Menu
A+ A A-

Office mit System

Von Martin Leyrer

Word, Excel und PowerPoint sind aus der täglichen Arbeit im Büro nicht mehr wegzudenken. Ebenso wenig wie das Suchen nach bestimmten elektronischen Dokumenten. Zu vielfältig sind die Speicher und Ablagemöglichkeiten für .doc-, .xls- und .ppt-Dateien geworden. Ist die aktuellste Version des wichtigen Angebots, das heute hinausgehen soll, im Posteingang des Chefs oder auf dem USB-Stick des Verkaufsleiters? Oder liegt sie doch am Desktop der Sekretärin oder hat der Techniker, der die Daten nochmals kontrolliert hat, die neueste Version auf dem Fileserver abgelegt? Und wenn ja, in welchem Ordner?

Solche oder ähnliche Szenen spielen sich momentan in vielen Unternehmen ab. Fileserver, E-Mail und die USB-Anschlüsse sorgen für zahlreiche Möglichkeiten, Daten abzulegen und nicht mehr wiederzufinden. Ein Ansatz, diesem Wust an Daten Herr zu werden, sind die immer beliebter werdenden lokalen Suchmaschinen. Zumeist ist bei den Fileservern aber wieder Schluss - welcher Admin hätte es schon gerne, dass hundert PCs gleichzeitig die Dateien auf dem Server indizieren?Dass man aus dem unübersichtlichen Datenhaufen wieder brauchbare und nützliche Informationen machen muss, haben auch die großen Softwarehersteller erkannt. Daher überrascht es nicht, dass die Neuerungen in den kommenden Office-Paketen nicht so sehr in den einzelnen Produkten zu finden sind, sondern in dem Gesamtsystem, welches auch die Ablage und Verwaltung von Dokumenten und Informationen zur Aufgabe hat.

Redmond’s World. Platzhirsch im Office-Bereich ist natürlich Microsoft mit seiner Office-Suite oder, wie es ja seit der Version 2003 heißt, seinem Office System. Obwohl das Unternehmen aus Redmond mit seinen Produkten nie der Erste am Markt war, haben es die Mannen rund um Bill Gates mit gutem Marketing und einer perfekten Integration in das eigene Betriebssystem geschafft, unumstrittener Marktführer zu werden. Waren es in den früheren Versionen vor allem die Features in den einzelnen Produkten, welche Microsoft bei einem neuen Release hervorgehoben hat, so liegt der Schwerpunkt sowohl beim aktuellen Office System 2003 als auch beim kommenden 2007 Microsoft Office System eher im Zusammenspiel mit den Serverprodukten aus dem eigenen Haus als in den Features der einzelnen Produkte. Trotzdem gibt es natürlich auch in den jeweiligen Produkten Neuerungen.

Viel hat Microsoft über die neuen Funktionen in den Programmen der kommenden Office-Version noch nicht verlautbaren lassen, aber allein die Ankündigung einer neuen Oberfläche für Word, Excel und Co hat bereits für viel Aufregung gesorgt. So werden im kommenden Office die Menüs komplett neu in sogenannten »Ribbons« organisiert. Diese sollen eine einfachere Navigation und ein schnelleres Auffinden von Funktionen ermöglichen. Im Prinzip kann man sich so einen Ribbon wie ein grafisch aufgepepptes, quer gelegtes Menü vorstellen. Hinzu kommen noch sogenannte »kontextsensitive Ribbons«, die zum Beispiel nur eingeblendet werden, wenn man eine Grafik bearbeitet. Während es für die Menüs keinen Kompatibilitätsmodus gibt - ECDL-Besitzer müssen also umgeschult werden -, können Power-User für die Tastaturbefehle auf die alte Version umschalten.

Ansonsten hat sich Microsoft bei den einzelnen Produkten, so Haider Shnawa, Product Solution Marketing Manager »Information Worker« bei Microsoft österreich, auf produktivitätssteigernde Verbesserungen und Erweiterungen konzentriert. Word hat einige Funktionen von Visio geerbt, wodurch sich Grafiken, Ablaufdiagramme oder etwa Organisationsdiagramme sehr leicht erstellen und bearbeiten lassen. Die Tabellenkalkulation Excel wurde unter anderem um Funktionen erweitert, welche Trends oder Spitzenwerte optisch hervorheben. Alles keine »bahnbrechenden« Funktionen, die aber in Summe durchaus Verbesserungen im täglichen Arbeiten bringen können.

Im Zentrum des neuen Office Systems stehen aber sicherlich die Server und hier natürlich besonders der SharePoint Server. In Microsofts Strategie ist er der Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Ablage von Dokumenten, die Zusammenarbeit an Projekten und die Publikation von Informationen im Intranet und Internet geht. Basierend auf den SharePoint Services bietet er die Möglichkeit, Dokumente projektbezogen abzulegen, sodass man sowohl über den Browser als auch aus dem Datei-Explorer bzw. den Office-Produkten darauf zugreifen kann. Darüber hinaus bietet er einen Check-In/Out-Mechanismus sowie eine Versionierung von Dokumenten, sodass bei ein wenig Disziplin dem Anwender immer klar sein sollte, wer an dem Dokument arbeitet und welche Version die aktuellste ist.

Darüber hinaus können sich die Projektteams über in SharePoint integrierte Foren organisieren, Projektkalender führen und auch Workflows über den Server realisieren. Für größere Unternehmen bietet der SharePoint Server 2007 dann auch noch die Funktionalität des SharePoint Portal Servers, also ein Content-Management-System für größere Webauftritte.Neu ist in Microsofts 2007 Office System auch die Groove-Produktpalette, welche Notes-Erfinder Ray Ozzie zu Microsoft mitbrachte, als Microsoft Ozzies Unternehmen Groove Networks schluckte. Groove soll, so Haider Shnawa gegenüber dem Report, vor allem für die Ad-hoc-Zusammenarbeit in Unternehmen eingesetzt werden. Die Ergebnisse derartiger Sitzungen sollen dann in SharePoint-Sites abgelegt werden. Die größte Neuigkeit im Zusammenhang mit Groove ist sicherlich die Möglichkeit für Unternehmen, die Groove-Server nun im eigenen Netz zu betreiben und nicht mehr jene von Groove verwenden zu müssen. Inwieweit die Funktionalitäten von Groove und dem Live Communications Server von Microsoft (Instant Messaging) zusammengelegt werden, wird man vermutlich im Rahmen der kommenden Beta des 2007 Office Systems sehen.

Alternative von Big Blue. Anfang des Jahres ließ Bill Gates mit der Aussage aufhorchen, dass IBM die größere Bedrohung für Microsoft sei als Google. Unter dem Blickwinkel, dass Windows und Office noch immer die Umsatzträger sind und IBM sich ja offensichtlich in beiden Bereichen nicht engagiert, verwunderte diese Aussage viele. Im Linux-Bereich bietet IBM zwar keine eigene Distribution an, unterstützt jedoch mit Suse (Novell) und Red Hat die beiden großen Anbieter auf dem Markt. Und im Office-Bereich hat IBM sehr wohl ein Angebot - und damit ist nicht die Lotus SmartSuite gemeint -, welches Microsoft, vor allem im Bereich der Großkunden, durchaus Probleme bereiten könnte.

Als größte Bedrohung für Microsofts Office-Umsätze wird im Allgemeinen das von Sun initiierte Projekt »OpenOffice.org« angeführt. Dieses hat aber, vor allem für Unternehmen, einen großen Nachteil: Während sich die Microsoft-Office-Produkte über Group-Policies zentral steuern lassen, gibt es für Openoffice.org noch keine gleichwertige zentrale Administration. Und genau hier hat IBM angesetzt.

Zuvor aber ein kurzer Blick in die Vergangenheit: In den letzten Jahren hat Big Blue mit seiner Zweiproduktstrategie im Bereich der Kollaborationslösungen (Workplace und Lotus Notes/Domino) und schlechter Kommunikation für viel Verwirrung und Gerüchte (»Notes ist tot«) gesorgt. Tatsache ist aber, dass die Produktlinie Notes/Domino weiterentwickelt und gepflegt wurde, während IBM auf Basis seines Websphere Portal Servers mit Workplace eine komplette Java-basierte (J2EE) Infrastruktur für die Zusammenarbeit in Unternehmen geschaffen hat. IBM Workplace beinhaltet neben den klassischen Features wie E-Mail, Kalender und Aufgaben auch eine integrierte Dokumentverwaltung sowie integriertes Instant Messaging und viele andere Funktionen.Ursprünglich als kostengünstige Weblösung positioniert, hat sich Workplace mittlerweile zu einer interessanten Komplettlösung für Unternehmen entwickelt. Der auf der OpenSource-Anwendungsplattform Eclipse basierende Workplace Managed Client (WMC) bietet alle Workplace-Features, allerdings nicht über den Browser, sondern als alleinstehende Anwendung und damit auch offline.

Das Feature allerdings, das Bill Gates schlaflose Nächte bereiten dürfte, ist die integrierte Office-Suite. IBM hat auf Basis von OpenOffice.org 1.0 Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsprogramm usw. in den Workplace Managed Client, der unter Windows, Linux und Mac OS X läuft, integriert. Damit hat ein Administrator volle Kontrolle, welche Anwendungen und welchen Funktionsumfang in den Anwendungen er den Benutzern zur Verfügung stellt - etwas, das den anderen Lösungen auf Basis von OpenOffice.org noch fehlt. Damit wird aber auch das unter dem WMC liegende Betriebssystem immer unwichtiger - der Benutzer muss die Anwendung nicht mehr verlassen, um etwa ein Word-File zu editieren. Damit bedroht IBM sowohl Microsofts Windows- als auch Office-Geschäft.

Gleichzeitig schlägt Big Blue damit auch die Brücke zur Notes-Produktfamilie. Bestehende Notes-Mail-Infrastrukturen und Notes-basierte Anwendungen lassen sich einfach sowohl in die browserbasierte Workplace-Lösung, als auch in den Workplace Managed Client einbinden. Der nächste Notes-Client mit dem Codenamen Hannover wird darüber hinaus auch die Möglichkeit bieten, sogenannte Composite Applications zu erstellen und zu betreiben, welche Daten und Anwendungen aus Notes und Workplace verbinden können.

IBM belässt es allerdings nicht dabei, nur eine neue Technologie zu anzubieten. Mit dem »Activity Explorer«, der unter Workplace bereits verfügbar ist und auch Bestandteil der kommenden Notes-Version sein wird, will Big Blue die formelle und informelle Zusammenarbeit in Team verbessern. Der Activity Explorer soll die Brücke zwischen der »formellen« Zusammenarbeit etwa in Teamrooms und den »informellen« Aktivitäten wie Chats oder E-Mails schlagen. Unter einer Aktivität im Activity Explorer können verschiedenste Ereignisse und Dokumente zusammengefasst werden, etwa ein gemeinsam bearbeitetes Dokument mit ein paar protokollierten Chat-Sessions und eigenen Notizen. IBM will sich mit diesem System vom dokumentorientierten hin zum projektorientierten Denken bewegen. Der Activity Explorer abstrahiert den Speicherort der Information - im Vordergrund steht das Projekt, die Aktivität.

Conclusio. Mit praktischen Features und einer guten Windows-Integration hat es Microsoft geschafft, den Markt für Office-Produkte zu beherrschen. Mittlerweile leidet das Unternehmen allerdings daran, dass viele Anwender meinen, die alte Office-Version oder gar das kostenlose OpenOffice.org seien ausreichend für das, was sie tun. IBM arbeitet weiter an seinem Workplace Managed Client, und auch kleinere Player wie etwa Novell mit seinem Suse Linux Enterprise Desktop 10 und dem darin inkludierten OpenOffice mit VBA-Makrounterstützung wollen im Office-Markt mitmischen. Ob nun Microsoft seine Kunden mit dem System-Ansatz überzeugen kann, oder ob IBM, Novell, Sun usw. eine brauchbare Alternative auch für den Normaluser anbieten können, wird die Zeit erst zeigen. Dass es Alternativen gibt, wird dem Markt auf jeden Fall gut tun. Das hat schon der Einfluss von Firefox auf den Internet Explorer gezeigt.

Microsoft Office Server
Nicht vergessen darf man im Zusammenhang mit SharePoint und den anderen Office-Servern die notwendige Infrastruktur.
So benötigt man, neben dem Windows-Server für die Installation, auch ein konfiguriertes Active Directory, in dem alle Benutzer, die Zugriff auf das System erhalten sollen, erfasst sind. Wem die Kapazität der SQL Server Express Version (4 GB Datenbankgröße, 1 GB RAM und nur ein Prozessor unterstützt) für die Ablage von Dokumenten am SharePoint Server nicht ausreicht, benötigt zusätzlich auch noch einen \"ausgewachsenen“ SQL Server von Microsoft.
Für die Bearbeitung der Oberflächen (hinzufügen von Elementen, etc.) wird dann außerdem noch der SharePoint Designer 2007, Nachfolger von Frontpage, benötigt. Will man Workflows erstellen, sollte man auch noch die passende Visual Studio Version installiert haben.
Outlook 2007 arbeitet natürlich mit Exchange 12 am Besten zusammen, also denken Sie daran, auch einen 64-Bit Server samt 64 Bit Windows zu kaufen, denn auf 32-Bit Hardware wird die kommende Exchange-Version nicht mehr laufen. Zuvor sollten Sie sich aber informieren, ob die notwendigen Virenscanner, Backup-Programme, etc. auch schon für die 64-Bit Version von Exchange und Windows vorhanden sind - negative überraschungen sind hier durchaus noch möglich.
Dass ein Active/Active Cluster mit Exchange 12 nicht mehr unterstützt wird und Funktionen wie WebDAV, Web Forms oder das M-Laufwerk mit Exchange 12 \"de-emphazed“ und damit im Nachfolger von Exchange 12 nicht mehr vorhanden sein werden, hängt Microsoft derzeit verständlicher weise nicht an die große Glocke.
Natürlich gibt es auch noch den Live Communiations Server, den Project Server sowie den Forms-Server und die für Groove benötigten Server - man wird also auf jeden Fall Einiges an Hardware benötigen, wenn man alle Features des 2007 Microsoft Office Systems benutzten will.
IBM Hardware- und Zeitanforderungen
Ein Hemmschuh für IBMs Workplace-Produkte könnten allerdings die Hardware- und Zeitanforderungen des Systems sein. Da Workplace auf dem Websphere Portal Server aufsetzt, der wiederum auf dem Websphere Application Server basiert und natürlich auch noch eine Datenbank benötigt wird, braucht man schon einen recht potenten Server. Auch wenn es Installationen gibt, die auf einer Single CPU mit 1 GB RAM laufen, sollten man für den Echtbetrieb eine Multiprozessormaschine mit min. 4 GB RAM ins Auge fassen. Ein weiterer Hemmschuh könnte die komplexe Installation sein. Auch wenn IBM es bereits geschafft hat, die Installationszeit der Express-Version von einer Woche auf einen Tag zu drücken, so bleibt hier noch immer viel Raum für Verbesserungen. Wer sich Workplace einmal ansehen will, kann bereits auf ein kostenloses VMWare-Image mit installiertem Red Hat Linux und Workplace Services Express zurückgreifen (IBM Virtual Appliance).

Links:
2007 Microsoft Office System
IBM Workplace
IBM Virtual Appliances

back to top