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Wolke sieben

\"MobileDie Zukunft des Arbeitens ist da: Mobil, wolkig, unbeschwert.

Ein Lokalaugenschein im Park von Rainer Sigl.


Tschuldigen – ist da auf dem Bankerl neben Ihnen noch frei? Dankeschön! Hach, so ein schöner Vormittag! Die gute Luft! Die Vogerl, wie sie zwitschern! Und die Jogger! Wissen S‘, ich komm ja jeden Tag hierher in den Park. Wie bitte? Frühpension? Aber nein, ganz im Gegenteil – das ist mein Arbeitsplatz hier! Endlich an der frischen Luft und nimmer in diesen stickigen Großraumbüros! Ich sag’s Ihnen: Das ist die Zukunft des Arbeitens! Schauen Sie, ich hab sozusagen mein ganzes Büro bei mir hier auf meinem eigenen Smartphone – ein Wunder der Technik im Hosentaschenformat! Von hier betreue ich meine Kunden, schreibe meine E-Mails, feile an meinen Tabellen, verfasse Projektberichte, und das alles, während ich hier unter blühenden Bäumen im Park sitzen kann – herrlich!

Wissen Sie, noch vor ein paar Monaten war ich auch so eine fade Schreibtischdrohne – Großraumbüro, graue Wände, der nervige Weg ins Büro am Morgen, seine Stunden absitzen, während die Sonne scheint und die Vögel zwitschern, ein tägliches langweiliges Elend. Und plötzlich kommt der Chef mit dieser genialen Idee: Mobile Working! Die Daten in der Cloud! Den Kopf in den Wolken! Wer braucht schon wirklich ein Büro? Wer braucht einen Arbeitsplatz, wenn draußen das Leben tobt? Wer braucht einen teuren eigenen Rechner, wenn sowieso jeder seinen eigenen Minicomputer stolz in der Westentasche trägt? »Bring your own device«, wie der Amerikaner sagt! Das war ein spezieller Moment, sag ich Ihnen, wie wir alle staunend an diesem Montagvormittag vor verschlossenen Bürotüren stehen und der Chef uns freudestrahlend erklärt, dass wir jetzt frei sind! Frei! Und seitdem sitz ich halt gemütlich hier, im schönen grünen Park, und ich sag Ihnen, mein Arbeitsleben, ach was, mein ganzes Leben hat sich grundlegend verändert!

Wie meinen S‘ – da würd Ihnen das soziale Arbeitsumfeld fehlen? Aber wo: Schauen S‘, dort drüben, da, der Glatzerte mit den zwei Billa-Sackerln – das ist der Pribil, unsere Buchhaltung! Irgendwo da hinten beim Altglascontainer sitzt normalerweise unsere PR-Lady, und dort vorn, bei den Basketballkäfigen, da treibt sich irgendwo unser Praktikant herum. Gell? Das will man gar nicht glauben, dass wir hier alle fröhlich am Arbeiten sind an diesem schönen Frühlingsmorgen!

Hach – das ist das Leben! Aber, gut, zugegeben, ja, ich mein, es hat schon nicht nur Vorteile, das stimmt. Das muss man trotz aller Euphorie schon zugeben. Vor einem Monat zum Beispiel, als die Bäckerei da hinten plötzlich ihr Passwort für das WLAN geändert hat – das war hart. Oder letzte Woche, als es da drei Tage nur geregnet hat – nicht so super. Oder vorgestern, als doch wirklich beim Aufwachen da so ein 40 Kilo schwerer Dobermann knurrend direkt über mir steht und das Herrchen nirgends in Sicht – das war ein Schock, kann ich Ihnen sagen! Und gestern abend, genau, das war ja überhaupt das Ärgste, da hat mir doch wirklich der Pribil von der Buchhaltung heimlich die Hälfte von meinem Tetrapack Tafelrubin ausgesoffen, als ich nur kurz mal hinter die Büsche aufs Klo …

Aso? Sie müssen schon gehen? Naja, ich sollte dann ja eh auch mal was arbeiten – ich bin ja schließlich nicht zum Spaß hier, haha! Übrigens, entschuldigen Sie, weil wir uns grad so nett unterhalten, aber mir fällt grad auf, vor lauter Malochen, ich hab heut ja noch gar nix gegessen, und gestern war die Handyrechnung zu bezahlen, also könnten Sie mir vielleicht ein, zwei Euro …? Nein? Hallo? … entschuldigung? Naja. Schönen Tag noch! Ich muss dann eh auch mal wieder – die Arbeit erledigt sich ja schließlich nicht von selber!

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