und in Echtzeit mit dem Design vergleichen.
- Künstliche Intelligenz und Advanced Analytics ermöglichen es, bisher ungekannte Datenmengen zu verarbeiten. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Optimierungen in einem Projekt.
AR & K
In der Planung kommen Schlüsseltechnologien wie Augmented Reality und künstliche Intelligenz noch nicht standardisiert zum Einsatz. »Dabei bietet gerade Augmented Reality die Möglichkeit, integrale Planung zu unterstützen und darauf aufbauende Entscheidungsprozesse transparenter darzustellen«, betonte Christoph Reichl, Center for Energy des AIT. Im Projekt RAARA – Residential Area Augmented Reality Acoustics, entwickelt das AIT Methoden, die einen einfachen, intuitiven und zugleich akkuraten Umgang mit Schallemissionen und deren Minderung ermöglichen. Ziel ist, Lärmquellen z.B. von Wärmepumpen vor deren Installation vor Ort in realer Umgebung mittels Augmented Reality virtuell zu platzieren, die Schallemissionen visuell farblich darzustellen und hörbar zu machen.