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»Immer weniger im Büro«

 

\"MichaelMichael Bartz, Professor an der IMC Fachhochschule Krems, und HMP-Geschäftsführer Thomas Schmutzer raten, in den Unternehmensprozessen Mitarbeiter dort abzuholen, wo man sie immer öfter finden kann:  im Park, im Kaffeehaus oder einfach unterwegs.

Report: Die Neue Welt des Arbeitens ist in aller Munde, wie wird sie sich entwickeln? Welche Herausforderungen kommen auf die Unternehmen zu?

Michael Bartz: Zunächst werden Unternehmensgrenzen nebulöser und offener. Teile der Unternehmen werden outgesourct – verlassen also die Firma physisch. Umgekehrt werden Systemlieferanten viel enger in die Wertschöpfungskette integriert. Außerdem nutzen Unternehmen immer mehr Crowd-Prozesse, zum Beispiel Wikis. Auch werden die Grenzen zu den Kunden immer dünner und durchlässiger: Ein Rund-um-die-Uhr-Service wird in vielen Unternehmen inzwischen zur Selbstverständlichkeit und direktere Kommunikation über unterschiedliche Kanäle wie Chat, E-Mail, IP-Telefonie breitet sich aus. Unternehmensintern schaut es nicht anders aus: Unternehmenshierarchien werden durch Matrix- und Projektorganisationen ersetzt und Arbeit findet immer mehr überall statt, aber immer weniger im Büro. Wichtiger Treiber dieser Entwicklung sind Technologien, die wir inzwischen gut aus unserem Privatleben kennen. Ich erwähne nur Skype, Facebook, Windows Live oder SkyDrive. Das sind Werkzeuge, die Kommunikation und Zusammenarbeit über Distanz unterstützen und die in Form professioneller Tools Einzug in die Unternehmen gehalten haben.

Thomas Schmutzer: Die neue Welt des Arbeitens ist schon viel präsenter als viele Unternehmen glauben. Viele Unternehmen setzen bereits oft Freelancer oder externe Experten ein. Als Berater erlebt man dann Meetings, in denen die wirklichen Angestellten in der absoluten Minderheit sind. Man erkennt dies von außen nicht, da auch die Freien oft eine Firmenmailadresse und -telefonnummer haben. Ein weiteres Beispiel ist, dass in vielen Unternehmen neben den Firmen-PCs auch auf privaten iPads gearbeitet wird. Anstelle der offiziellen Firmentools werden Freewarelösungen wie Dropbox oder Evernote aus dem Internet in der Zusammenarbeit genutzt.
Viele Mitarbeiter arbeiten gerne an Konzepten, Strategien und wichtigen Dokumenten in Ruhe von Zuhause aus. Oder im Kaffeehaus. Oder im Garten. In der neuen Welt des Arbeitens lösen sich die Jobs von fix vorgegebenen Örtlichkeiten.

Report: Was bedeutet dies für Unternehmen?

Thomas Schmutzer: Für die Chefs von morgen und sicher auch schon von heute bedeutet das, loszulassen und zu vertrauen. Denn Mitarbeiter werden ihre Arbeit dort verrichten, wo es ihnen am liebsten ist – und dabei werden sie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht in den Büro­räumlichkeiten anwesend sein. Natürlich sieht dies auf dem ersten Blick nach massivem Kontrollverlust aus. Unternehmen müssen nun Wege finden, den Mitarbeitern die richtigen Arbeitsumfelder zur Verfügung zu stellen. Mitarbeiter erwarten immer mehr jene Tools und Kanäle, die ihnen privat zur Verfügung stehen, auch im Job nutzen zu können. Daher wird im heutigen Arbeitsumfeld der Unternehmer immer weniger der sein, der Equipment zur Verfügung stellt, sondern muss mehr und mehr dafür Sorge tragen, dass die individuellen Geräte seiner Mitarbeiter miteinander kompatibel sind. Dieses Konzept wird »Bring your own device« genannt. Dieser Wandel erfolgt, er ist bereits im Gange – schleichend, aber konstant. Unternehmen werden ihn nicht verhindern können, sondern sollten versuchen, sich aktiv darauf vorzubereiten.

Report: Wie definieren Sie Arbeit heutzutage?

Michael Bartz: Arbeit verändert natürlich unter diesen Bedingungen grundsätzlich ihr Gesicht. Arbeit hatte bisher viel auch mit Anwesenheit im Unternehmen zu tun. Der Begriff »Ich gehe in die Arbeit« drückt das sehr gut aus. Nur hatte Arbeit in dieser Form nicht unbedingt immer mit Leistung zu tun. Wenn wir beginnen, virtuell auf Distanz zu arbeiten, dann löst sich diese Vorstellung von Arbeit auf. In den Managementwissenschaften spricht man dann hier auch von »Management by Objectives«. Bei diesem Arbeitsansatz geht es nicht darum, wie Leistung erbracht und Ziele erreicht werden – das ist eine Tour d’horizon. Im Vordergrund steht vielmehr, dass definierte messbare Ziele erfüllt werden. So wird auch Leistung messbar. Allerdings bedeutet dies nicht nur eine kulturelle, sondern auch rein technische Umstellung für Unternehmen und Führungskräfte. Viele Firmen verfügen heute noch nicht über Managementsysteme, die es erlauben, eine Unternehmensstrategie in klare messbare Ziele zu übersetzen und diese auf jeden einzelnen Mitarbeiter herunterzubrechen. Im »New World of Work«-Forschungsschwerpunkt an der IMC FH Krems beschäftigen wir uns genau mit dieser Fragestellung und unterstützen Unternehmen exakt bei diesem Prozess.

\"ThomasThomas Schmutzer: Arbeit ist, wie so vieles andere auch, stark im Wandel begriffen und bedeutet heute etwas anderes als noch vor 50 Jahren. Früher stand dahinter ein räumlich klar definierter und zeitlich klar eingeschränkter Begriff. Arbeit war ausschließlich in der Fabrik, im Geschäft, in der Landwirtschaft. Sie begann zu einem fix definierten Zeitpunkt, endete mit einem ebensolchen und umfasste Equipment, welches die Firma vorgab. Heute dagegen dominieren All-in-Verträge, klassische Arbeitszeit gibt es dadurch eigentlich nicht mehr. Man erledigt die Arbeit, egal wann sie anfällt, auch am Wochenende. Die Trennung von Freizeit und Arbeit verschwindet immer mehr – viele stört dies auch nicht. So hat eine Studie der ITU World Telecommunication 2010 ergeben, dass 24 % in den USA und 19 % in Deutschland in den Ferien regelmäßig E-Mails und Voicemails prüfen. Ich behaupte nicht, dass wir mehr arbeiten als andere Generationen, aber wir tun dies auf eine andere Weise, eher auf einer Ad-hoc-Basis. Mobile Arbeitsplätze und »always on(line) statt always in the office« sind die neuen Bezeichnungen für Arbeit, während sich Begriffe wie Anwesenheit, Kernzeit und Feierabend mehr und mehr zu Fremdwörtern entwickeln werden. Arbeiten ist somit mehr zu einer Frage des notwendigen Zugangs geworden.

Report: Sind Digital Natives die Treiber für diese neue Welt des Arbeitens?

Michael Bartz: Digital Natives sind anders. Man könnte es mit »positiv verrückt« auf den Punkt bringen. Diese Verrückten machen bereits bis zu 30 % der Mitarbeiter in der Unternehmenspyramide aus – vorausgesetzt, ein Unternehmen ist als Arbeitgeber noch attraktiv genug. Das drückt in drei Sätzen die aktuelle Herausforderung für General Manager und Personalleiter aus. Klar ist: Digital Natives kommen mit ganz anderen Erwartungen und Verhaltensformen in die Unternehmen. Sicherheit ist ein Bedürfnis, das in der Bedürfnispyramide in dieser Generation sehr weit unten steht. Selbstverwirklichung, Freiheit und Unabhängigkeit hingegen rangieren weit oben. Dies hat Konsequenzen in einem Arbeitsmarkt, in dem Fachkräftemangel herrscht. Mitarbeiter dieser Generation wechseln öfter den Job und die Firma. Sie wechseln, wenn der Job inhaltlich nicht passt oder die Firma einfach uncool ist – oder bewerben sich erst gar nicht. Stellen Sie sich vor: Sie sind mit Tools wie Skype oder Facebook aufgewachsen und es gewohnt, mit Ihrem Netzwerk über Distanz zu interagieren und Probleme kollaborativ zu lösen. Welche Motivation haben Sie da noch, täglich wie hunderttausend andere ins Büro zu pilgern?

Mobiles Arbeiten ist eine Grunderwartung der Digital Natives. Diese Generation will jene Tools zur Verfügung haben, mit denen sie aufgewachsen ist. Aus diesem Grund können sie als ein Treiber für diese neue Welt bezeichnet werden.

Thomas Schmutzer: Digital Natives sind keine homogene Zielgruppe. Sie alle haben Computer & Co bereits mit der Muttermilch aufgesogen, und doch unterscheiden sie sich voneinander. Sie sind Internetbewohner, die gelernt haben, im Sinne der Open-Source-Mentalität Informationen zu erstellen und zu teilen und zeichnen sich durch hohe Risikobereitschaft und schnelles Handeln aus.

Das passende Arbeitsumfeld sind Unternehmen in denen sie aktiv Veränderungen initiieren und beeinflussen können, Firmen mit partizipativer und dialogorientierter Unternehmenskultur. Diese Arbeitnehmer wollen unternehmerisch arbeiten. Doch auch ältere Arbeitskräfte nehmen den technologischen Fortschritt und das Internet äußerst ernst. Sie machen sich Sorgen, den Anschluss zu verlieren. Deshalb tun sie viel, um mit jeder Neuerung Schritt zu halten.

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