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Preise am Plafond

Preise am Plafond

Die Baukosten im Wohnbau explodieren. Und zwar noch deutlich stärker, als die aktuellen Zahlen der Statistik Austria vermuten lassen. Befragt man die unterschiedlichen Marktteilnehmer, scheint allerdings kaum jemand davon zu profitieren. Ob Bauunternehmen oder Baustoffhersteller, die Margen sind nach wie vor stark unter Druck. Der Bau & Immobilien Report hat sich angesehen, was hinter den Preisanstiegen steckt und wo die echten Preistreiber zu finden sind – mit überraschenden Ergebnissen.

Der geförderte Wohnbau läutet die Alarmglocken. Die Lage ist »dramatisch«, sagt Karl Wurm, Obmann des Dachverbandes der Gemeinnützigen. Während leistbare Wohnungen Mangelware sind, stehen tausende Sozialwohnungen in der Warteschleife: Durch die gestiegenen Baupreise sind sie im starren Finanzrahmen des geförderten Wohnbaus nicht mehr unterzubringen, wie Wurm sagt. Doch nicht nur die Gemeinnützigen haben ein Problem – sondern der gesamte Wohnbau, denn auch frei finanzierte Wohnungen macht der Anstieg der Baukosten empfindlich teurer: »Was früher der Grundkostenanteil war, sind heute die Baukosten«, sagt David Breitwieser, Leiter der Abteilung Wohnimmobilien beim Immobiliendienstleister EHL. Er berichtet von einem massiven Anstieg der Baukosten: »Wir kennen einen Fall, in dem ein Bauträger, der ein Projekt verschieben musste, zunächst ein Angebot von 1800 Euro netto pro Quadratmeter von der Baufirma bekommen hat und ein Jahr später schon 2300 Euro, ohne dass sich beim Projekt etwas verändert hätte.« Auch bei der Immobilienplattform Adeqat, die keine Wohnungen vermittelt, sondern millionenschwere Bauprojekte zwischen privaten Investoren und Bauträgern, bestätigt man das: »Laut unserer Erfahrung sind die Baukosten im Vorjahr um 20 bis 30 Prozent gestiegen«, sagt Herbert Logar, geschäftsführender Gesellschafter von Adeqat.

Statistik arbeitet zeitverzögert

Die Statistik Austria veröffentlicht regelmäßig einen Baupreis- und Baukostenindex. Von Anfang 2016 bis Ende 2017 gab es im Hochbau Steigerungen in einer Größenordnung von 4,5 Prozent – fast doppelt so viel wie im Tiefbau, jedoch auf den ersten Blick noch verkraftbar. Doch der Schein trügt: Die Statistik inkludiert beim Wohnbau auch den sonstigen Hochbau und arbeitet noch dazu zeitverzögert, wie Porr-CEO Karl-Heinz Strauss bemerkt: »Wir als Bauunternehmen verzeichnen eine signifikante Verteuerung bei Leistungen von Nachunternehmen und Material. Unserer Einschätzung nach ist diese im Baupreisindex noch nicht abgebildet und wird erst sukzessive mit den neuen Preismeldungen der Bauherren in den Index einfließen.« Auch Strabag-Vorstandschef Thomas Birtel glaubt, dass der große Sprung in der Statistik erst bevorsteht, denn: »Die Baupreise ziehen erst seit dem vergangenen Jahr an.« Laut Birtel ist dabei in manchen Teilgewerken eine besonders steile Aufwärtsbewegung zu beobachten: Gerade in den Bereichen Haustechnik sowie Elektro, aber auch im Trockenbau steigen die Preise stark.

Bauboom lässt Preise abheben

Der aktuelle Bauboom im Hochbau ist der wichtigste Grund für die Baupreissteigerung, meint der Strabag-Chef: Die Nachfrage nach Wohnraum übersteigt nun deutlich spürbar das Angebot von Baudienstleistungen und Baustoffen sowie -materialien. Haben Bauunternehmer beispielsweise noch vor zwei Jahren für eine Subunternehmer-Leistung mehrere Angebote erhalten, ist es heute schwierig, überhaupt einen Subunternehmer zu finden. Dazu gesellen sich weitere Preistreiber – etwa dramatisch verschärfte Rahmenbedingungen: »Ich denke zum Beispiel an Vorschriften zur Qualitätssteigerung oder zur Eindämmung von Lohndumping«, findet Strauss. »Besonders hart trifft es Bauherren, die sich bisher nicht seriöser Unternehmen bedient und das Thema Lohndumping ausgeblendet haben. Hier könnte eine rechtskonforme Bauabwicklung tatsächlich einen wesentlichen Preisanstieg nach sich ziehen.« Das bestätigt auch Logar: »Der Umstand, dass Generalunternehmer für ihre Subunternehmer haften und damit die Schwarzarbeit zurückgedrängt wurde, hat sich preiserhöhend ausgewirkt.«

Hans-Jörg Ulreich, Geschäftsführer des gleichnamigen Bauträgers in Wien und Bauträgersprecher in der WKO, sieht den Mix aller genannten Gründe hauptverantwortlich für die Kostenanstiege am Bau an: Nach der Finanzkrise haben viele Unternehmen ihre Kapazitäten reduziert und jetzt, wo die Neubautätigkeit anzieht, fehlt es an qualifiziertem Personal. Dazu kommen Preisanstiege bei Bau- und Rohstoffen – und solche, die die Politik bei allem Gerede vom »leistbaren Wohnen« durch überbordende Vorschriften selbst verursacht hat. Dabei muss man gar nicht vom Haftungsthema sprechen, sondern muss sich nur die Bauordnung ansehen, so Ulreich: »Derzeit schießen viele Normen quasi übers Ziel hinaus, etwa beim Brandschutz oder bei der Stellplatzverordnung.«

Druck trotz Vollauslastung

Bekanntlich werden bei einem Goldrausch nicht die Goldschlürfer reich, sondern diejenigen, die ihnen die Schaufeln verkaufen. Auch die enormen Preisanstiege im Wohnbau machen nicht die Bauunternehmen reich: Die höheren Preise gehen auf höhere Kosten zurück, die sich nicht in höheren Margen oder mehr Gewinn niederschlagen. »Bauunternehmen freuen sich zwar über eine gute Auslastung, sind aber mit den geänderten Forderungen der Subunternehmer und Lieferanten konfrontiert und haben wenig Möglichkeiten, bei laufenden Verträgen, Preissteigerungen zu realisieren«, sagt Strauss. »Denken Sie nur an den Stahlpreis und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen: In diesem Bereich gab es in den letzten zwölf Monaten drastische Erhöhungen.«
Birtel nennt neben den Stahlerzeugern auch die Rohstofferzeuger als Profiteure. Aktuelle Studien des Beratungsunternehmens Kreutzer Fischer & Partner (KFP) sehen auch andere Zulieferer und Baustoffproduzenten im Vorteil: »Es gab substanzielle Preiserhöhungen beim Baumaterial, insbesondere bei Stahl und Produkten auf Erdölbasis«, sagt KFP-Chef Andreas Kreutzer. Aber auch komplette Produkte wurden teurer, der Markt für Fenster und Schiebetüren beispielsweise wuchs 2017 von 775 auf 812 Millionen Euro. In einzelnen Teilbereichen lagen die von steigenden Preisen getriebenen Umsatzsteigerungen bei 20 Prozent und mehr, bei Hohldielen etwa um 24 Prozent – und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

Auch in der Baubranche erwartet man, dass die Zeit der rasanten Baukostenanstiege anhält, und hat der Politik daher eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um die Preisanstiege bei den Endverbrauchern, sprich den Mietern und Käufern der Wohnungen, zu lindern. »Wir haben wirklich gute Lösungsansätze, die es nur umzusetzen gilt«, sagt Ulreich. Auf alle Fälle müssen der Normendschungel und die überbordenden Bauvorschriften gelichtet werden – Preistreiber Nummer eins sind die in der Praxis unnötigen Stellplätze, die zehn bis 30 Prozent sämtlicher Baukosten im Wohnbau verschlingen. Dann folgen überzogene Brandschutzvorschriften. »Ich würde genau in diesen beiden Bereichen als Erstes ansetzen«, resümiert der WKO-Bauträgersprecher: »Das wäre auch eine enorme Kosteneinsparung für jeden Endverbraucher.«

In der Haftungsfalle

Verstärkte Kontrollen am Bau haben es geschafft, die Schwarzarbeit zurückzudrängen und sind somit ein wichtiger Faktor für die Preisanstiege, so die Marktteilnehmer einstimmig. Denn während früher die Haftung bei Subunternehmern lag, die sich in der Praxis oft auflösten und unter neuem Namen wieder auftauchten, ist die Rechtslage inzwischen eine andere: Vergibt ein Generalunternehmer im Bewusstsein, dass sein Subunternehmer keine SV-Beiträge leistet, an diesen einen Auftrag, kann er als Beitragstäter strafrechtlich belangt werden. Die Haftung trifft aber nicht bloß den Generalunternehmer, sondern jeden Unternehmer, der Bauleistungen auch nur zum Teil an Subunternehmer weitergibt – und zwar verschuldensunabhängig. Die Haftung erstreckt sich dabei auf sämtliche SV-Beiträge und Umlagen, die der Subunternehmer an einen österreichischen Krankenversicherungsträger abzuführen hat, und zwar bis zu 20 Prozent des geleisteten Werklohnes.

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