Wenn die Infrastruktur in die Jahre kommt
- Written by Karin Legat
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Das Straßennetz wächst, die Bausubstanz wird älter. Der Aufwand für die bauliche Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes mit seinen 166 Tunneln steigt. Welche Rolle dabei BIM und TIM spielen.
Das hochrangige Straßennetz steht vor vielen Herausforderungen. Errichtet v.a. in den 1970ern und 1980ern, sind Sanierung und Erneuerung des 2.223 km umfassenden Netzes heute Pflicht. Christian Honeger, Leiter Bereich Asset-Management bei der Asfinag: »Alle 15 Jahre muss die Verschleißdecke einer aus mehreren Schichten aufgebauten Betonfahrbahn getauscht werden, um die Griffigkeit zu gewährleisten und Spurrinnen zu beseitigen. Alle 30 Jahre ist eine komplette Erneuerung notwendig.« Bei Brücken sieht der Zyklus 40 bzw. 80 Jahre vor. Beim Tunnel beträgt die Lebensdauer weit über 100 Jahre. .Aufgrund der Lebensdauer von nur fünf bis 15 Jahren fällt im Tunnel regelmäßig die Sanierung der elektromaschinellen Ausrüstung wie Entlüftungsanlagen, Beleuchtung, Löscheinrichtung, Videoanlagen und Brandmelder an.
Hoch- und niederrangig
Im hochrangigen Straßennetz ist die Betonbauweise seit Jahrzehnten gut etabliert. »Da liegt der Marktanteil bei rund 35 Prozent«, informiert VÖZ-Geschäftsführer Sebastian Spaun. Im niederrangigen Straßennetz spielt Beton keine Rolle. Das liegt in erster Linie an der vermeintlich geringeren Belastung. Das ist für viele kleine Straßen und Nebenstraßen sicher richtig. Es gibt aber auch ein großes Netz hochbelasteter niederrangiger Straßen. Eine aktuelle Analyse des Zustands der 33.700 Landesstraßen zeigt, dass sich ca. 22 Prozent der untersuchten Straßen in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand befinden und teils massive Instandsetzung benötigen. Dafür bedarf es maßgeschneiderter Sanierungslösungen. Seit 2016 läuft dazu das Forschungsprojekt EcoRoads, das an der Optimierung von Einbaumethoden und Varianten der Betondeckenherstellung unter Aufrechterhaltung des fließenden Verkehrs arbeitet. Spaun nennt u.a. das White-Topping-Verfahren, durch das Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Straße erhöht werden. Dabei werden etwa 10 cm der bestehenden Asphaltfahrbahn abgefräst und eine dünne Betondecke wird aufgebracht. Auch eine Alternative mit Walzbeton bietet sich an. Erste Teststrecken dazu befinden sich auf einer Zufahrtsstraße zu einem Steinbruch in Salzburg sowie beim Zementwerk Retznei.
BIM im Tunnel
Information Modelling gibt es nicht nur im Gebäude, auch im Tunnel. TIM umfasst den Lebenszyklus von Untertagebauwerken, untertägiger Infrastruktur für Straße, Bahn oder Wasserver- und -entsorgung. »Tunnel werden alle zwölf Jahre detailliert auf Risse, Schäden am Beton u.v.m. geprüft. Bei der folgenden Inspektionsphase kann man Probleme korrelieren, z.B. die Ursache für Schäden und Verschleißerscheinungen. TIM ermöglicht eine bessere Ursachenforschung«, erläutert Christian Honeger. Vor 20 Jahren habe man sich noch Bautagebücher angesehen. Kollegin Sabine Hruschka, Projektleiterin Hochbau, ergänzt: »Zur Bestandserfassung von Tunnelbauwerken testet die Asfinag neben konventionellen Methoden wie Tachymetern neue Verfahren wie Laserscans und Photogrammetrie.«
Bild oben: Der CO2-Fußabdruck eines Bauwerks aus Beton kann gesamthaft nur über den ganzen Lebenszyklus beurteilt werden. Insofern kommt der DNA von Beton, nämlich seiner Dauerhaftigkeit, eine zentrale Bedeutung zu. »Nur wer ökologische Optimierung und Erhöhung von Recyclinganteilen nicht auf Kosten der Langlebigkeit/Dauerhaftigkeit erreicht, leistet einen Beitrag zur Nachhaltigkeit«, sagt Sebastian Spaun.
In mehreren Pilotprojekten werden derzeit die Anforderungen an TIM erarbeitet. In der zweiten Röhre des Karawankentunnels wird mit dem slowenischen Autobahnbetreiber DARS ein BIM-Pilotprojekt umgesetzt. Die Auftragnehmer erstellen basierend auf geotechnischen Messungen und geologischen Karten eine Volldokumentation des Tunnelvortriebes betreffend Rohausbruch, Ortsbrust, Spritzbeton, Innenschale und der Geologie. Ziel des Projektes ist die systematische Implementierung der BIM-Methodik für das Projekt und die Untersuchung der Vorteile und Herausforderungen. Die A26 in Linz, für die derzeit die Angebotsphase für die Planungsdienstleistungen läuft, wird als erstes Tiefbauprojekt der Asfinag vollständig in der BIM-Methodik geplant.
Der Bau & Immobilien Report hat auch die ÖBB nach ihren TIM-Plänen gefragt. Mittel- bis langfristig wird BIM ebenfalls in die Kernprozesse integriert. Erstes BIM-Projekt ist die Tunnelkette Granitztal.
BIM für Straßen und Brücken
Im Tiefbau ist vieles gar nicht oder kaum standardisiert. Aber nicht nur Tunnel, sondern auch Straße und Brücke haben BIM-Potenzial. Christian Honeger informiert, dass die Asfinag bei der Sanierung einer Brücke bereits mit einem BIM-Piloten arbeitet. Sämtliche Bestandsdaten werden in einem einzigen Modell strukturiert statt auf zahlreiche Pläne verteilt. Bei der Sanierung können zu sanierende Flächen genau markiert werden. Honeger: »Damit ergibt sich eine klar definierte Bestellung für Bauausführung und Sanierung.«
Erweiterung digitaler Zwilling
Kevin Bauer, BIM-Experte bei Siemens, denkt bereits an den nächsten Schritt. »Auf BIM folgt auch im Tiefbau der digitale Zwilling. Die statischen Daten von BIM werden ergänzt mit IoT-Livedaten. Damit kann genau definiert werden, wo ein Zwischenfall erfolgt ist und man erhält ein Livebild des Ortes – die perfekte Unterstützung für Feuerwehr oder Leitzentrale.«
Geschwindigkeit zählt
»Beim Tiefbau wird der Zeitfaktor von immer größerer Bedeutung, daher arbeiten wir mit unserem F&E-Team an innovativen Speed-Lösungen«, berichtet Georg Busik, Geschäftsführer von Baumit. Bereits seit zehn Jahren beschäftigt sich Baumit mit der Bauweise halbstarrer Decken im Straßenbau. Dabei wird die Standfestigkeit und der Verschleißwiderstand von Beton mit der Fugenlosigkeit von Asphalt verbunden. Diese Decke besteht aus einer Kombination aus Asphalt und dem speziellen Hochleistungsverfüllmörtel Baumit Bitucem, die in die Hohlräume des Asphaltgerüstes verfüllt werden. Auf diesen Erfahrungen aufbauend hat Baumit jetzt weitere Schnellmörtel und Betone für den Straßenbau entwickelt. Die beiden Mörtel Speed InfraFix und Speed InfraFill versprechen extrem schnelle Festigkeitsentwicklung, befahrbar nach zwei Stunden, gepaart mit hoher Endfestigkeit, Frost- und Tausalzbeständigkeit sowie einer einfachen Verarbeitung.
Lärmschutz
Einer Umfrage des Deutschen Umweltbundesamts nach fühlen sich mehr als 60 Prozent der Deutschen von Straßenverkehrslärm belästigt. Technisch wirksam und wirtschaftlich sind aktive Maßnahmen mit Lärmschutzkonstruktionen aus Beton. Die Holzbeton-Absorberkörper der Rieder Lärmschutzwände bieten eine Schallabsorption bis zu 20 dB, Standard sind 8 bis 11 dB.
Digitaler Zement
Digitalisierung ist Standard in der Zementindustrie, beginnend bei der Rohmaterialgewinnung, wo Ressourcen- und Abbauplanung mit GPS- und Lasermessgeräten abgewickelt werden, bis hin zur Rohmaterialaufbereitung, wo die Materialzusammensetzung des Gesteins kontinuierlich über ein digitales Messsystem analysiert wird. Industrie 4.0 ist nichts Neues für die Zementindustrie. Was es jetzt braucht, ist die Verlinkung der Prozesse und Datenflüsse über die richtigen Schnittstellen bis hin zu BIM. Das ist für Sebastian Spaun lösbar. »Ich bin zuversichtlich.«
Zero Debris Concrete
Im Forschungsprojekt »Zero Debris Concrete« hat die TU Wien Betonschutzwände für den Einsatz zwischen den Fahrbahnen von Schnellstraßen und Autobahnen entwickelt, die hohen dynamischen Belastungen standhalten und nicht spröde und brüchig sind.