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Logistik Next

Foto: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor eines Bauprojekts ist eine gut geplante und nachhaltig organisierte Baustellenlogistik (im Bild die Baustelle U2 Matzleinsdorferplatz). Foto: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor eines Bauprojekts ist eine gut geplante und nachhaltig organisierte Baustellenlogistik (im Bild die Baustelle U2 Matzleinsdorferplatz).

Baulogistiker vergleichen ihre Materie gerne mit Flüssen: Material, Personal, Strom, Maschinen – alles muss zur Baustelle gelangen, wird dort verarbeitet oder eingesetzt und muss anschließend wieder abtransportiert werden. Wie sieht das in der Zukunft aus?

Die logistischen Abläufe einer Baustelle sind äußerst vielschichtig und im Idealfall greifen die Abläufe wie Zahnräder ineinander. »In den letzten Jahren wurde oft vergessen, dass Bauen Kooperieren und Kollaborieren heißt«, kritisiert Univ.-Prof. Gottfried Mauerhofer vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz. Wenn die Bearbeitung eines Projektes innerhalb eines Unternehmens und eines Teams in enger Verbindung mit dem Lieferanten funktioniere, sei das sehr zu begrüßen. Solche Baustellen wären in Europa und speziell im deutschsprachigen Raum allerdings sehr selten. Es braucht Abteilungs- und Unternehmensgrenzen überspannende Projektteams, die nicht in Silos arbeiten. Hier fällt das erste Mal im Gespräch der Begriff Lean Management.
 

Lean am Bau

Der Lean Baumanagement-Ansatz eröffnet neue Wege in der Bauprojekt­abwicklung und gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Baubranche. »Vergleicht man den Trubel auf einer Baustelle mit den geordneten, perfekt geplanten Abläufen in Produktionshallen der Automobilindustrie, wird schnell deutlich: Bauprojekte können mit verschlankten Prozessen deutlich effizienter werden«, betont Mauerhofer, der den Masterlehrgang Lean Baumanagement leitet.

Angeboten von der TU Graz ab September 2019, erstmalig im deutschsprachigen Raum, richtet er sich an Berufstätige in Führungspositionen in der gesamten Bauwirtschaft. Im Kern geht es bei Lean Baumanagement und Lean Construction darum, Verschwendung zu vermeiden. Dafür gibt es am Bau erhebliches Potenzial, rund 60 Prozent der Tätigkeiten sind wertschöpfend, Warten, Lagern bilden den Rest. Nur zwischen 40 und 50 Prozent jener Aufgaben, die eingeplant und von den Professionisten zugesagt sind, werden auch tatsächlich zeitgerecht ausgeführt. Die Folge sind Verzögerungen, wodurch Gewerke parallel arbeiten müssen, was mit geringer Produktivität und erhöhter Fehleranfälligkeit verbunden ist.

Einige Unternehmen setzen laut Univ.-Prof. Mauerhofer Lean Management bereits ein, verwenden den Begriff nicht dezidiert, arbeiten aber sehr abgestimmt, vom Bauhof über die Arbeitsvorbereitung bis zur Kalkulation. Allein die Schnittstellen müsse man noch optimieren. »Gerade innerstädtische Bauvorhaben stellen alle Beteiligten, inklusive Anrainer, auf eine harte Probe«, ergänzt Klaus Ahamer, zuständig für Baulogistik bei Schachinger. Für den urbanen Bereich wurde eine alternative Lösung gefunden. Die Gewerke liefern an Logistik-Hubs außerhalb der Stadt, Schachinger bündelt und fährt mit kombinierten Lkw die Baustellen an.

Vorausgedacht

Laut bauXund müssen Bauunternehmer für optimierte Logistik ihr Augenmerk verstärkt auf die Bauvorbereitung und Planung richten. »Bei einer Baugrube muss ich die Zusammensetzung kennen und planen, wer der Abnehmer sein könnte. Ich darf nicht den Aushub wegführen, der auf oder im Umfeld der Baustelle gleich verwendet werden könnte«, betont Geschäftsführer Thomas Belazzi und nennt dazu als Vorzeigebeispiel die Seestadt Aspern.

Architekt Thomas Romm berichtet zufrieden: »Wir haben eine Million Tonnen Material auf der Baustelle verwertet und den Aushubkies vor Ort zu Beton verarbeitet. Das ergab eine Kostenreduktion von etwa 15 Prozent.« Über 100.000 Lkw-Fahrten wurden obsolet, Transportkosten von drei Millionen Euro konnten eingespart werden, auch wenn die Lkw nur 25 km gefahren wären. Mit steigendem Bauvolumen wird die Logistik natürlich zunehmend komplexer. Sind zehn Lkw pro Tag noch relativ gut zu koordinieren, so bedarf es bei Großbaustellen mit einer Frequenz von 100 Lkw und mehr schon einer ausgeklügelten Logistik, um massive Verkehrsbeeinträchtigungen zu vermeiden. Neben den strengen gesetzlichen Entsorgungs-Verordnungen bereitet die effiziente Nutzung von Zufahrten, Lagerflächen und Baugeräten den Planungsverantwortlichen mitunter Kopfzerbrechen.

Nachhaltige Baulandschaft

Bild oben: In der Seestadt Aspern konnten durch eine ausgeklügelte Baustellenlogistik und direkte Wiederverwertung von Aushubkies über 100.000 Lkw-Fahrten und 3 Mio. Euro Transportkosten eingespart werden

»Eine ausgeklügelte Logistik in Wien bringt ökologisch nur wenig, wenn ich Fliesen tausende Kilometer per Lkw statt mit der Bahn aus Italien nach Wien hole«, zeigt Belazzi auf. Auch Werner Müller, Leiter des Councils für nachhaltige Logistik, CNL, fordert Veränderungen. Bei CNL-Firmen sind aktuell neun eLkw täglich im Praxiseinsatz. Solche eLkw könnten auch Baustellen beliefern, Fahrzeuge mit Kränen sollten die Möglichkeit haben, an der Baustelle Strom zu tanken, um die Reichweite durch Krantätigkeiten nicht einzuschränken.

Dafür brauche es die Ausarbeitung von Konzepten und eine adaptierte Infrastruktur. Die Reduktion der Abgase ist ein wichtiger Punkt, der im Rahmen der emissionsarmen Baustelle gefordert wird, nebst der Minimierung von Lärm und Abfall. Diesbezügliche Kriterien dafür bieten ÖGNI und DGNB. Dekarbonisierung bildet auch für Univ.-Prof. Sebastian Kummer, Leiter des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU, einen entscheidenden Faktor.

»Es braucht Digitalisierung und eine bessere Steuerung, der nächste Schritt muss die Dekarbonisierung sein.« Zahlreiche Baumaschinenhersteller sind bereits auf Elektromobilität umgestiegen. Hebekräne, Verlege-Maschinen, Radlader, Bagger oder Steinbruch-Maschinen werden zunehmend grün. Bei größeren Projekten und längeren Strecken setzt die Baubranche bereits auf die Bahn. Die Herausforderung sei der letzte Kilometer, da sei es schwer, auf den Lkw zu verzichten. In den nächsten fünf Jahren rechnet Univ.-Prof. Kummer mit der Umstellung der Baufahrzeuge, vorerst auf Gasantrieb. Gerade bei größeren Fahrzeugen sei E-Antrieb oft nicht wirksam. Univ.-Prof. Mauerhofer lehnt den E-Antrieb aus anderen Gründen ab.

»Elektromobilität ist nicht die Lösung, da die Ökobilanz der aktuell verwendeten Akkus kritisch zu beurteilen ist.« Einwurf von Werner Müller: »Die Ökobilanzen von Batterien verbessern sich laufend, zudem haben alle großen Batteriehersteller mit der Fahrzeugindustrie große Recyclingprojekte ins Leben gerufen.« Die begrenzte Einsetzbarkeit und die lange Ladedauer der Baumaschinen gestalte den täglichen Baubetrieb laut Mauerhofer zudem deutlich schwieriger. Auch das Stromnetz müsse bei Großbaustellen darauf ausgelegt sein, dass zahlreiche Baumaschinen gleichzeitig Strom tanken können. Die grüne Baustelle muss auf die Verwendung umweltfreundlicher und recyclebarer Baumaterialien achten. Für den Fuhrpark hält der Techniker den Umstieg auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge für die praktikablere Lösung.

Bild oben: »Die Firmen erkennen, dass die Verknüpfung digitaler Baupläne, Bauplanung, Bauüberwachung und Baukontrolle die Abläufe auf der Baustelle optimieren«, analysiert Univ.-Prof. Sebastian Kummer.

Digitale Baustelle

Univ.-Prof. Kummer sieht in der 5G-Technologie einen großen Schub. »Damit einher geht u.a. die völlige Verfügbarkeit aller Daten auf der Baustelle, einschließlich Simulation, Umplanungen können rascher erfolgen.« Mitarbeiter vor Ort müssten zwar geschult werden, aber die heutige Generation sei sehr technikaffin. Sendungen können mit 5G geokodiert werden, in der Folge sind sie rascher auffindbar, die Baustelle wird genauer. Nicht die Roboter allein bringen den Fortschritt, sondern die Verfügbarkeit der Informationen. Aber man müsse vorsichtig sein, ineffektive Prozesse dürfen nicht digitalisiert werden, insbesondere in der Kollaboration zwischen Unternehmen und in der Bauplanung.

Klaus Ahamer: »Digitale Logistiksysteme sorgen für effiziente Abläufe und helfen Kosten sparen, schon jetzt ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil.« Insbesondere beim Bestandsmanagement lassen sich Kosten sparen, durch sachgemäße Lagerung und Diebstahlschutz werden etwa Materialverluste weitgehend vermieden. Im Idealfall ist die gesamte Lieferkette vom Baustoffhersteller über den Großhändler bis zum Einsatzort eingebunden. Statt auf Lieferscheinen und Tabellen läuft die Dokumentation digitalisiert ab.


Lean & Logistik

Die 5 Prinzipien von Lean Construction sind Kundenmehrwert, Wertstrom- & Prozessoptimierung, Flussprinzip, Pull- statt Push-Prinzip sowie kontinuierliche Verbesserung – Inhalte des ersten Universitätslehrgangs für »Lean Baumanagement« an der TU Graz im deutschsprachigen Raum. Abgestimmt werden müssen laut Univ.-Prof. Mauerhofer noch die vertraglichen Konditionen beim Bauablauf.


Best Practice: Generalsanierung SVA

Die Innenstadtlage des aus Landesstelle Wien, Zentrale und Gesundheitszentrum bestehenden Gebäudekomplexes der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft macht die Generalsanierung zu einer echten Herausforderung. Deshalb holte sich Generalunternehmer Plus Sedlak Bau für die baulogistische Unterstützung Zeppelin Rental an Bord. Zeppelin Rental plant Ver- und Entsorgungslogistik sowie die Zutrittskontrolle. Zudem erstellte das Unternehmen ein Baulogistikhandbuch, in dem diese Abläufe und Prozesse für alle Auftrag- und Nachunternehmer im Detail definiert und beschrieben sind.

Zutritt zur Baustelle haben ausschließlich Personen, die sich vorab über das Online-Portal InSite 3.0 angemeldet haben oder dies vor Ort tun. »Hier sind in Spitzenzeiten rund 250 Personen pro Tag tätig«, erzählt Christoph Kovacs. »Im Idealfall melden diese sich bereits vor ihrem Erstzutritt auf der Baustelle online an und hinterlegen die erforderlichen Dokumente«, führt Dominik Müller aus.

Neben den Personenströmen kontrolliert Zeppelin Rental Österreich auch die Materialströme mittels einer webbasierten Lösung sowie eigenen Mitarbeitern vor Ort. So gibt es aufgrund der beengten Platzverhältnisse nur zwei Ladezonen auf der Baustelle. Gäbe es keinen festgelegten Prozess für die Beschickung, kämen im schlechtesten Fall mehrere Anlieferungen zur selben Zeit auf die Baustelle. Unnötige Wartezeiten, Staus im Umfeld der Baustelle oder auch eine geringe Anwohner-Akzeptanz der Baumaßnahme wären mögliche Folgen. Aus diesem Grund müssen alle Projektbeteiligten ihre Transporte über das sogenannte OLCC, das Online Logistics Control Center, vorab anmelden.

Als befugter Abfallsammler für nicht gefährliche Abfälle verantwortet Zeppelin Rental Österreich zudem die komplette Entsorgungslogistik für die Sanierung der SVA. Gäbe es für die Entsorgung der Baustellenabfälle weder Konzept noch einen zentralen Prozess, würde dies möglicherweise gegenseitige Behinderungen bei der eigenständigen Entsorgung, verschmutzte Arbeitsplätze und eine erhöhte Unfallgefahr nach sich ziehen. Deshalb wurde ein Entsorgungshof eingerichtet, wo der Müll zentral zwischengelagert und sortiert wird, bevor er in eine für die Abfallfraktion passende Mulde gefüllt und von einem Entsorgungsunternehmen abtransportiert wird.

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