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Chance vertan

Die Politik ist auf dem besten Weg, eine einmalige Chance zur Konjunkturbelebung ungenützt verstreichen zu lassen. Die Förderaktion zur »Thermischen Sanierung« liegt vorerst auf Eis – trotz der guten Erfahrungen aus dem Vorjahr und der unbestrittenen Hebelwirkung. Der Gipfel der Absurdität: Im Namen der Budgetkonsolidierung verzichtet der Staat auf richtig viel Geld.

Die Befürworter formieren sich, die Phalanx wird immer breiter. Die Bau-Pakt-Partner der ersten Stunde, der Fachverband Steine Keramik, die Bundesinnung Bau, die Gewerkschaft Bau Holz und Global 2000, haben sich mit den Bausparkassen und der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten verstärkt. Ihr gemeinsames Anliegen: die Verlängerung der Förderaktion zur thermischen Sanierung. Zur Untermauerung ihres Ansinnens werfen sie eindrucksvolles Zahlenmaterial in die Schlacht: Die 100 Millionen Euro, die 2009 als staatliche Förderung für die thermische Sanierung ausgeschüttet wurden, haben ein Investitionsvolumen von 650 Millionen Euro ausgelöst, erklärt Josef Muchitsch, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Bau Holz. 7.000 Arbeitsplätze wurden abgesichert, 50.000 Tonnen CO2 eingespart und dem Staat 135 Millionen Euro an Steuergeld und 104 Millionen Euro an Sozialversicherungsabgaben ins Börserl gespült. Außerdem wurden fast 100 Millionen Euro an Arbeitslosengeld eingespart. Auch Wifo-Professor Stefan Schleicher bestätigt die Kostenneutralität der Aktion. »Die 61 Millionen, die als Förderung an Private gingen, hatten eine Hebelwirkung von 1:8«, erklärte Schleicher anlässlich einer Pressekonferenz mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Der forderte nicht nur die Fortführung der Aktion im Jahr 2010, sondern auch eine deutliche Aufstockung auf 300 Millionen Euro. Damit würde nicht nur endlich eine Sanierungsrate von 3 % erreicht, sondern auch ein Investitionsvolumen von stolzen zwei Milliarden Euro ausgelöst. Außerdem würden 506 Millionen an Steuereinnahmen und 312 Millionen Euro an Sozialversicherungseinnahmen in die Staatskassen gespült.

Nur Gewinner
Eine Initiative wie den Sanierscheck nennt man neudeutsch eine klassische Win-win-Situation. »Sie stärkt die Betriebe, sie stärkt die Beschäftigung und sie stärkt die öffentlichen Finanzen«, sagt Leitl. »Davon abgesehen gibt es eine positive Folgewirkung nicht nur für die Umwelt, wo dank der Sanierung rund 80 %
an Energie eingespart werden können. Auch der Wert der Gebäude steigt«, ergänzt Schleicher.
Die Politik zeigt sich von diesen Zahlen und Schlussfolgerungen weitgehend unbeeindruckt. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es ziemlich lapidar, dass »es im Moment keine weitere Aktion geben wird«. Dabei hat Minister Reinhold Mitterlehner eine bemerkenswerte Kehrtwende geschafft. Noch im November 2009 sprach er sich nicht nur für eine Fortführung der Sanierungsförderung, sondern auch eine deutlich höhere Dotierung aus. Im Jänner verfasste er für die WK-Publikation Bau im Spiegel einen Kommentar, in dem er »die thermische Sanierung als die beste und attraktivste Förderaktion, die wir bisher durchgeführt haben« bezeichnet. Nur um knapp sechs Wochen später auf Anfrage des Bau & Immobilienreport zu erklären, dass im Rahmen der Erarbeitung einer österreichischen Energiestrategie erst noch geprüft werden müsse, ob »eine Neuauflage des Sanierungsschecks möglich und sinnvoll ist«.
Der nächste Rückzieher folgte bei der Präsentation eben jener Energiestrategie in der Hofburg. Plötzlich rückten die möglichen Mitnahmeeffekte in den Vordergrund. Dabei hat eine aktuelle Studie in der Schweiz gezeigt, dass das Fördermodell deutlich weniger Mitnahmeeffekte generiert als Steuervergünstigungsmodelle. »Bei Förderungen liegt der Mitnahmeeffekt bei maximal 30 %, bei den Steuermodellen hingegen bei bis zu 80 %«, erklärt Manuel Graf von Global 2000.

Das Primat der Konsolidierung

Das Spielchen ist relativ durchsichtig. Es wird nach Ausflüchten und Rechtfertigungen gesucht, die das Nein zur Fortführung der Förderaktion erklären sollen. Minister Mitterlehner hat die undankbare Aufgabe, etwas zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären ist. Und das anscheinend auch gegen seine eigene Überzeugung. Wie man aus der Wirtschaftskammer hört, war noch im Februar eine gemeinsame Pressekonferenz von Leitl und Mitterlehner geplant, in der die Fortführung der Aktion hätte verkündet werden sollen. Erst als Mitterlehner kurzfristig absagen musste, holte sich Leitl Wifo-Professor Schleicher an die Seite und machte aus einer Ankündigungs-PK eine Forderungs-PK.
Der Grund für die kurzfristige Absage liegt im neuen Primat der Budgetkonsolidierung. 1,7 Milliarden Euro müssen eingespart werden. Dem wird alles untergeordnet. Gespart wird, wo es möglich ist, und nicht zwingend dort, wo es sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang hat schon Christoph Leitl darauf hingewiesen, man möge doch bitte den Unterschied zwischen »Ausgaben« und »Investitionen« beachten. Bei Ausgabe zu kürzen, ist sinnvoll, bei Investitionen den Rotstift anzusetzen, hingegen kurzsichtig. Aber dass die Regierung nicht unbedingt zimperlich mit Investitionen in die Zukunft umgeht, zeigen auch die geplanten Kürzungen in der Forschung.   

Viel heiße Luft
Unter dem Deckmantel der Budgetkonsolidierung wird derzeit alles auf Eis gelegt. Dabei könnte eine Fortführung der »Thermischen Sanierung« auch mithelfen, die Staatskassen zu sanieren. Denn das Geld, das an den Staat zurückfließt, kommt früher, als die Förderungen ausbezahlt werden müssen. Und die Zahlen des Wifo werden weder vom Finanz- noch vom Wirtschaftsministerium ernsthaft in Zweifel gezogen. Unter diesen Gesichtspunkten überrascht es umso mehr, dass eine Neuauflage derzeit kein Thema ist.
Wenn man Ursachenforschung betreibt, braucht man einen langen Atem. Im Finanzministerium stößt man erst einmal auf verschlossene Türen. Staatssekretär Reinhard Lopatka bedauert, aber das »Thema fällt eindeutig in den Bereich von Minister Mitterlehner«. Das Büro Mitterlehner spielt den Ball mit einem eleganten »Kein Geld« zurück ins Finanzministerium. Dort geht Lopatka bei der Frage, warum für eine kostenneutrale Aktion kein frisches Geld zur Verfügung gestellt wird, kurzerhand auf Tauchstation.
Eine Antwort kommt dafür von Staatssekretär Andreas Schieder. Die ist allerdings sehr politisch, das heißt relativ unverbindlich. »Die Maßnahmen zur thermischen Sanierung waren sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht richtig. Aktuell sind aber keine weiteren Förderungen der thermischen Sanierung geplant. Langfristig können wir über weitere nachhaltige Maßnahmen wie die Förderung der thermischen Sanierung aber nachdenken.«
Wieder zurück im Wirtschaftsministerium, wird auf die eben präsentierte »Ener­giestrategie« verwiesen. Den gro­ßen Vorschusslorbeeren konnte das Papier inhaltlich aber nicht gerecht werden. Nicht nur für Gewerkschafter Muchitsch ist die Energiestrategie »viel heiße Luft, der Ener­gie und Strategie fehlt«.  Zwar soll die Sanierungsrate von derzeit 1,2 % bis zum Jahr 2020 auf 3 % steigen, ein konkreter Zeitplan und verbindliche Maßnahmen fehlen aber.
Die neu formierten und mit Bausparkassen und Architektenkammer gestärkten Bau-Pakt-Partner haben jedenfalls bereits angekündigt, weiter für eine Neuauflage der thermischen Sanierungsoffensive noch in diesem Jahr zu kämpfen. Im Sinne der Bauwirtschaft, der Beschäftigten, der Umwelt und eigentlich auch im Sinne der Staatskassa bleibt zu hoffen, dass es kein Kampf gegen Windmühlen wird.  

 

Herr Minister, auf ein Wort:

Report: Die Anzahl der Befürworter einer Fortführung der Aktion »Thermische Sanierung« wächst. Alle reden von einer Win-win-Situation. Wie erklären Sie, dass die Sanierungsoffensive bislang nicht verlängert wurde?
Reinhold Mitterlehner: Der Nachhaltigkeitseffekt war bisher kaum zu überbieten. Zum positiven Impuls für den Mittelstand und die Konjunktur kommen bei der thermischen Sanierung die Vorteile für die Umwelt. Aktuell wird geprüft, inwiefern eine Neuauflage des erfolgreichen Sanierungsschecks möglich und sinnvoll ist. Die Finanzierung ist offen und wird in den nächsten Monaten in der Bundesregierung zu diskutieren sein. Derzeit prüfen alle Bundesministerien, in welchen Bereichen Einsparungen und Effizienzsteigerungen möglich sind. Bevor diese Prozess nicht abgeschlossen ist, können neue Projekte nur schwer realisiert werden.

 

 

 

Herr Staatssekretär, auf ein Wort:
Report: Woran scheitert bislang aus Ihrer Sicht die Fortführung der Aktion »Thermische Sanierung« und wie schätzen Sie persönlich die Chancen ein, dass es heuer doch noch zu einer Neuauflage kommen wird?
Andreas Schieder: Die Maßnahmen zur thermischen Sanierung waren sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht richtig, da es sich hier um einen sehr beschäftigungsintensiven Bereich handelt und wir durch die Förderungen viele zusätzliche Arbeitsplätze schaffen konnten. Aktuell sind keine weiteren Förderungen der thermischen Sanierung geplant. Denn im Moment stehen wir vor der großen Herausforderung, das Budget zu konsolidieren. Langfristig können wir über weitere nachhaltige Maßnahmen wie die Förderung der thermischen Sanierung aber nachdenken.

 

 

 

 

Zahlen & Fakten:

Aktion 2009: 100 Millionen Euro staatliche Förderung und ihre Auswirkungen
- 650 Millionen Euro Investitionen
- 135 Millionen Euro Steuereinnahmen
- 104 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge
- minus 95 Millionen Euro Arbeitslosengeld
- 50.000 Tonnen CO2-Einsparungen
- 7.000 Arbeitsplätze

Ziel 2010: 3 % Sanierungsrate. Das würden 300 Millionen Euro bringen.
- 2.000 Millionen Euro Investitionen
- 506 Millionen Euro Steuereinnahmen
- 312 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge
- minus 295 Millionen Euro Arbeitslosengeld
- 150.000 Tonnen CO2-Einsparungen
- 25.000 Arbeitsplätze
 

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