Stadt der Zukunft
- Written by Karin Legat
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Von der intelligenten Baustelle über die Infrastruktur mit kurzen Distanzen bis zum attraktiven Wohnumfeld bei kultureller Vielfalt – so soll die Stadt der Zukunft aussehen. Dazu besteht schon seit längerem ein Forschungsprogramm der FFG. Die Stadt der Zukunft war auch Thema des diesjährigen IBO-Herbstsymposiums in Reichenau/Rax.
Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Städte. Bis 2050 könnte die Bevölkerung in Städten weltweit von knapp 4 auf 6,5 Mrd. Menschen wachsen. Die Urbanisierung hat laut der Entwicklungswissenschaft prägende Auswirkungen auf die Dynamik in Weltwirtschaft und Gesellschaft, auf die Lebensqualität der Menschen, die Zukunft der Demokratie sowie den globalen Ressourcen- und Energieverbrauch, damit auf die Zukunft der Erde insgesamt. Der Gebäudesektor ist für etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen und rund 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich. Rund drei Viertel der Gebäude in Österreich wurden vor 1990 errichtet, circa 60 Prozent gelten aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Bei einer jährlichen Sanierungsrate von drei Prozent könnten bis 2050 laut Greenpeace zwei Drittel der Heizenergie gespart werden. »Was jetzt gebaut wird, hat globale Auswirkungen für Jahrzehnte«, bestätigt Thomas Belazzi, Geschäftsführer von bauXund. Die moderne Stadt brauche neben der reinen Gebäudebewertung außerdem Siedlungsbewertung, um Synergieeffekte wie Abwärme, Graue Energie und Mobilitätsaufwendung besser berücksichtigen zu können.
Stadt der Zukunft
Im Zentrum des IBO-Symposiums stand die Seestadt Aspern, ein Vorzeigeprojekt gelebter Nachhaltigkeit mit sozialer Interaktion. »Es braucht kleine und große Strukturen nebeneinander«, betonte Alexander Kopecek, Vorstand von Wien 3420 Aspern Development. Dazu gehört in Aspern das familiäre Radgeschäft mit Kaffee und Kuchen neben dem Lebensmitteldiskonter. »Neben der Energieversorgung spielen in der Stadt der Zukunft Themen wie Mobilität, Logistik, Ressourceneinsatz, soziale Integration und demografische Entwicklung, Luftqualität, Sicherheit und Resilienz eine große Rolle«, resümiert Christian Heschl, Studiengangsleiter Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der FH Burgenland. Passend dazu wurde in Reichenau/Rax das Wohnprojekt Hasendorf vorgestellt, ein Gemeinschaftswohnprojekt mit starkem ökologischen und sozialen Fokus. Zur Energieeffizienz nannte Roman Prager, Leiter Betriebsführung bei WEB Windenergie, den aktivierten Beton als Energiezwischenspeicher.
In großflächige Bauteile aus Beton wie Geschoßdecken wird ein Rohrsystem zur Durchleitung eines Wärmeträgers eingelegt, mit dessen Hilfe die Temperatur in den angrenzenden Räumen gesteuert wird – thermische Bauteilaktivierung. An der FH Burgenland gibt es dazu ein eigenes Forschungsgebäude. Teil der Energiethematik ist auch der Faktor Graue Energie. »In der Regel konzentrieren sich Energiebilanzen für Gebäude auf die Betrachtung der reinen Betriebsenergie«, zeigt Hildegund Figl vom IBO auf. Graue Energie umfasst die vorgelagerten Prozesse vom Rohstoffabbau über Herstellung bis zur Entsorgung einschließlich der dazu notwendigen Transporte und Hilfsmittel. Ein weiterer Faktor der Stadt der Zukunft: Re-Use und Urban Mining. Dazu Architekt Thomas Romm: »Urban Mining steht für Perspektivenwechsel und Wertewandel. Recycling war gestern, heute sprechen wir von Ressourcenmanagement.«
Siedlungsbewertung
»Es gibt zahlreiche nationale und internationale Gebäudebewertungssysteme, welche die Qualität von Gebäuden im Fokus haben. Daneben gibt es für die Bewertung von Energieeffizienzmaßnahmen in Gemeinden Bewertungssysteme wie das e5 Programm für energieeffiziente Gemeinden in Österreich«, so Oskar Mair am Tinkhof vom Fachbereich Energie am Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen. Das ist oftmals zu wenig. Es fehle das Dazwischen, die Siedlungsbewertung, die neben der Qualität der Gebäude auch die Alltagsmobilität und die Versorgung der gesamten Siedlung berücksichtigt. Grundlage für die Bewertung soll unter anderem die in Entwicklung stehende integrierte Energie- und Klimastrategie bilden. Pilotmäßig wurde die Bewertung schon in drei österreichischen Siedlungen auf Basis des bestehenden Schweizer Modells der 2000-Watt-Gesellschaft, ausgetestet: in Zell am See, der Seestadt Aspern und in der Reininghaussiedlung in Graz. Mair am Tinkhof: »Wir haben uns das Schweizer Modell methodisch angesehen, können einige Punkte übernehmen, müssen aber noch einige Inhalte an die österreichischen Rahmenbedingungen anpassen.« Dazu läuft derzeit eine Studie.
Intelligente Gebäudetechnik
Die Stadt von morgen erfordert energieeffiziente, nachhaltige Infrastrukturen für Gebäude, Transportwesen, Energie- und Wasserversorgung. »Durch den Ausbau regenerativer Energiesysteme und aufgrund von geänderten Rahmenbedingungen wie z.B. Bundesenergieeffizienzgesetz wird innovative Gebäudetechnik immer mehr zu einer Schlüsseldisziplin mit neuen interessanten Tätigkeitsfeldern«, so Christian Heschl, der in seinem Studiengang die elektrische Energieversorgung ebenso berücksichtigt wie Wärmepumpen- und Kältetechnik, Bauphysik, Solarthermie, Speicher- und Brennstoffzellentechnologie, Regelungs- und Leittechnik, PV-Systemlösungen sowie Energiemeteorologie. Um auf dem Weg zur Entwicklung und Realisierung von Smart Grids die Kräfte zu bündeln und vom gegenseitigen Know-how zu profitieren, hat sich Siemens Österreich für die Smart Grids Modellregion Salzburg etwa mit der Salzburg AG und Salzburg Wohnbau zusammengeschlossen. Leuchtturmprojekte wie die Wohnanlage Rosa Zukunft und die Smart Grids Modellgemeinde Köstendorf zeigen, dass Smart Grids technisch funktionieren und die Einbindung erneuerbarer Energie ins Stromnetz durch Smart-Grids-Technologien um bis zu 50 Prozent günstiger ist als der konventionelle Netzausbau.
Im dreijährigen Leitprojekt »leafs« nimmt Siemens gemeinsam mit Netzbetreibern und Forschungspartnern die Auswirkungen solarer Speichertechnologien auf das Niederspannungsnetz unter die Lupe. In der Smart Grid Pionierregion Eberstalzell wird ein intelligentes Niederspannungs-Ortsnetz mit vielen dezentralen PV-Einspeisern umgesetzt. Klaus Reisinger, Geschäftsführer von ENGIE Gebäudetechnik, betont die Notwendigkeit der Kombination von individuell konzipierten Anlagen mit intelligenten Energieeffizienzmaßnahmen und Energiemanagementsystemen sowohl bei Büro- als auch bei Wohnprojekten. WAGO setzt seit Jahren auf die Nutzung von Erdwärme. Erdsonden entziehen in einem geschlossenen Wasser-Glykol-Kreislauf Wärme bzw. Kälte und unterstützen eine effiziente Wärmepumpe bzw. die freie Kühlung von Klimageräten und Kühldecken und eine Kältemaschine.