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Zwei-Klassen-Recycling?

Wann die Novelle zur Recycling-Baustoffverordnung in Kraft tritt, ist nicht abschätzbar. Wann die Novelle zur Recycling-Baustoffverordnung in Kraft tritt, ist nicht abschätzbar. Foto: Thinkstock

Die Recycling-Baustoffverordnung war nicht einmal drei Monate in Kraft, schon wird sie novelliert. Zwei große Bundesländer und ein bedeutender Stahlkonzern sind die treibende Kraft dahinter. Ein deutlicher Einschnitt bei Recycling steht bevor.

Die aktuelle Recycling-Baustoffverordnung ist seit Jahresbeginn in Kraft. Ziel ist es, möglichst sortenreine schadstofffreie Abfallfraktionen zu erhalten, die statt auf der Deponie zu landen als zertifizierte Baustoffe bei Neubau und Sanierung wieder eingesetzt werden können. Die Idee war prinzipiell gut, urteilt der Baustoff-Recycling Verband. Schadstofferkundung sei sinnvoll, da immer mehr Schadstoffe eingebaut werden. Man habe allerdings zu komplizierte Vorschriften erstellt, die enormen Verwaltungsaufwand erfordern. Unzufriedenheit besteht hinsichtlich des massiven Dokumentationsaufwandes, der Grenzwerten der Qualitätsklassen, der nicht vollständigen Gleichstellung von Sekundärbaustoffen der Qualitätsklasse U-A zu Primärbaustoffen sowie der Unklarheit hinsichtlich der »Kote des höchs­ten Grundwasserstandes (HGW 100)«.

Dazu Christoph Kranz, abfallrechtlicher Geschäftsführer der Strabag: »Recyclingbaustoffe dürfen derzeit nicht unter der Kote des HGW100 eingesetzt werden. Wie soll der HGW100 ermittelt werden, wenn etwa ein Kraftwerk den Grundwasserstand regelt? Im Badener Becken befindet sich die Kote des HGW100 teilweise auch zwei Meter über der Geländeoberkante. Da müsste man zwei Meter anschütten, dann erst darf Recyclingmaterial zulässigerweise verwendet werden.« Bundesweit gebe es keine rechtssicheren und einheitlichen Online-Plattformen, die eine grundstücksnummerscharfe Abfrage der Kote des HGW ermöglichen.

Bild oben: »Die Recycling-Baustoffverordnung muss so rasch wie möglich novelliert werden, um ihre eigentliche Intention zu erreichen – die Kreislaufwirtschaft sowohl im Sinne der Umwelt als auch im Sinne der Wirtschaft zu forcieren«, sagt Christoph Kranz, abfallrechtlicher Geschäftsführer der Strabag.

Weitere Kritik: Im Bundes-Abfallwirtschaftsplan, dem »alten Stand der Technik«, waren bislang nur Anforderungen an die Qualitätsklassen enthalten. Die Recycling-Baustoffverordnung umfasst nunmehr auch bautechnische Anforderungen. »Als Hersteller von Recycling-Baustoffen müssen wir nun auch nach etlichen bautechnischen Normen prüfen, unabhängig wofür der Kunde später den Baustoff verwendet«, kritisiert Kranz weiter. Insgesamt werde trotz erheblichem Mehraufwand vor bzw. bei Produktion und Qualitätssicherung und selbst bei 100-prozentiger Einhaltung der Vorgaben für das Abfallende keine vollständige Gleichstellung von Sekundärbaustoffen zu Primärbaustoffen erreicht. Sekundärbaustoffe der Qualitätsklasse U-A sind durch die Verordnung schlechter gestellt als Primärbaustoffe, da Ausnahmen für geogen bedingte Gehalte für Sekundärbaustoffe fehlen.

Hans Roth, Präsident des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe VÖEB, warnt vor einer Erhöhung des Preises für Recycling-Baustoffe. Als positiven Faktor nennt Martin Car, Geschäftsführer des Baustoff Recycling Verband BRV, lediglich die Ausweitung des Abfall­endes für Recycling-Baustoffe, wodurch der Verkauf an Private möglich wird, sowie die entstandene Rechtssicherheit. Die bisherigen Regelwerke befanden sich alle im Graubereich. Es gab keine Rechtssicherheit, weder durch den Bundesabfallwirtschaftsplan noch durch die Richtlinie des BRV.

Eingeknickt

Bild oben: »Zur Recycling-Baustoffverordnung besteht nach wie vor viel Unsicherheit«, sagt Martin Car, Geschäftsführer des Baustoff-Recycling Verband BRV.

Landespolitiker haben vor einer Kostenexplosion für Wirtschaft, Landwirtschaft und Hausbesitzer durch überzogene bürokratische Erfordernisse insbesondere hinsichtlich Dokumentationspflicht und Analytik bereits vor der Kundmachung der Verordnung gewarnt. Die Reaktion des Ministeriums: Im Entwurf der Novelle wird die Grenze für die verpflichtende Schad- und Störstoffanalyse von 100 auf 750 Tonnen gehoben. »Damit fällt die Verordnung komplett aus dem System. Abbruchmaterialien können vor Ort ohne analytische Kontrolle wieder eingesetzt werden«, ist Martin Car entrüstet. Anwendungsbeschränkungen werden gestrichen, Parameter reduziert. Er bezweifelt den Sinn einer Verordnung, »die so viele Auflagen hat, dass man sagt, der normale Bürger kann das nicht einhalten«.

Zielführender wäre eine Regelung mit  Tonnen, einfach und damit einhaltbar. Die Baubranche dürfe nicht zweigeteilt werden – prüfungsfreie Kleinmengen bis 750 Tonnen und darüber Prüfungen auf Biegen und Brechen.

Rechtssicherheit für Unbefriedigendes

Die Verordnung bereits drei Monate nach Inkrafttreten zu überarbeiten – derzeit läuft die Novellierung – wird von Brancheninsidern als Rechtskatastrophe gewertet. Franz Leutgeb von bauXund: »Es ist denkwürdig und präzedenzlos, dass das Ministerium nach dem ers­ten erwartbaren Gegenwind einknickt. Man sieht, man muss nur richtig intervenieren.« Eine Adaptierung sei sinnvoll, aber nicht nach so kurzer Zeit. Das Ministerium habe nur auf die Kritik der Bundesländer Ober- und Niederösterreich sowie der voestalpine reagiert.

»Als Strabag haben wir etliche Stellungnahmen abgegeben, das Ministerium hat darauf nicht einmal reagiert«, bemerkt Kranz. Martin Car ergänzt: »An der Erstfassung wurde drei Jahre gearbeitet, an der Novelle lediglich eine Woche.« Wann die novellierte Verordnung in Kraft tritt, ist völlig offen. Car: »Die Novelle zur Deponie-Verordnung lag drei Jahre im Ministerium. Die Verordnung kann im Herbst in Kraft treten, vielleicht auch erst mit 1.1.2017. Für mich ist das derzeit nicht abschätzbar.«

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