Frischer Wind am Bau
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Funktionaler, gesünder, behaglicher, bequemer – so soll Wohnen in der heutigen Zeit aussehen. Auch die Errichtung des Gebäudes im Vorfeld soll reibungslos ablaufen. Das Objekt soll schnell, einfach und nachhaltig realisiert werden. Wie neue Produkte diesem Anspruch gerecht werden.
Von Karin Legat.
Stellen Sie sich vor: Sie möchten ein Eigenheim renovieren oder als Selbstständige/r ein kleines Home-Office anbauen. Sie haben Ihr fertiges Bauergebnis vor Augen, aber bei der Planung stellt sich heraus, dass die gewünschte Energieeinsparung nicht ausreichend dimensioniert wurde und die vorgesehene Bauzeit ebenso überschritten wurde wie Ihr Baubudget. Was liegt näher, als auf die Suche nach Produktalternativen zu gehen. Neue Baumaterialien kombinieren verschiedenste Funktionen: Glasscheiben produzieren Strom, Bauteile speichern Energie, Raumwände sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis von Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Vielen fällt es leichter, mit dem weiterzumachen, was sie kennen, aber alternative Verbesserungen können oft einen positiven Effekt haben. Nachhaltig heißt die Beachtung sozialer, ökonomischer und ökologischer Kriterien. Innovative Baustoffe ermöglichen z.B. den geringeren Verbrauch von energetischen Ressourcen und damit verbunden auch geringere finanzielle Aufwendungen für Betriebskosten – und das wird auch den größten Skeptiker überzeugen. „In Zeiten von Klimawandel und schwindenden Ressourcen darf die innovative Seite eines neuen Produkts nicht nur an funktionellen Vorteilen gemessen werden, sondern auch an globalen Werten im Sinne der Nachhaltigkeit“, spricht Armin W. Rainer, Geschäftsführer bei TECHNOpor Bauwilligen ins Gewissen. Ein Neubau oder eine aus bautechnischen Gründen notwendig gewordene Renovierung steht zudem nicht jeden Tag am Programm. HAUS&HEIM geht von einer Nutzungsdauer von Immobilien zwischen 20 und 200 Jahren aus.
„Innovationen, d.h. Entwicklungen, haben immer auch etwas mit Handleserei zu tun. Aussagen für die Zukunft zu treffen ist generell schwierig“, stellt Heinrich Bruckner von der TU Wien, Institut für Baustofflehre, fest. Für den Baubereich sieht er aber optimistisch in die kommenden Jahre. „Das Ziel der Innovation der letzten Jahre war es, Gebäude und Hülle als Ganzes zu sehen und die bauphysikalischen Eigenschaften aller Einzelteile zu verstehen. Nun gilt es, dieses Wissen umzusetzen sowie den Energieverbrauch, den Stoffeinsatz und die Komplexität des Systems gering zu halten. Mit einfachen Baustoffen und einfachen Konstruktionen muss ein optimales Ergebnis erzielt werden. Darin liegt die Anforderung an uns Forscher für die Zukunft.“
Nachhaltigkeit im Leichtbau/Massivbau? – Thema bei beiden Bauweisen
Nachhaltigkeit ist ein zentraler Punkt der Bauplanung, sowohl der aktuellen als auch der künftigen. Bislang wurde sie oft vernachlässigt, weil einfach das Know-how fehlte. Heute ist Nachhaltigkeit ein Verkaufsargument. Sie steht für intergenerative Gerechtigkeit und Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt. Wenn man sich die einzelnen Baustoffe ansieht, wird vor allem Holz unmittelbar mit Nachhaltigkeit verbunden. Die Bauansprüche Schnelligkeit und Einfachheit können von diesem NAWARO-Material heute ebenfalls erfüllt werden. „Unter kontrollierten Bedingungen, also z.B. Werkshalle, keine Witterungseinflüsse, sehr hohe Genauigkeit, können ganze Holzbauteile vorgefertigt und just in time auf die Baustelle geliefert werden. Holz erlaubt einen sehr hohen Vorfertigungsgrad. Damit verbunden sind rasche Bauzeiten selbst bei hohen Qualitätsansprüchen, sowohl für den Wohnbau als auch den Gewerbebau“, zeigt Architekt Daniel Bammer die Vorteile von Holz auf. Dieses Stoffsegment besticht durch eine Vielzahl an Innovationen. „Wenn wir einen Blick auf die Holzwerkstoffe werfen, sind besonders die OSB-Platten (zusammengepresste gerichtete Flachspäne) und SIPs (Holzwerkstoffe mit Dämmstoffen) zu erwähnen.“ Ziel bei allen Baustoffinnovationen ist es laut TU-Fachmann Bruckner, die Verarbeitbarkeit zu verbessern oder Materialkombinationen zu entwickeln, die die Nachteile des jeweils anderen Materials ausgleichen.
In der mineralischen Baustoffgruppe stechen Bruckner zufolge die Hochleistungsbetone hervor, die sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau eingesetzt werden können. Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch in der Fassadenverkleidung eine große Rolle. „In diesem Bereich wird sehr viel geforscht. Wir arbeiten an intelligenten Fassaden. Heutzutage ist die Fassade das Gehirn einer auf Energieeffizienz ausgerichteten Immobilie. Sie regelt Lichteinfall und Lüftung, den Sonnenschutz ebenso wie den Einfluss von Kälte und Wärme. Mit herkömmlichen Methoden finden wir nicht das Auslangen. Die Innovation bei Fassaden liegt in der Legierung. Es gibt bereits eine ganze Reihe von neuen Produkten, z.B. Synthesekautschuk.“ Eng verbunden mit dem Thema Nachhaltigkeit ist der Begriff Lebenszyklus. „Dieser Bereich wird nicht nur wegen Kioto immer wichtiger“, betont Erwin Schwarzmüller, Projektmanager beim Bau.Energie.Umwelt.Cluster. „Wir brauchen Kostenwahrheit für die gesamte Nutzungsdauer. Was nützt eine günstige Anschaffung, wenn am Ende des Produktlebenszyklus sehr hohe Entsorgungskosten und andere versteckte Kosten anfallen.“
Erfolgszweig Dämmung
Einen wesentlichen Faktor von Nachhaltigkeit bildet die Energieeffizienz, ebenso die CO2-Einsparung. „Es gibt die Vision vom CO2-neutralen Haus. Österreichweit haben wir einen Jahresüberschuss von 500.000 Tonnen Stroh. Statt dieses zu verbrennen oder zu verstoffwechseln, ist es sinnvoll, Stroh als CO2-Speicher zu nutzen. Seit heuer ist Stroh als Baustoff zertifiziert. Das ist eine Voraussetzung für die Nutzung von Folgeprojekten, z.B. der Fertigteilherstellung“, erklärt Erwin Schwarzmüller. Energieeffizienz hängt vor allem mit der Dämmung von Gebäuden zusammen.
In der Dämmung liegt der wichtigste Zukunftsmarkt im Bauwesen, erste Schritte sind bereits gesetzt. Mit welchen innovativen Baustoffen kann ich nun den Wärmeaustritt aus meinem Gebäude verringern? Im letzten Bau & Immobilien Report haben wir im Artikel „Grüne Häuser“ bereits zahlreiche innovative Dämmstoffe wie Holzwolle, Schilf, Hanf, Blähton oder Zellulose vorgestellt. Daneben präsentieren sich noch viele andere Materialien am Markt. Hier einige Beispiele.
Glasschaum-Granulat
Das Kremser Unternehmen TECHNOpor hat ein Glasschaum-Granulat entwickelt, das zu 100 Prozent aus bislang kaum wiederverwertbarem Altglas hergestellt wird. Armin W. Rainer spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem Upcyclingprodukt, welches neben der CE-Kennzeichnung auch nach ISO 14001, 9001 zertifiziert ist und die Umweltproduktdeklaration nach ISO 14025 besitzt. Die häufigste Anwendung findet das Granulat als Leichtstoffschüttung unter der Bodenplatte.
Vor allem für Passiv- und Niedrigenergiehäuser ist die Dämmung unter dem Fundament essenziell. Das Granulat wird auch bei der seitlichen Dämmung von Kellerwänden, Zwischendecken und bei der Altbausanierung eingesetzt, ebenso im gewerblichen Bereich, wie bei Kindergärten oder Industriehallen. Der Einbau ist im Vergleich zu herkömmlichen Bodenaufbauten einfacher und schneller, das TECHNOpor-Werkservice bietet professionelle Unterstützung vor Ort. Schaumglas ist hoch lastabtragend und wird erfolgreich im Hochbau, z.B. im mehrgeschoßigen Wohnbau, bei Industriehallen und Biogasanlagen eingesetzt. Das Material ist sehr leicht (170 kg/m³). Zum Vergleich: Schotter ist 20-mal so schwer. Auch im Tiefbau (Straßenbau) wurden zahlreiche Projekte erfolgreich abgeschlossen. Das Granulat ist dämmend, frostsicher, formstabil, resistent gegen chemische Einflüsse sowie gegen Insekten- und Nagetierfraß und stellt eine interessante wirtschaftliche Alternative dar. Denn: Die Erstellungskosten sinken um etwa zehn bis 15 Prozent.
Dämmbeton
Ebenfalls von dem Kremser Unternehmen stammt der Dämmbeton TECHNOlith, ein Baustoff, der durch einfache Verarbeitung sowie monolithische Bauweise eine kurze Bauzeit garantiert. Der Haupteinsatzbereich liegt bei der Außenhülle, dank seiner Frostresistenz und Wasserdichte kann er aber auch für Kellerbauten verwendet werden. Seine guten Dämmeigenschaften ermöglichen weiters den Einsatz als Flachdach, für Balkonplatten und im Elementbau.
Dämmgranulat
Neopor ist ein aufschäumbares Kunststoffgranulat (BASF) zur Herstellung von Wärmedämmplatten für Wände und Dächer. Das Granulat enthält ein spezielles Grafit, das wie ein Spiegel die Wärmestrahlung reflektiert und so den Wärmeverlust im Haus verhindert.
AluFusion
Im Glassektor dominiert in Bezug auf Bauen vor allem Solar und Photovoltaik. Eine Neuheit ist in der Kombination von Glas und Aluminium zu sehen – AluFusion. Fenster und Türen weisen eine sehr hohe Stabilität auf, große Fensterflächen können realisiert werden. AluFusion bietet höchste Wärmedämmung sowie einen exzellenten Schallschutz und die hohe Einbruchwiderstandsklasse.
Ökobeton
Slagstar der Wopfinger Baustoffindustrie ist schließlich ein neues Bindemittel, das wie herkömmlicher Zement für die Betonproduktion verwendet werden kann. Es erhielt als erstes Bindemittel überhaupt das IBO-Gütezeichen des Instituts für Baubiologie- und Bauökologie. Slagstar ist EU-geprüft, der Ökobeton verfügt über die Europäische Technische Zulassung.
Dank der Nachfrage und der Änderung des Umweltbewusstseins finden sich heute viele innovative Baustoffe am Markt. Auch längst vergessene Baustoffe, wie z.B. Lehm, erleben eine Renaissance. Lehm ist eines der ältesten Baumaterialien und fand schon bei frühgeschichtlichen Siedlungen Verwendung. Aus diesem natürlichen Grundstoff entstand ein „moderner“ Baustoff. Lehm wird sowohl in der Althaussanierung wie auch bei Neubauten als Innenputz verwendet. Seine Vorteile liegen im geringen Energieaufwand bei der Erzeugung, er ist zu 100 Prozent recyclebar, und er reguliert die Luftfeuchtigkeit. In Verbindung mit anderen pflanzlichen Materialien wirkt er konservierend. Auf die größte Gruppe im Bauwesen darf jedoch nicht vergessen werden: auf die traditionellen Baustoffe, wie Mauerwerk, Aluminium, Beton und Glas, die nach wie vor mengenmäßig dominant sind. Bei verantwortungsvoller Verwendung bzw. Kombination mit Innovationen am Baustoffmarkt lässt sich auch mit ihnen rasch, einfach und nachhaltig bauen – und funktional, gesund, behaglich und bequem wohnen.
> Durchschnittliche Nutzungsdauer von Gebäuden:
- 20 bis 30 Jahre Holzbaracken, Holzschuppen und Gebäude in leichter Bauweise
- 30 bis 40 Jahre Holzhallen, Lagerschuppen, einfache Garagen
- 40 bis 60 Jahre Betriebsgebäude, landwirtschaftliche Lagerhäuser, Scheunen, Holzhäuser
- 80 Jahre Wohnhäuser in leichter, massiver Bauweise, wie Siedlungshäuser, Werkstätten, Kaufhäuser
- 100 Jahre Städtische Wohnhäuser, Stahlbetonskelettbauten, Wohn-, Büro- und Geschäftshäuser
- 125 bis 150 Jahre Wohnhäuser in sehr guter Ausführung, Verwaltungsgebäude
- 150 bis 200 Jahre Wohnhäuser in bester Ausführung wie Gutsgebäude, Kirchen
- 300 Jahre und mehr Schlösser, Kirchen, Monumentalbauten