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Wunderwaffe Öko-Biz

Die Ampeln für das Öko-Business stehen weltweit eigentlich auf Grün. Aber nur eigentlich, denn die Politik tut sich mit langfristigen Entscheidungen schwer. Warum der Teufel im Detail steckt, wo Bruchlinien sind und wie sich die Lobbys bekriegen.

Man muss schon Fatalist oder Zyniker sein, um die Schreckensmeldungen des Sommers zu ignorieren. Diese waren im Dutzend billiger. Glaubt man den Wissenschaftlern, schmelzen etwa die Grönlandgletscher dank selbstverstärkender Klimamechanismen noch deutlich schneller, als der UNO-Klimarat IPCC bisher prognostiziert hatte. Das lockte selbst Ban Ki Moon aus der Reserve. »Wir rasen mit dem Bleifuß auf den Abgrund zu«, warnte der sonst eher emotionslose und wortkarge UN-Generalsekretär beim Besuch einer norwegischen Forschungsstation.

»Land unter« hat dramatische ökonomische und politische Verwerfungen zur Folge – und ist doch nur eine der zahlreichen Ökobaustellen. Dass Erdöl knapp wird, dürfte bereits im Bewusstsein breiterer Bevölkerungsschichten verankert sein. Dass man Börsenkurse nicht trinken und Dollarbündel nicht essen kann, ist eine harte Lektion, die schnell zu lernen sein wird. Schon heute ist »Wasserkrise« mehr als ein neues Katastrophenschlagwort. Der Führung in Peking dämmert es bereits, was Wasserknappheit für 1,3 Milliarden Chinesen bedeuten wird – und beginnt wenigstens, zaghaft gegenzusteuern. Der Druck auf die Erträge aus der Landwirtschaft ist wiederum nicht nur durch Bodenerosion und Desertifikation bedroht. Hier steht – von der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbemerkt – die nächste Krise ins Haus. Die Phosphatlagerstätten gehen schnell zur Neige. Weil Öl als Basis für Düngemittel ebenfalls knapp und teuer wird, stellt sich die Frage, wie sich die Menschheit ohne ausreichend Dünger ernähren wird. Die Ozeane – Hauptproteinquelle für gut eine Milliarde Menschen – scheinen ohnehin auszufallen. Mit blanker Gier und ohne jede Vernunft werden die Meere derartig schnell und gründlich im industriellen Maßstab leergefegt, dass die Wissenschaftler mit ihren Prognosen nicht mehr nachkommen. Die jüngste: Werden die Ressourcen nicht schleunigst nachhaltig bewirtschaftet, sind die Ozeane schon 2030 leblose Wasserwüsten. Thunfisch, Makrele und Co – bald ein Fall für die Geschichtsbücher?

Prinzip Hoffnung
Selbst wenn einige dieser Szenarien durch Glück oder unverhoffte Wendungen entschärft werden können, der Handlungsbedarf ist dringend. Dass der sich abzeichnende Wettlauf um die verbliebenen Ressourcen auf längere Sicht friedlich über die Bühne gehen könnte, glaubt wahrscheinlich nicht einmal das Christkind. Beim Run auf die Rohstoffe liefern sich die Großmächte in Zentralasien, Afrika oder dem Nahen Osten ohnehin bereits ein wenig subtiles Match mit vielen versteckten Fouls. Dass beim Abstecken der Claims auch blanke Gewalt ein Mittel der Wahl ist, hat der Irakkrieg sattsam gezeigt. Dass die EU ein Hort des Friedens sein wird, sollte man sich vielleicht auch abschminken. Eine jüngst erschienene Studie des offiziellen EU-Thinktanks ISS zum Thema »Europäische Sicherheitspolitik 2020« kommt zu erstaunlichen Schlussfolgerungen. In einer »symbiotischen Beziehung mit transnationalen Konzernen« seien die »funktionellen Ströme« der »hierarchischen Klassengesellschaft« abzusichern und – falls notwendig – die »global Reichen von den Armen« abzuriegeln. Im Kampf um Ressourcen seien Russland, sofern es nur offen Widerstand gegen die Globalisierung und deren »Ströme« leiste, »Kapazitäten für harte Machtausübung« entgegenzusetzen. Worte wie aus einem anderen Jahrhundert oder von einem anderen Stern.

Klingt eher nach Konfrontation als nach Kooperation. Aber wer sollte angesichts der vorhandenen militärischen Kapazitäten dabei »Gewinner« sein? Lösungen sehen anders aus. Eher schon so, wie es Umweltminister Niki Berlakovich in seinem Impulsreferat im sommerlichen »Forum Alpbach« skizziert hat. »Ich halte Globalisierung nicht per se für das Problem. Die Frage ist, wie wir mit ihr umgehen und welchen Regeln wir sie unterwerfen«, so der Minister. Zwar müsse man alles daran setzen, das Wirtschaftssystem insgesamt weiterzuentwickeln. Ein uneingeschränktes materielles Wachstum in einer Welt endlicher Ressourcen sei auf Dauer nicht machbar. Klar sei aber, dass globale Fragen wie etwa beim Klimaschutz auch globale Antworten bräuchten. Das klingt grundvernünftig und Berlakovich nennt auch die Hebel, mit denen sich die Probleme stemmen lassen könnten. Hier kommt die Ökonomie ins Spiel. Die Beseitigung von Umweltschäden – die Versicherer singen seit bald einem Jahrzehnt ein Lied davon – kostet Unsummen. Gleichzeitig bieten moderne Technologien das Potenzial, sich im globalen Wettbewerb zu positionieren. »Green Jobs« sind das Wundermittel, das nicht nur Berlakovich predigt. Es ist fast schon ein Schlachtruf, den auch Obama, Merkel oder die Industrie auf den Lippen führen.

Mühen der heimischen Ebene
Aber auch Zentrifugalkräfte, die den Status quo am liebsten endlos fortschreiben wollen, sind stark. Nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch im Mikrokosmos Österreich. Der Manager Claus Raidl fragte sich in einem Sommerinterview nachdenklich, in »welcher Welt wir eigentlich leben«. Franz Fischler – als so etwas wie ein »Elder Statesman« genießt der Ex-EU-Kommissar scheinbar schon Narrenfreiheit – kanzelte den Umgang mit Wirtschafts- und Ökokrise gar als »geistiges Blech« ab. Starke, prinzipiell nicht falsche Worte, die aber nur teilweise zutreffen. Dass Österreich einen flexiblen Energiemix braucht, der auch auf erneuerbare Energien nicht verzichten kann, ist etwa ein Statement von VEÖ-Generalsekretärin Barbara Schmidt. Alles ist »sehr kompliziert«, wie schon Fred Sinowatz festgestellt hat. Erst Anfang Juni wurde das Kraftwerk Timelkam fertiggestellt. Eines der weltweit modernsten und umweltschonendsten seiner Art – wie übrigens auch die Anlagen in Mellach oder Wien. Statt auf solchen Erfahrungen aufzubauen und in volkswirtschaftlich klingende Export-Münze zu verwandeln, gibt es Zoff: Länderinteressen gegen Bund, Öko gegen Vernunft, Industrie gegen Öko, Konzern gegen Konzern. Und Mediatoren oder endlose Genehmigungsverfahren dazwischen, selbst für sinnvolle Projekte. Für den Kampf um Einzelinteressen dürften auch Schamgrenzen bisweilen nur virtuell sein. Folgt man den – meist anonymen – Ausführungen der Lobbyisten (siehe Kasten), wird mit allen Mitteln gekämpft. Da werden schon alte und überwuzelte Studien, Drohungen, Klagen, Diffamierungen oder Wunschträume in die mediale »Wirklichkeit« projiziert. Die Lobbyisten selbst pendeln zwischen beseelt und getrieben. Nicht selten macht sich auch schon Unbehagen breit.

Quer über Partei- oder Interessenlagen hinweg wird dann das persönliche eigene psychologische Leid beklagt. Aber das lieber »off records« und anonym. Traditionell große Wirtschaftsfreunde äußern dann starke Sympathien für »Grün«, umgekehrt äußern »grüne Branchenvertreter« auch Verständnis für Anliegen der Wirtschaft oder wollen die wirtschaftliche Entwicklung sogar schneller vorantreiben, als manchen Betonköpfen lieb ist. Bleibt nur zu hoffen, dass die ökonomische Vernunft tatsächlich über Partikularinteressen siegt.

 

Politik: kurzsichtig und von »Lobbys paniert«
Abseits wohl balancierter Presseaussendungen geht es manchmal ein bisschen rauer zu. IWO-Geschäftsführer Martin Reichhard ortet etwa bei der Öko-Förderung ein »komplettes Versagen der Politik«. Und hat dafür auch gleich eine Begründung parat: »Die Maßnahmen hängen nur davon ab, wer von der besseren Lobby paniert wird.« VEÖ-Sprecher Ernst Brandstetter warnt vor Übereifer: »Man muss aufpassen, dass sich die Ministerien nicht zu willfährigen Dienern der NGOs machen.« Meistens klappen die Lobbyisten das offene Visier jedoch lieber zu. »Wenn wir gegen längst widerlegte Studien antreten, die immer aus dem Hut gezaubert werden, hagelt es manchmal Klagen«, beschwert sich ein Lobbyist ausgerechnet über die Kollegen. Über Kurzsichtigkeit wiederum beklagt sich ein staatstragender Sozialpartner unter der Hand. Schnell und »fast schon vorausschauend« sei das Krisenmanagement der Regierung bei den Banken gewesen. Bei der langfristigen Klimapolitik hätte die Politik jedoch »mehr Schwierigkeiten«. Auch die viel bejubelte Thermo-Sanierung findet nicht nur Zuspruch. Ein Insider ortet etwa »ein Leck bei der Realisierung von Effizienzmaßnahmen«.

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