Fragen an die Politik: Vergaberecht
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In der Rubrik »Fragen an die Politik« haben Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, konkrete Fragen an Spitzenpolitiker zu richten. In der aktuellen Ausgabe kommt die Frage vom Tiroler Landesinnungsmeister Bau, Anton Rieder. Gerichtet wurde sie aufgrund der aktuellen politischen Situation an Mitglieder des Verfassungs- oder Wirtschaftsausschusses aller Parteien.
Anton Rieder, Landesinnungsmeister Bau Tirol
»Die heimischen KMU schaffen regionale Wertschöpfung, regionale Beschäftigung und hohe Ausbildungsquoten von Lehrlingen. In der Praxis kommt es jedoch zunehmend vor, dass KMU bei Bauprojekten aufgrund von überzogenen Eignungs- bzw. Auswahlkriterien nicht einmal zur Angebotslegung zugelassen werden. Weiters führen diverse Zuschlagskriterien und hohe Anforderungen zunehmend zur Benachteiligung von KMU. Meine Frage: Ist Ihnen und Ihrer Partei eine regionale Vergabe an KMU wichtig, wenn ja – wie wollen Sie zur Verbesserung der Vergabepraxis beitragen?«
Peter Haubner, ÖVP
»Unsere KMU-Betriebe sind nicht nur das Rückgrat unserer Wirtschaft, sondern auch die Stütze der regionalen Wirtschaftsräume, sie schaffen Arbeitsplätze und bilden Lehrlinge aus. Deshalb setzen wir uns in der ÖVP und ich als Wirtschaftssprecher unserer Partei besonders dafür ein.
Wir haben durch das neue Bundesvergabegesetz 2018 Maßnahmen umgesetzt, die es ermöglichen, die Wertschöpfung öffentlicher Aufträge in der Region zu halten und so die regionale Wirtschaft zu stärken. Es war uns daher ganz wichtig, dass die Vergabeverfahren so gestaltet werden können, dass kleine und mittlere Unternehmen am Vergabeverfahren teilnehmen können.
Bei der Umsetzung – insbesondere für kleinere – Gemeinden hat die Wirtschaftskammer Österreich dann eine breite Palette an Hilfestellungen erarbeitet und bietet diese aktiv an. Hier haben wir auch die entsprechenden Anregungen und Erfahrungen aus der täglichen Praxis aufgenommen und eingearbeitet. So gibt es reichhaltige Informationen auf den Webseiten der WKO – wie z.B. das ›Handbuch Regionalvergabe‹ und Beratungen – teilweise auch vor Ort – zu Auswahl-, Eignungs- und Zuschlagskriterien. Zurzeit wird an einer neuen ›Vergabefibel‹ gearbeitet, die hier noch besser unterstützen soll.«
Christoph Matznetter, SPÖ
»Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband hat dazu eine Position ausgearbeitet. Demnach sollen alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden, um österreichische Unternehmen, das sind ja ganz überwiegend KMUs, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen gestärkt werden sollen. Die Umsetzung ist etwas gefinkelt, da man hier in ein Spannungsfeld mit dem EU-Recht kommt. Eine mögliche Herangehensweise wäre die Ökologisierung im Vergaberecht, die ja zwangsläufig zu einer Regionalisierung führt, wenn man etwa CO2-Ausstoß miteinrechnet bzw. kurze Wegstrecken voraussetzt.
Das Best- statt Billigstbieterprinzip muss weiter gestärkt werden. Das bedeutet, nicht nur Kosten dürfen zählen, sondern vor allem die Qualität der Arbeit und andere Faktoren wie etwa Lehrlingsausbildung oder Frauenförderung.
Zuletzt sollte man die Vergabegrenzen evaluieren und anpassen, ab wann österreichweit/europaweit ausgeschrieben werden muss. Durch höhere Grenzen kann man in der Direktvergabe natürlich auch einen großen Schritt machen.«
Harald Stefan, FPÖ
»Das klare Bekenntnis zur besonderen Bedeutung unserer heimischen Klein- und mittelständischen Betriebe für den Wirtschaftsstandort Österreich ist in der freiheitlichen Politik stark verankert. Die knapp 329.000 KMU mit ihren insgesamt zwei Millionen Beschäftigten erzielten 2018 Umsätze in der Höhe von rund 455 Mrd. Euro (Mittelstandsbericht 2018) und stellen somit das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft dar.
Eine verstärkte regionale Vergabe an KMU bei Bauprojekten ist daher deshalb zu begrüßen, da sie einerseits zu einem aktiven Entgegenwirken der Benachteiligung von KMU in der Vergabepraxis führt und andererseits auch gleichzeitig überaus positive Effekte auf Österreichs Gemeinden hinsichtlich der Abwanderung mit sich bringt.
Konkret erscheint daher eine verstärke Ausschreibung in ›Losen‹ als zielführend und KMU-orientiert. KMU soll es damit ermöglicht werden, Aufträge im Rahmen ihrer Kapazität zu erfüllen, was eine maßgebliche Verbesserung im Vergabeverfahren bedeutet.«
Nikolaus Scherak, NEOS
»Kaum eine andere rechtliche Materie ist so kompliziert wie das Vergaberecht. Das alleine ist meist schon kein gutes Zeichen. Schließlich sollen Gesetze Rechtssicherheit geben und nicht Unsicherheit erzeugen. Nichtsdestotrotz wurde durch das Vergaberechtsreformgesetz 2018 die Berücksichtigung von KMU gesetzlich verstärkt und geschützt. Die Konzeption und Durchführung von Vergabeverfahren muss nach Möglichkeit so erfolgen, dass auch KMU am Vergabeverfahren teilnehmen können.
Wir wollen KMU-Förderung durch einen niederschwelligen Zugang erreichen. Denn darin liegt der Hauptunterschied zwischen dem großen Bauunternehmen und dem Unternehmer von nebenan. Erreicht werden kann ein fairer Wettbewerb daher vor allem durch Rechtssicherheit (verständliche Gesetze),Transparenz (einfach einsehbare Ausschreibungen) und Standardisierung (E-Vergabe) von Verfahren.
Natürlich bekennen wir uns zudem zum Bestbieterprinzip. Bestbieter (Qualität u. Preis) und KMU schließen sich dabei auch überhaupt nicht aus. Ganz im Gegenteil – gerade die Inklusion preisfremder Kriterien fördert den Wettbewerb unter sonst ungleichen Bewerbern.«
Wolfgang Zinggl, Liste Jetzt
»Wir wissen um die Benachteiligungen seit vielen Jahren. Wir wissen um die Wichtigkeit der KMUs für die Wirtschaft und das soziale Gefüge im Land. Wir wissen aber natürlich auch vom Misstrauen insbesondere der Auftraggeber von Bauprojekten gegenüber kleineren Firmen. Wir haben diesbezüglich schon viele Gespräche mit der Architektenkammer geführt. Ja, es stimmt, dass die Erwartungen und Auswahlkriterien den Klein- und Mittelbetrieben gegenüber weit überzogen sind.
Es ist uns als kleinster Fraktion wichtig, und wir haben es wiederholt getan, im Bautenausschuss auf diese wettbewerbsverzerrende Benachteiligung hinzuweisen, die ja letztendlich auch dazu führt, dass manche KMUs nie zu genau den großen Aufträgen kommen, die sie benötigen, um weitere entsprechende Aufträge zu erhalten. Seien Sie unserer Unterstützung diesbezüglich auch in Zukunft sicher.«