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Sollbruchstellen

Seit einem Jahr ist der Energieausweis in Kraft. Die Umsetzung und die Ausnahmeregelungen über neun Bauordnungen seien problematisch, meint die Immobilienwirtschaft.

Seit einem Jahr muss der Energieausweis bei Verkauf oder Vermietung von Wohnungen und Gebäuden vorgelegt werden und soll den Nutzern Energiekennzahlen transparent machen. Grundlage für den Energieausweis ist die EU-Gebäuderichtlinie, die die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden regelt und mittelfristig die Energieeinsparungen in diesem Bereich bis zum Jahr 2012 auf 22 % erhöhen soll. Ende November hat die EU-Kommission allerdings schon eine Novellierung der Richtlinie beschlossen, wonach bis 2020 alle Gebäude »nahezu energieautark« sein sollen. Diese Verschärfung bedeutet auch eine Neuauflage des Energieausweises.
Dabei hat schon die jetzige Variante lange gebraucht, bis sie in Österreich in die Gänge gekommen ist. Zumindest hat die Vorgabe aus Brüssel eines in Österreich bewirkt: die Vereinheitlichung der technischen Bauvorschriften der neun Bundesländer. Denn sonst hätte es bei der Berechnung der energetischen Mindestanforderungen und der im Energieausweis ausgewiesenen Kennzahlen neun unterschiedliche Ansätze gegeben. Zwar ist der Bund für den Energieausweis, der bei Verkauf oder Vermietung von Gebäuden und Wohnungen erstellt werden muss, zuständig, im entsprechenden Energieausweis-Vorlagegesetz (EAVG) überlässt er aber die Bestimmungen und die Inhalte des Ausweises den Bundesländern und ihren Bauordnungen.
»Trotz großer Anstrengungen ist es wieder einmal nicht gelungen, die negativen Folgen dieses Föderalismus in den Griff zu kriegen«, kritisiert Anton Holzapfel, der Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilientreuhänder (ÖVI). Vielmehr hätte sich die Umsetzung der Gebäuderichtlinie in den Bundesländern und vor allem die Schnittstelle zum Zivilrecht und zum EAVG als »Sollbruchstelle« erwiesen: Während für Baumaßnahmen die Bauordnungen der Länder zuständig sind, ist es bei Verkauf oder Vermietung, also in zivilrechtlichen Angelegenheiten, der Bund über das EAVG. Und das passe nicht zusammen, meint Holzapfel.

Schnittstellenproblem
Problematisch wird es, so der ÖVI-Geschäftsführer, bei den zahlreichen Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erstellung eines Energieausweises. Die von der EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten eingeräumte Möglichkeit, für bestimmte Gebäudekategorien von einer Verpflichtung zum Energieausweis Abstand zu nehmen, sei in Österreich nämlich nicht, wie ursprünglich geplant, im Rahmen des EAVG erfolgt, sondern über die baurechtlichen Bestimmungen. Nicht berührt von den Bauvorschriften ist aber der Bestand.
Das wird dann interessant, wenn es um den Verkauf oder die Vermietung geht. Bei der Beurteilung der Frage, welche Gebäude in diesem Fall einen Energieausweis brauchen, sei es nämlich dann nicht entscheidend, ob und welche baulichen Maßnahmen gesetzt wurden, sondern für welche Gebäudekategorien Ausnahmen in den baurechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes vorgesehen seien, so Holzapfel. Beispielsweise bedeute die niederösterreichische Bauordnungsbestimmung, wonach ein Energieausweis bei umfassender Sanierung von Gebäuden über 1.000 m2 Nutzfläche notwendig wird, im Umkehrschluss, dass sämtliche Gebäude mit weniger Nutzfläche vom Energieausweis befreit seien, so Holzapfel.
Besonders krass hat das Bundesland Wien die Möglichkeit ausgeschöpft, über die rechtlichen Bauvorschriften Ausnahmebestimmungen festzulegen. In der Bundeshauptstadt sind nämlich sämtliche in einer Schutzzone befindlichen Gebäude von der Verpflichtung zum Energieausweis ausgenommen.

Pauschale Ausnahme
Problematisch sei auch, meint der ÖVI, dass die in der EU-Richtlinie und auch in der OIB-Richtlinie verankerte Einschränkung der Ausnahmebestimmung für historische Gebäude nur teilweise umgesetzt worden sei. Demnach würde eine Ausnahme nur dann vorliegen, wenn die Einhaltung der Anforderungen eine unannehmbare Veränderung der Eigenart der Schutzzone bedeutet. Die Wiener Bauordnung sieht eine solche Einschränkung nicht vor. Und das, so der Verband der Immobilientreuhänder, könnte im Extremfall dazu führen, dass ein Plattenbau aus den 60er-Jahren, der in einer Schutzzone liegt, ebenso von der Energieausweispflicht befreit sein könnte wie ein historisches Gebäude. Wie ein Sprecher von Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bestätigt, hält die Techniknovelle aus dem Jahr 2008 fest, dass bei einem Gebäude in der Schutzzone, das umgebaut wird, lediglich der Wärmedurchgangswert (U-Wert) einzuhalten sei. Daher sei in der Wiener Innenstadt kein Energieausweis nötig, auch wenn ein vor dem Jahr 2008 errichtetes Haus verkauft oder umgebaut wird. Solche pauschalen Ausnahmeregelungen seien Unsinn, meint Winfried Kallinger, Vertreter der gewerblichen Bauträger in der Wirtschaftskammer. Und auch ÖVI-Geschäftsführer Holzapfel verlangt eine Loslösung der Ausnahmeregelungen aus den Bauordnungen, wenn sie nicht Baumaßnahmen, sondern nur Verkauf oder Vermietung betreffen. Vielmehr sollten sich Ausnahmen von der Verpflichtung zur Vorlage eines Energieausweises ausschließlich nach der EU-Gebäuderichtlinie richten, in der solche bereits definiert sind, verlangt Holzapfel.

Kennzahl verbessern
»Nichts Neues« seien die ersten Erfahrungen mit dem Gebäudeausweis für die gewerblichen Bauträger, berichtet Vertreter Kallinger. Energienachweise hätten immer schon erbracht werden müssen. Als Marketingtool für die Wohnbauwirtschaft habe sich der Energieausweis jedenfalls erwiesen, so Kallinger. Käufer und Mieter von Wohnungen würden ihn verlangen. Verbesserungsbedarf sieht der Bauunternehmer allerdings beim Standard des Energieausweises: Statt des reinen Heizwärmebedarfs sollte der Gesamtenergiebedarf, inklusive Kühlung und anderer Haustechnik, als Kennzahl herangezogen werden, so Kallinger.
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