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Run auf die Couch-Potatoes

Das Fernsehen war zweifellos der Medienrenner der letzten Jahrhunderthälfte. Es konnte in seinen Anfangstagen nicht vom Wiener Literaten Hans Weigel gestoppt werden, der »diese Errungenschaft als Schattenseite von Kino und Radio« abkanzelte. Später auch nicht von der Frankfurter Schule, die das Medium in bester 68er-Manier als geniales Instrument des Massenbetrugs und der Volkskontrolle geißelte. Nicht von Pädagogen, die das Fernsehen als Erziehungssurrogat und als Nachwuchsvertrottelungsmaschine sehen. Selbst die Werbewirtschaft mit ihrem Hang zu harten Fakten hat irgendwie kapituliert. Die Fernsehwerbung für Lifestyle und teure Markenprodukte landet immer seltener dort, wo die Zielgruppe wirklich anzutreffen ist. Das Publikum der aktuellen Trashorgien - öffentlich-Rechtliche und Private nehmen sich hier nicht mehr viel vor - rekrutiert sich zunehmend aus mentalen oder tatsächlichen Rentnern, Liberalisierungsverlierern und Arbeitslosen. Eine Klientel, die vom Kaufverhalten und von der Kaufkraft her gesehen diametral den Werbeinteressen widerspricht. Irgendwie spürt das auch der ORF und seine privaten Konkurrenten, das bewährte Rezept ist aber »more of the same«. Jeder Viertelbegabte, der sein Gesicht ein paar Mal in die Kamera hält, wird postwendend und penetrant zum »Superstar« erklärt. Aber das Imperium, das aus sich selbst heraus endlos Stars und Business generiert, wankt. Medientheoretiker Peter Weibel postuliert, dass das Fernsehen in naher Zukunft als Medium der Looser stigmatisiert sein wird. Eine Einschätzung, die heute schon greift. Bei den Jugendlichen ist Fernsehen uncool und gerät als liebste Freizeitbeschäftigung gegenüber dem Internet bereits ins Hintertreffen.

Wie die TV-Medienlandschaft aussehen wird, wenn die heutigen Kids erwachsen sind, ist noch nicht ganz ausgemacht. Sicher ist nur: Die Karten im Fernsehbusiness werden gleich an mehreren Fronten neu gemischt. Die klassischen TV-Anstalten, Provider, der Softwareriese Microsoft und die internationale Medienindustrie rittern um die Kontrolle von übertragungswegen, Abspielformaten, Kompressionsstandards, Mediaplayern, Rechtekontrollsystemen und des Content. Ziel ist der möglichst direkte und umfassendste Zugang zum Couch-Potatoe, der sein Geld künftig via Medienzentrale im Wohnzimmer sprudeln lassen soll. Gewürzt wird dieser Cocktail durch eine enorme Beschleunigung der technischen Möglichkeiten. Europa hinkt beispielsweise bei der Verbreitung von Digital-TV gegenüber den USA zwar noch kräftig nach. Der Marktforscher Informa geht jedoch davon aus, dass auch in Euro-Land die Umstellung innerhalb der nächsten zehn Jahre weitgehend abgeschlossen sein wird. Noch wesentlich rasanter läuft die Entwicklung bei den Internetzugängen ab.

Das »alte« ADSL tümpelte über Jahre bei Standardübertragungsraten von 512 oder 768 Kbit herum, die Bandbreite ist jedoch gerade dabei, förmlich zu explodieren. Im Herbst wird die Telekom Austria mit ADSL2 und acht Mbit antreten, der Provider Inode steckt gerade mehrere Millionen Euro in den Ausbau der Wählämter und startet gleich mit zwölf Mbit, die vorerst um 69 Euro monatlich wohlfeil sind. Das Ende der Fahnenstange ist damit aber noch lange nicht erreicht. ADSL2 wird im Endausbau auf Kapazität der in der Vergangenheit schon tot gesagten Kupferleitung auf rund 25 Mbit pushen. Für den Platzhirschen Telekom ist das Erblühen von ADSL ein Segen. Die Neuinvestitionen halten sich im überschaubaren Rahmen, die Leitungen selbst sind bald seit Menschengedenken abgeschrieben. Aber auch die Mobilfunker schlafen nicht. Die bestehenden 3G-Anlagen können durch effizientere Modulationsverfahren noch bis rund 14 Mbit aufgebohrt werden, die bereits aus der Standardisierungstaufe gehobene Nachfolgegeneration Super3G soll gar bis zu 100 Mbit durch den äther jagen.

Krieg der Triple-Player. Bei diesen Aussichten werden Power-User und Tauschbörsianer feuchte Augen bekommen, für die Provider stellt sich jedoch immer drängender die Frage, womit diese Bandbreiten gefüllt werden. Die Telekom steigt mit ihrem für den Herbst angekündigten ADSL2 daher auch gleich in den digitalen Fernseh- und Video-on-Demand-Markt ein. Die Infrastruktur für Wien soll noch heuer stehen, nächstes Jahr werden die Landeshauptstädte ausgebaut. »Wir steigen in den Fernsehmarkt ein, um Kundenabgang in der Sprachtelefonie abzufedern«, sagt Telekom-Vorstand Rudi Fischer. Die TA will sich damit als so genannter Triple-Player etablieren, der das Trio Telefonie, Internet und Fernsehen aus einer Hand anbietet. In Form der Kabelnetzbetreiber sind Triple-Player aber bereits ein alter Hut. »Wir spielen bereits als einziger Triple-Player. Alle anderen sitzen heute noch am Spielfeldrand«, kommentiert UPC-Chef Thomas Hintze den Markteinstieg der TA süffisant. Die Telekom sei als Mitbewerber jedoch ernst zu nehmen.

Die Internetprovider und Kabelbetreiber werden sich zukünftig nicht nur in österreich verstärkt in den Haaren liegen, schließlich wird mit ähnlichen Angeboten in der gleichen Kundenbasis gefischt. Eine gemähte Wiese wird der TV-Einstieg für die Telekom auch aus anderen Gründen nicht. Für den Genuss von aonDigital-TV via ADSL2 ist eine Set-Top-Box unverzichtbar. Abgesehen davon, dass die ersten Gerätschaften von Fujitsu-Siemens oder Samsung noch an kleineren Kinderkrankheiten laborieren, zuckt die Kundschaft in Deutschland und österreich beim Thema Set-Top-Box leicht zusammen. Die Akzeptanz von Pay-TV ist in beiden Ländern nicht gerade berauschend. Die größte Hürde ist für die Telekom aber wahrscheinlich beim Content zu nehmen. Wenn das Filmangebot abgelutschte Schinken wie »Vom Winde verweht« übersteigen soll, ist ein Canossagang nach Hollywood fällig. Studios wie Paramount, Warner, Disney oder Universal zeigen sich bei der Rechtevergabe für aktuelle Blockbuster jedoch zickig. »Ein Provider kann da mit einem Geldkoffer hinüberfahren und kommt mit einem Geldkoffer wieder zurück«, meint ein Insider lapidar.

Die Zurückhaltung Hollywoods hat mehrere Gründe. Einerseits schnurrt das bestehende Geschäft in den klassischen Vertriebswegen, andererseits sind die Studios über die strategische Nutzung des Internets bisweilen unschlüssig. Die Vermarktung ist von Vorfeldwerbung, Premierenstart, flächendeckender Kinobestückung, DVD-Vermarktung und Videothekenbestückung, Pay-TV-Vermarktung bis hin zu Merchandising feinstens ziseliert, und das auch noch zeitlich über verschiedene Regionen abgestimmt. Das Internet als zusätzlicher Vertriebskanal ist da beinahe schon so etwas wie ein ungewisser Störfaktor in der gut geölten Maschinerie. Dass die Studios ihre Kassenschlager preisgünstig abgeben, um das Geschäft der Provider zu pushen, ist kaum anzunehmen. Spricht man die Telekom auf den Stand der Verhandlungen an, erntet man Schweigen. MGM ist bereits im Boot, darüber hinaus heißt es: »Kein Kommentar.« Ziemlich mager bestückt sind auch noch die Provider in Deutschland, die als Onlinevideotheken bereits vorgeprescht sind. T-Online oder Acor haben filmisch nicht gerade das heißeste Angebot und hinken bei der Verfügbarkeit den klassischen Videotheken zumeist nach. Entsprechend zurückhaltend sind die Prognosen, die die Telekom zu ihrem jüngsten Baby aonDigital-TV machen will. Bei den Preisen und Umsatzerwartungen lässt man sich noch nicht in die Karten blicken, bis Jahresende sind vorerst rund 1000 User angepeilt. Zum Vergleich: Die Telekabel hält derzeit bei knapp einer halben Million Kunden.

Mediengallier und Global-Player. Ein bisschen wie Asterix darf sich der Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Engerwitzdorf fühlen. Mit dem Projekt »Buntes Fernsehen« trotzt er gegenüber der Allmacht Hollywoods. Hand in Hand mit der Telekom machen sich die Engerwitzdorfer ihr Fernsehen einfach selber. Die Idee hat Charme. Statt der amerikanischen Flagge, die in jedem Hollywoodschinken und US-Serienschwachsinn mit etwas Glück gut ein Dutzend Mal zu bewundern ist, flimmert bei den Mediengalliern Lokales über die Breitbandleitungen. Die selbst produzierten Beiträge ranken sich um Dorfnews oder auch Klatsch und Tratsch. Interaktives Fernsehen gewinnt damit eine völlig neue Bedeutung. Statt mit der Fernbedienung kostenpflichtig für irgendein bedeutungsloses Sternchen der Woche zu »voten«, werden die Engerwitzdorfer zu Produzenten, Kameraleuten, Videocuttern und Tonmeistern.

Global läuft der Trend jedoch in eine völlig andere Richtung. Via Digital Right Management (DRM) zücken die Medienkonzerne die ultimative Big-Brother-Keule. Hardwaremäßig sind die dafür notwendigen Chips bereits heute in den Consumer-PCs verbaut, auf der Softwareseite bastelt Microsoft an der nächsten Ausgabe seines Windows-Betriebssystems, dass DRM-fähig sein wird. Dass sich die Konzerne jeden konsumierten Video- und Soundschnipsel am liebsten in Echtzeit vergolden lassen wollen, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Kritiker stimmt nicht nur bedenklich, dass dann auch das private Nutzerprofil automatisch in Los Angeles oder Redmond landet. Via DRM ist auch die Kontrolle über alle verfügbaren Inhalte denkbar. Der eigene PC oder die Medienzentrale könnte nur Content oder Software abspielen, die den Westküstenamerikanern genehm sind. Das beginnt bei nichtzertifizierten alternativen Videocodecs und endet bei offenen Office-Formaten, die nicht in den Businessplan passen. Wie weit die drohende Entrechtung geht, zeigt sich bei digitalen Videorecordern. Einzelne Geräte weigern sich sogar, selbst produziertes Material zu vervielfältigen. Wie sich die Bindung der Inhalte an Codecs, Player oder Browser auswirken kann, erfahren bereits einige potenzielle User von aonTV. Wer einen alternativen Browser oder gar ein Betriebssystem verwendet, dass nicht aus dem Hause Microsoft stammt, guckt nicht auf, sondern durch die Röhre. Installieren sie den Internet Explorer, lässt einen die Telekom dann freundlich wissen.

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