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Die rote Generalin

von Angela Heissenberger

Als der damalige profil-Journalist Paul Yvon 1988 die kleine, unscheinbare Frau in seiner Lehrveranstaltung am Wiener Publizistikinstitut großspurig als »eine der künftigen Finanzminister österreichs« vorstellte, äußerte sich die Mehrzahl der Studierenden skeptisch. Brigitte Ederer, studierte Volkswirtin und Arbeiterkämmerin, mochte ja fachlich durchaus kompetent sein, doch ihr hemdsärmeliges Auftreten - vor allem der ungeschliffene Wiener Dialekt - schien so gar nicht in ein Ministerium zu passen. Nun, da sogar im Justizministerium kerniges Kärntnerisch salonfähig ist, hat sich das einstmals graue Mäuschen nach einer erfolgreichen politischen Karriere längst in die Privatwirtschaft verabschiedet. Zur Finanzministerin hatte es bis zu ihrem Wechsel (noch) nicht gereicht. Sie wolle nicht wie Exbundeskanzler Viktor Klima für einen adäquaten Job bis Argentinien gehen müssen, ließ sie 2001 verlauten und nahm das beste Angebot, das sie kriegen konnte: einen Vorstandsposten bei Siemens österreich. Nun steht der nächste Karrieresprung an. Im Dezember tritt die quirlige 49-Jährige, die in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs, die Nachfolge ihres Chefs Albert Hochleitner an und avanciert damit zur ersten Generaldirektorin in der 126-jährigen Geschichte des Elektromultis in österreich.

Unbedankt
Längst spricht sie Hochdeutsch, ihr Auftreten ist souverän und professionell. Das politische Handwerk, von der Pike auf gelernt, hat deutliche Spuren hinterlassen. Der breiten öffentlichkeit bekannt wurde sie vor allem durch die Ochsentour, die sie als Staatssekretärin im Bundeskanzleramt im Vorfeld des EU-Beitritts 1994 durch ganz österreich absolvierte. In unzähligen Kontakten mit der Bevölkerung versuchte sie, die Vorbehalte der österreicherinnen und österreicher gegen eine Mitgliedschaft zu zerstreuen. Legendär ihr damaliges Versprechen, jeder Haushalt würde sich wegen der geringeren Preise nach dem Beitritt 1000 Schilling ersparen - wenn man sich nur von Schlagobers ernährt, dann möglicherweise ja, ätzten seinerzeit Kritiker. Brigitte Ederer nahm es nicht persönlich.
Schon mehr verletzte sie, dass sie, die an den erfolgreichen Verhandlungen mit der EU wesentlich beteiligt gewesen war, nicht ihre Unterschrift unter das Beitrittsdokument setzen durfte. Angesichts der Vielzahl männlicher Wichtigtuer kapitulierte sie und ließ die anderen die Lorbeeren ernten, wohl im Wissen, dass die eigentliche Knochenarbeit die einzige Frau im Team erledigt hatte. Außenminister Alois Mock hatte sie bereits zuvor wie ein braves Schulmädchen abqualifiziert, indem er ihr bei der Jubelpressekonferenz nach Abschluss der Verhandlungen vor laufenden Kameras einen Kuss auf die Wange drückte. Derlei Demütigungen würden der heutigen Managerin nicht mehr passieren. Sie gilt als beinharte Verhandlerin und geschickte Strategin - dass der VA-Tech-Deal doch noch klappte, ist letztlich auch Ederers Verdienst. Kein Wunder, dass Bürgermeister Michael Häupl seiner früheren Weggefährtin aus jungen SJ-Tagen nach vier Jahren als Wiener Finanzstadträtin eine Träne nachweinte. Denn bei aller Professionalisierung hat sich Ederer, Tochter einer alleinerziehenden Arbeiterin, ihre Bodenständigkeit (Lieblingsspeise: Krautfleisch) bewahrt. »Die Gitti«, wie sie Freunde nennen, ist auch im beruflichen Umfeld stets freundlich, offen und erfrischend unbürokratisch. Sie kann gut mit Menschen, das spürt man. Ihre Führungsqualitäten beweist die ehemalige SPö-Bundesgeschäftsführerin auch durch eine gesunde Portion Feminismus: Frauenförderung ist bei Siemens Teil des Managementkonzepts, seit Brigitte Ederer in der Vorstandsetage Einzug gehalten hat.

Schwere Zeiten
Trotz der Rosen, die ihr gleich nach Bekanntgabe der überraschenden Personalentscheidung gestreut wurden, dürfte es für die designierte Vorstandsvorsitzende nicht leicht werden. Das Gerücht, sie habe ihre langjährige Lebensgemeinschaft mit dem EU-Abgeordneten Hannes Swoboda aus Gefälligkeit zu den konservativen CSU-Kreisen rund um die Münchner Konzernzentrale erst kürzlich »legalisiert«, könnte schon ein kleiner Vorgeschmack sein. Als Frau und ehemalige Politikerin ist Ederer ein doppelter Tabubruch. Trotzdem ist sie nach wie vor als Vorsitzende der SPö-Bezirksorganisation Leopoldstadt, wo sie mit ihrem nunmehr rechtmäßig angetrauten Mann eine moderne Dachgeschoßwohnung teilt, politisch aktiv. Insider spekulieren bereits über die Vorhaben der »Erlanger Mafia«, nach dem Abgang von Hochleitner nun leichter Personalkürzungen vornehmen zu können. Der Sitz der Verkehrs- und Energietechniksparte in Mittelfranken gilt als heimliches Machtzentrum von Siemens. Sollte etwa die Herstellung von Generatoren aus österreich abgezogen werden, würde die Wiener Niederlassung - immerhin der größte private industrielle Arbeitgeber - zu einem schlichten Handelshaus degradiert.

Riesenkonzern
Wer Brigitte Ederer kennt, weiß, dass diese Suppe noch lange nicht gegessen ist. Als strikte Gegnerin der Hire-and-Fire-Mentalität wird sie jeden Arbeitsplatz mit Zähnen und Klauen verteidigen. Zudem bringt die übernahme der VA Technologie AG die österreich-Tochter der Siemens AG in eine strategisch deutlich bessere Position.
Gemeinsam mit der VA Tech schafft Siemens österreich den Sprung auf Platz zwei hinter der OMV. Der Industrie- und Technologiekomplex - lediglich die Wasserkraftsparte wird vermutlich kartellrechtlichen Einwänden zum Opfer fallen - erzielt mit rund 30.000 Mitarbeitern jährlich mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz. Von Wien aus wird auch das Geschäft in sieben Oststaaten gesteuert: Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro, Bulgarien sowie Rumänien. Brigitte Ederer mag keine Technikerin sein, gänzlich unbeleckt von der Materie ist sie nicht. Während der letzten vier Jahre dürfte sie sich so intensiv wie kaum jemand in die Geheimnisse des Konzerns eingearbeitet haben, zeichnete sie doch im Vorstand zuletzt für nicht weniger als sieben zentrale Geschäftsbereiche, darunter die Industrietechnik und der Medizinsektor, verantwortlich. Die Latte, an der sie gemessen wird, liegt hoch: In den letzten fünf Jahren schnitt Siemens österreich konzernintern als erfolgreichste Tochtergesellschaft ab. Bei einem Umsatz von knapp vier Milliarden Euro im Jahr 2004 stieg der Gewinn vor Steuern um beachtliche 15,2 Prozent auf 330,5 Millionen Euro. Zur Unterstützung kehrt einer aus Deutschland zurück, der selbst als Nachfolger Hochleitners im Gespräch war: Alfred ötsch, bis 2001 Finanzchef von Siemens österreich und zuletzt in Nürnberg Bereichsvorstand der Sparte Automation & Drives.

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