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Die Personal-Falle

\"Haider-Krisenthemen wie Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit dominieren die öffentliche Diskussion noch. Aber schnell wird die Wirtschaft mit ernsten Nachwuchsproblemen kämpfen. Welche Auswirkungen das hat, was die Recruiter dazu sagen und welche Branchen besonders betroffen sind. Und was man gegen die absehbare Personalnot tun kann.

Von Heinz van Saanen.

Zwei Jahre lang wurden die Arbeitsmarktstatistiken verfolgt wie eine Fieberkurve. Steigen die Zahlen, sinken sie endlich, wie sehen sie im nächsten Quartal aus? Fast schon rituell wurde noch die kleinste Bewegung medial analysiert und ausgedeutet. Ist das schon der Beginn vom Ende der Krise oder gar erst der Anfang vom Ende? Wie lange ein nachhaltiger und gesicherter Aufschwung auf sich warten lässt, steht in den Sternen. Aber irgendwann ist auch die längste Krise vorbei. Und dann wird sich ein altbekanntes Problem zurückmelden, das zuletzt in den Hintergrund geraten ist oder verdrängt wurde. Die Alterspyramiden haben sich nicht verändert. Sie stehen am Kopf. Und das nicht nur in den meisten westlichen Industriestaaten, selbst das dynamische China wird dank rigoroser staatlicher Einkindpolitik bereits in naher Zukunft mit der Vergreisung kämpfen. Das Teuflische an der Demografie: Ist ein Prozess wie Bevölkerungswachstum oder -schrumpfung einmal am Laufen, ist die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte festgemeißelt wie in Stein. Eine Geburtenrate schnell einmal anzukurbeln oder abzusenken funktioniert nicht. Spätestens seit dem Sommer mehren sich die Anzeichen, dass Demografie und Vergreisung wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Nachdem Deutschland sein wirtschaftliches „Sommermärchen“ geträumt hat und die Arbeitslosenzahlen in den Keller gehen, ist Feuer am Dach. Der Chef der Bundesagentur Arbeit rechnet etwa bis 2020 mit Vollbeschäftigung, spätestens ab dann gar mit einem massiven Fachkräfte­mangel.

Die Bundesarbeitsministerin hat bei der jüngsten Präsentation einer einschlägigen Studie überhaupt gleich verbal kapituliert: Die Dimensionen „seien noch nicht ganz fassbar“. Auch in Österreich rückt der Jobmarkt der Zukunft wieder in den Fokus. Laut der letzten „Allianz Demographic Pulse“-Studie wird das Verhältnis 2015 kippen. Dann wird es in der Alpenrepublik erstmalig mehr altersbedingte Berufsaussteiger als Neueinsteiger geben. In Österreich und Deutschland ticken die Uhren der Vergreisung synchron. Da wie dort gehen in den nächsten paar Jahren die letzten geburtenstarken Jahrgänge in Pension (siehe Kasten). Und dann kommt die große Ebbe. Der Anteil der Jugendlichen wird von heute 504.000 auf dann 467.000 schrumpfen, der der Älteren von 447.000 auf 478.00 steigen. Und das wird nur die erste Runde im demografischen Karussell sein, das sich zukünftig noch schneller drehen wird. Neu ist das alles nicht. Die wissenschaftliche Einsicht und die unabwendbaren statistischen Folgen aus der Alterspyramide sind – überspitzt formuliert – fast so alt wie die Cheops-Pyramide. Neu ist nur, dass das Problem jetzt greifbar vor der Türe steht.  Rücken die Konsequenzen aus Untätigkeit und Ignoranz einmal in den Zeitraum von Legislaturperioden, dann steigen auch die Chancen, dass die Politik ihre Verantwortung wahrnimmt.

\"''BeiParadigmenwechsel und Tabubrüche

Anders als die Politik hat die Wirtschaft den Schwenk bereits vollzogen. Straches hin, Sarrazins oder öffentliche Meinung her, in Österreich wie in Deutschland macht die Wirtschaft seit kurzem massiv Stimmung für Zuwanderung. „Ohne Zuwanderung können wir den Wohlstand in unserem Land nicht aufrechterhalten“, sagt etwa Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Zuwanderung alleine wird das demografische Problem freilich nicht lösen. Die IV nimmt auch die Frühverrentung aufs Korn. Gerade einmal 41 Prozent der 55- bis 64-jährigen Österreicher stehen noch im Beruf, in Ländern wie Schweden aber 70 Prozent. Selbst dem leicht konservativ-verzopften  Familienbild Österreichs könnte es längerfristig an den Kragen gehen. Die Wirtschaft entdeckt gerade auch die Frauen als volkswirtschaftliche ­Ressource. Schlanke 65 Prozent stehen in Brot und Arbeit, deutlich weniger als in vergleichbaren westlichen Industrieländern. IV, Wirtschaftskammer und Familienministerium starteten erst kürzlich das Führungskräfteprogramm „Zukunft Frauen“.
Die gemeinsam kolportierte Kernbotschaft: Es gehe „weniger um Gerechtigkeit als um ökonomische Vernunft“. Bleibt abzuwarten, ob Politik und Wirtschaft ernsthaft versuchen, auch wirklich familien- und frauenkompatible Rahmenbedingungen zu schaffen.

Die viel gepriesenen Vorzeigeländer wie Schweden oder Frankreich haben nämlich solche. Dort klappt es dann nicht nur mit Beschäftigungsquoten, sondern auch mit den Geburtenzahlen. Vor allem steht auch der Fachkräftemangel wie ein Gespenst zwischen zukünftiger wirtschaftlicher Prosperität und Realität. Doch wer die gerade gefragten Fachkräfte sind, lässt sich selbst in kurzen Zeiträumen nicht immer leicht ausmachen (siehe weiter unten). Geschweige denn, wie der tatsächliche Bedarf an Arbeitskräften langfristig aussehen wird. Sicher ist nur ein Eckpunkt: An qualifiziertem Technik-Nachwuchs fehlt es bereits heute hinten und vorne. Wer bloß wird für Auto- oder Maschinenbau die Anlagen der Zukunft entwerfen, mit denen Österreich oder Deutschland derzeit noch ihre Standortvorteile behaupten? Marketing-Menschen, Anwälte oder Banker werden es wohl nicht sein. Und davon produzieren alleine die USA schon so viele, dass es für zwei Planeten ausreicht. „Echte“ Techniker fristen nicht nur in Vorstandsetagen ein kümmerliches Dasein.

\"''RundRosinenpicker und politisches Ver­sagen

Selbst im Burgenland ist eine solide Technikausbildung scheinbar unsexy. Ein Jahr lang wurden Lehrlinge für Mechatronik gesucht – und nicht ein einziger gefunden. Ein Flaschenhals, der etwa auch dem Industriegebiet Ober­österreich schon Sorgen bereitet. Aber Flaschenhälse sind immer auch relativ. VÖSI-Generalsekretär Max Höfferer hält langfristige Prognosen für den IT-Arbeitsmarkt für „Kaffeesudleserei“. Zu oft seien Erwartungen – Stichwort Jahr 2000 oder New Economy – gekippt. Wessen Fähigkeiten eben noch gefragt waren, fand sich über Nacht auf „Pink Slip Partys“ wieder, wo verzweifelt Jobs gesucht wurden. Auch die Autozulieferer sind mit Prognosen für den zukünftigen Arbeitsmarkt vorsichtig. Zwar brummt das Geschäft wieder. Aber nicht branchen­übergreifend, wie  WKO-Fachverbands-GF Walter Linszbauer sagt: „Das hängt auch von der globalen Firmenpolitik der Mütter oder von Sonderaufträgen wie zum Beispiel für BMW-Steyr ab.“ Abseits von Hardcore-Technikern oder speziell ausgebildeten Schweißern, Fräsern oder Drehern soll es auch im Management/Executive-Bereich bald einen Engpass geben. So prognostiziert das zumindest die Boston Consulting Group in ihrer jüngsten Studie.

Aber das ist nicht ganz ausgemacht, wenn es nach Andreas Landgrebe geht. Der ehemalige Jenewein-Manager und Österreich/Osteuropa-Geschäftsführer des internationalen Headhunters Boyden relativiert. „Bei Ausbildung oder Geld gehen die Unternehmen derzeit null Kompromisse ein. Für Arbeitssuchende wird sich diese Situation in Zukunft entspannen, aber nicht umdrehen“, so Landgrebe. Einen weiteren Dämpfer hat der Personalexperte auch bereit: „Was werden wohl die heute 40- bis 45-Jährigen machen, deren Arbeit bald nach Vietnam oder Kambodscha outgesourct wird?“ Fragen, die möglicherweise auch das AMS umtreiben. Seit kurzem kümmert sich das Arbeitsmarktservice nicht nur um Arbeitslose, sondern im Programm „New Skills“ gemeinsam mit Industrie und Wirtschaft auch um die Weiterbildung für Beschäftigte. Aber worum kümmert sich eigentlich die Politik? Bei Bildung oder Forschung herrscht mittlerweile ein derartiger Notstand, dass selbst ehrwürdige Professoren gleich im Dutzend verbal die Nerven wegschmeißen. Aber die nächste Legislaturperide droht. Dann wird vielleicht endlich einmal auch die Politik auf die Herausforderungen reagieren.

 

 

> Unerbittliche Demografie:

In Österreich wurden gerade die Arbeitsmarktdaten von September bekannt gegeben. Im Jahresvergleich sank die Arbeitslosigkeit um sechs Prozent. Euphorie löste die gute Nachricht zwar nicht aus, dafür aber wechselseitiges Schulterklopfen. „Der Einsatz des Sozialministers lohnt sich“, ließ etwa die AK verlauten. Während man sich in Österreich darüber freut, dass man den Fangarmen der Krise ein Stück weiter entkommen ist, denkt man in Deutschland schon einen Schritt weiter. Arbeitsmarktexperten und Minister grübelten in den letzten Wochen bereits öffentlich, wann Deutschland die Fachkräfte ausgehen. Die Bombe tickt ab etwa 2015, wenn die ersten geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen. Bis 2025 wird dem Arbeitsmarkt ein Potenzial von sieben Millionen Menschen fehlen. Wenn die Krise einmal vorbei ist, wird die Demografie auch in Österreich unbarmherzig zuschlagen. Die Industriellenvereinigung (IV) entwickelte Szenarien der Beschäftigungsentwicklung aus dem Blickwinkel Pension. Das Fazit: Wenn sich nichts ändert, wird auch bei uns der Arbeitsmarkt austrocknen. Aber Österreich ist nicht nur ein Paradies für rüstige Rentner, sondern auch für Hausfrauen. Die Erwerbsquote liegt hierzulande bei wenig berauschenden 65 Prozent. Während die Politik in Österreich und Deutschland bei der Zuwanderung bremst, vollzog die Wirtschaft eine Kehrtwende. Die Industrievertreter beider Länder machen – quasi synchron – seit kurzem offensiv Werbung für den Zuzug.

 

> Die Tücken der Prognose:

Prognosen sind schwer, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Das Bonmot scheint besonders für den Arbeitsmarkt zu gelten. Fräser, Schweißer und Dreher können sich – dank partieller Sonderkonjunktur bei Auto/Maschinenbau/Export – ihren Arbeitgeber nach der jüngsten „Mangelberufsstatistik“ bereits fast wieder aussuchen. Wer hätte vor einem Jahr darauf gewettet? IT-Experten wiederum werden händeringend gesucht – oder auch nicht. Je nachdem, welches Spezialwissen sie haben. Ebbe herrscht beim Angebot an Lehrern. Kein Wunder, nachdem Liesl Gehrer jahrelang predigte, dass der Beruf keine Zukunft habe. Wirklich keine Zukunft haben offenbar Musik- und Gesangslehrer. Viel Angebot, aber keine einzige Stelle wird nachgefragt. Wien oder Salzburg, als „Welthauptstädte der Musik“ Tourismusmagneten der Sonderklasse, leben scheinbar nur mehr von den Dividenden der Vergangenheit. Fragt sich nur, wann der schöne Marketing-Schein in sich zusammenbricht.

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