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Wenn Heuschrecken links abbiegen

Nach zehn Jahren Liberalisierung herrscht ein seltsames Gefüge in österreich: Der Incumbent Telekom Austria verliert von Jahr zu Jahr Marktanteile, ist dennoch stärker denn je. Derweil tun sich die alternativen Provider untereinander weh: Der intermodale Wettbewerb gedeiht prächtig, die Mobilfunker überrollen gnadenlos den Festnetzmarkt.

Report: Was ist Ihr Fazit zum ersten Jahrzehnt Telekomliberalisierung? Wie geht es den Betreibern heute?
Berthold Thoma: Die Regulierung ist in diesen Jahren durch drei Phasen gegangen. In der Aufbruchsphase wurde sehr viel getan, um für Wettbewerb zu sorgen. Dann wurden die Modi operandi ausformuliert, um diesen am Laufen zu halten. Nun findet wieder eine Art Remonopolisierung statt: Der Telekom Austria wird erlaubt, Mitbewerber vom Markt zu kaufen. Der marktbeherrschende Incumbent kauft sich Marktanteile in einem Umfeld zurück, in dem keine der Alternativen je in der Lage wäre, den gleichen Preis für ein Unternehmen wie eTel zu bezahlen. Im Festnetzbereich verdienen die Alternativen zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig, um ähnliche Schritte setzen zu können. UPC und Tele2 sind heute die einzig ernst zu nehmenden weiteren Player im Privatkundenbereich am Festnetzmarkt - einem Markt, der zu Liberalisierungsbeginn über 20 relevante Anbieter zählte. Heute sind es nur noch halb so viele, wenn man großzügig die Mobilfunker mitzählt.

Welchen Effekt hat dies auf die Endkunden selbst? Diese sind ja in der Regel nur wenig wechselwillig und interessieren sich kaum für Providerkonstellationen.
Thoma: Aufgrund eines verringerten Wettbewerbs werden sich sicher nicht von heute auf morgen die Preise verdoppeln. Langfristig gesehen wird dies aber passieren. Denn wenn es keinen Wettbewerb gibt, haben Anbieter auch keinen Bedarf, sich zu differenzieren. Nicht nur aber wäre dann der Preisdruck, kosteneffizient zu arbeiten, verschwunden, sondern auch die Innovationslust. Die TA konnte in österreich über viele Jahre wie in einer geschützten Werkstätte agieren. Dadurch musste man nicht viel in Innovation investieren. Auf der anderen Seite haben wir im Mobilfunk schon einen nahezu überwettbewerb, in dem sich die Player dort alles geben, was man sich nur geben kann. Indirekt kommt es dadurch auch zu der einzigartigen Situation in Europa, ein relativ unterentwickeltes Festnetz zu haben. Die Mobilfunker sind wie die Heuschrecken links abgebogen, um nun auf die TA zuzufliegen. Leider Gottes fliegen wir dadurch auch über die Felder unserer Festnetzkollegen im VAT. Die Telekom ist aber nicht entsprechend aufgestellt, um dem Erfolgslauf der Mobilfunker gegenzuhalten. Sie hatte ja nie die Motivation dazu. Nehmen Sie andere Länder wie etwa Großbritannien als Beispiel: Dort haben die Mobilfunker noch nicht einmal groß HSDPA eingeführt, da dort eine völlig andere Segmentierung herrscht. Für unsere Hutchison-Schwester in UK ist mobiles Breitband bei den dort vorhandenen Bandbreitenstandards und günstigen Festnetzpreisen überhaupt kein Businessmodell. »This is an unique position you have in Austria«, sagen sie.
Hätte man in diesen zehn Jahren der Liberalisierung einen härteren Wettbewerb zugelassen, hätte man den Alternativen größere Margen gegönnt, dann hätte sich auch der Festnetzmarkt ganz anders entwickelt. Und das nicht nur preislich, denn Wettbewerb heißt auch Servicequalität, Innovation und Leistungsfähigkeit. Im Mobilfunk dagegen hat zwischen dem Anbieter mobilkom und den neuen Providern ein regelrechter Innovationswettlauf stattgefunden. Bei UMTS war damals spannend, wer, wann und wo als erster Anbieter starten wird. Das Gleiche konnte man bei HSDPA vor gut einem Jahr beobachten. Da haben sich die Anbieter schon mit Pressemeldungen zum Marktstart ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert.

Ist folglich mit jedem Eintritt eines neuen Mobilfunkers der Markt belebt und angekurbelt worden?
Thoma: Ja, das sehe ich so. Man kann natürlich darüber diskutieren, ob es sinnvoll war, derart viele Anbieter hintereinander in den Markt zu hetzen. Aber ich bin der Letzte, der sich darüber beklagen sollte.

Bei aller Liberalisierung und auch den herrschenden Marktanteilen im Mobilfunk heute: Hier scheint die Regulierung gut funktioniert zu haben.
Thoma: Ja und nein. Auch die mobilkom ist immer bevorzugt geworden. Sie hat ausgehend von ihrem Marktstart die bei weitem höchsten Summen an Terminierungsentgelten vom Mitbewerb gezahlt bekommen. Und sie sitzt noch immer auf knapp der Hälfte des Gesamtumsatzes des Mobilfunkmarkts. Auch im Mobilfunk wollen die Alternativen fair und konsistent reguliert werden. Fair heißt, dass wir eine Chance am Markt haben, uns durchzusetzen - und nicht nur als Alibi für die Wettbewerbskommission in Brüssel gelten. Eine konsistente Regulierung soll auch wieder eine gewisse Investitionssicherheit geben. Man hat in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass für uns nicht nachvollziehbar plötzlich änderungen zugunsten einzelner Marktteilnehmer passiert waren. Da wurden Prinzipien über Nacht plötzlich geändert.
Jan Engelberger: Laut einer Studie, die die Entgelt- und Kostenrechnungen der Regulierungsbehörde in den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette untersucht hat, gibt es in österreich zwar eine relativ konsistente Regulierung bei Festnetzsprachminuten, beim Festnetzanschluss selbst aber liegen die von Telekom Austria angebotenen Endkundentarife im Einsteigersegment so niedrig, dass Alternativen mit dem Vorleistungspreis über Wholesale oder Entbündelung schlicht und einfach nicht konkurrieren können. Im Breitbandbereich ist dies noch einmal verstärkt, da dort von der TA zusätzliche Services am Endkundenmarkt angeboten werden, die am Vorleistungsmarkt für die Alternativen gar nicht erhältlich sind.

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