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Besser als der Ruf

Besser als der Ruf

Serie: Lehrlinge in der Bauwirtschaft – Teil 3: Das Baugewerbe

Was für die Bauwirtschaft allgemein gilt, gilt auch für das Baugewerbe. Seit 2008 hat die Anzahl der Lehrlinge um fast 20 Prozent abgenommen. In Sachen Lehrlingsquote sind aber viele Bauunternehmen besser als ihr Ruf.

Die Qualität der heimischen Lehrlingsausbildung in der Bauwirtschaft ist unbestritten gut. Das zeigen laufende Erfolge bei verschiedenen Berufswelt- und -europameisterschaften. Allerdings hat die Zahl der Lehrlinge laut Statistik der BUAK in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Wurden im Jahr 2008 österreichweit noch 8.269 Lehrlinge ausgebildet, waren es 2014 nur noch 6.588. Das entspricht einem Rückgang von mehr als 20 %. Ganz ähnlich ist die Entwicklung im Baugewerbe, wo die Zahl der Lehrlinge seit 2008 ebenfalls um fast 20 % abgenommen hat (sie­he Kasten). Die Gründe dafür sind vielfältig und laut Peter Scherer, Lehrlingsbeauftragter in der Geschäftsstelle Bau, unter anderem auf die generelle demografische Situation zurückzuführen, die, ver­stärkt durch den Trend zur weiterführenden Schulausbildung, das Potenzial an geeigneten Lehrlingskandidaten sukzessive kleiner werden lässt. Auf die konjunkturell schwierige Lage verweist Rainer Hartlieb, Geschäftsführer der Landesinnung Bau Wien.

»In Wien liegt es nicht an den Kandidaten, aber viele Unternehmen haben derzeit Probleme.« Das triste wirtschaftliche Umfeld mache es vielen Unternehmen aufgrund der Auftragslage unmöglich, Lehrlinge aufzunehmen. Andererseits hätten sich viele, vor allem kleinere Unternehmen in den letzten Jahren so stark spezialisiert, dass sie das im Rahmen der Ausbildung geforderte Berufsbild gar nicht mehr abdecken. Das führt laut Hartlieb dann dazu, dass viele Teilleistungen an Subunternehmen vergeben werden. Diese Vorgehensweise bringt den Unternehmen auch von der Gewerkschaft immer wieder harsche Kritik ein. »Ungeeignete Lehrlingskandidaten oder unsichere Zukunftsaussichten sind oft nur vorgeschobene Argumente. Es ist leider nach wie vor einfach günstiger, im Sub zu vergeben oder Unternehmen aus dem Ausland zu beschäftigen«, sagt Albert Scheiblauer, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft Bau-Holz.

Sollte der aktuelle Trend Bestand haben, sehen sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervertreter die Branche mit einem gefährlichen Facharbeitermangel konfrontiert. Scheiblauer spricht von einem »schmerzhaften Know-how-Verlust«. Auch Peter Scherer fürchtet, dass das Thema aktuell werden könnte, wenn die negative Entwicklung anhält, ist aber gleichzeitig zuversichtlich, dass »wir die Trendumkehr schaffen«.
Erste Schritte wurden von den Bau-Sozialpartnern bereits gesetzt. So wurde etwa im Rahmen der letzten KV-Verhandlungen die Einbeziehung der Bau-Lehrlinge in die Schlechtwetterregelung vereinbart und die Bauverbände haben die Lehrlingsprämie von 1.500 Euro auf 1.650 Euro erhöht. Zudem wurde heuer von der Bundesinnung Bau erstmals ein landesweites Lehrlingscasting durchgeführt.

Aber auch die Politik darf nicht aus der Verantwortung entlassen werden. »Wenn Aufträge von Gemeinden und dem Land ins Ausland vergeben werden, die ausländischen Firmen zu uns hereinarbeiten dürfen, ohne dass man diese überprüft und bestraft, wenn sie sich nicht ansere Gesetze halten, werden bei uns viele Arbeitsstellen vernichtet und der österreichische Staat hat nur Nachteile. Diese Vorgangsweise zerstört unser Wirtschaftssys­tem. Die Folge: Es können nur mehr sehr wenige junge Menschen gut ausgebildet werden«, kritisiert Johannes Dinhobl von der Dinhobl Bauunternehmung in Wiener Neustadt. 

Peter Scherer könnte sich auch zusätzliche finanzielle Anreize vorstellen, die langfristig abgesichert und somit für die Ausbildungsbetriebe planbar angeboten werden müssten. »Die Stop-and-Go-Politik früherer Initiativen war da eher kontraproduktiv«, so der Lehrlingsbeauftragte. Eben im Parlament abgesegnet wurde der Umstieg vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip, in  dem die Bau-Sozialpartner ein wirkungsvolles Instrument sehen, um die Ausbildung von Lehrlingen für Unternehmen attraktiver zu machen .

Gute Quote

Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es aber auch in Sachen Quantität Positives zu vermelden. Eine stichprobenartige Umfrage des Bau & Immobilien Reports unter Bauunternehmen verschiedener Größe quer durch Österreich zeigt, dass die Lehrlingsquote im Baugewerbe deutlich höher ist als in anderen Bereichen der Bauwirtschaft.

Während ähnliche Report-Umfragen in der Bauindustrie eine Lehrlingsquote von 2,47 % und in der Bau­stoffindustrie von 2,74 % ergaben, kommen die befragten Unternehmen aus dem Baugewerbe auf eine Gesamt-Lehrlingsquote von 8,26 % (siehe Kasten). »Auch wenn die Anzahl der Lehrlinge generell rückläufig ist, muss man schon festhalten, dass das Gewerbe zehnmal mehr Lehrlinge ausbildet als die Bauindustrie«, bestätigt auch Alexander Safferthal, Baumeis­ter und Vizepräsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes.

Vorzeigeunternehmen

Es gibt natürlich auch im Baugewerbe Unternehmen mit Vorbildcharakter. Bei der Tiroler Rieder Bau (Lehrlingsquote: 10,77 %) gibt es etwa gleich drei Personen, die sich der Lehrlingsausbildung besonders annehmen. Neben der Gesamtverantwortlichen Verena Rieder, die nicht nur Veranstaltungen wie den Girls Day oder das Berufsfestival organisiert, sondern auch in engem Kontakt zu den Lehrpersonen und den Elternhäuser steht, fungiert Gerhard Jäger als Verbindungsperson zur Baustelle und Thomas Embacher überwacht die Ausbildung der Lehrlinge auf der Baustelle.

Viele Bauunternehmen bieten ihren Lehrlingen neben der klassischen Ausbildung auch zahlreiche gruppendynamische Aktivitäten. Im Bild: Markus Peer, Lehrling beim Tiroler Unternehmen Rieder Bau, im Freizeitpark 47.

Über eine interne Lehrlingsakademie verfügt die steirische Herbitschek GmbH (Lehrlingsquote: 14,20 %). Mit insgesamt drei über die gesamte Lehrzeit verteilten Modulen bietet die Lehrlingsausbildung bei Herbitschek nicht nur Inhalte laut Lehrplan, sondern geht weit darüber hinaus. Ziel ist es, das volle Potenzial der Lehrlinge zu nutzen, zu fördern und bei eventuell auftauchenden Problemen schnell zu unterstützen.

Die niederösterreichische Franz Schütz GesmbH (Lehrlingsquote: 9,23 %) legt großen Wert darauf, neben der beruflichen Ausbildung auch die Soft Skills miteinzubeziehen. Dafür wird eng mit der Lehrlingsexpertin Petra Pinker zusammengearbeitet. Zudem ist die Tochter des Hauses, Alice Schütz, in Schulen und auf Lehrstellenbörsen aktiv, um Schulabgänger zu informieren und ihnen die Möglichkeit einer Schnupperlehre anzubieten und das Berufsbild eines Maurer-, Zimmerer- oder Dachdeckerfacharbeiters zu erklären und auch die beruflichen Aufstiegschancen zu erläutern.

Last modified onDonnerstag, 21 Januar 2016 14:03
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