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Mehr Angebot, weniger Nachfrage

Eine im Auftrag des Software-Anbieters Buhl Data Service von der Universität Siegen, dem Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik und der Fortbildungsakademie Medien durchgeführte Studie kommt zu überraschenden Ergebnissen: Die vermeintlichen Segnungen des digitalen Zeitalters werden vom Publikum weitgehend negiert und haben deutlich andere Auswirkungen als von der Industrie erwartet und erhofft. Die über 3.000 befragten Haushalte, die bereits mit digitalen Techniken im Wohnzimmer leben, schauen statt der durchschnittlichen 230 Minuten nur noch 130 Minuten in die Röhre. Was überraschend klingt, hat einen guten Grund: Das Publikum wird anspruchsvoller und schaut selektiver. Die neuen Medien bieten dem Zuschauer die Möglichkeit, immer und überall die gewünschten Inhalte abzurufen. Das starre Programmschema der TV-Anstalten mutet fast anachronistisch an.
Die Digitalisierung hat das Fernsehangebot in aller erster Linie in die Breite wachsen lassen. Klassisches Zapping, das bei einem überschaubaren Angebot von rund 30 Kanälen durchaus noch Sinn macht, gehört in vielen digitalen Haushalten der Vergangenheit an und ist bei mehreren Hundert Kanälen auch kein adäquates Mittel mehr, um gewünschte Inhalte zu finden. Demzufolge ortet die Studie eine stetig wachsende Nachfrage nach modernen Tools wie dem elektronischen Programmführer EPG, die für überblick sorgen sollen. Je mehr Sender verfügbar sind, um so mehr wird deren Rezeption gezielt geplant. Der Nutzer wandelt sich vom passiven Zuschauer zum aktiven \"Selector\", der bestimmt, welche Inhalte er wann, wo und wie konsumieren möchte.
Auf technische Showcases und Spielereien wie mobiles Fernsehen legen die Zuschauer laut Studie deutlich weniger Wert als von der Industrie erhofft. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vielmehr geeignete Features, die ermöglichen, das Programm auf den eigenen Tagesablauf abzustimmen - Stichwort Festplattenrekorder und Personalisierungsfunktion.

Vorbild Großbritannien
In der Pflicht sieht die Studie auch die deutschen Fernsehsender, die ihren Teil zum Durchbruch von Digitalfernsehen beitragen müssen. Das geschieht aber relativ zaghaft. Jan Heß, Projektleiter der Untersuchung, kritisiert den fehlenden Mut zu innovativen Formaten. Er verweist auf den britischen Fernsehmarkt, der traditionell innovationsfreudiger ist. \"Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden in Großbritannien viel besser ausgeschöpft als das bei uns der Fall ist“, sagt Heß. Interaktive Inhalte, die eigentliche Stärke der digitalen Zukunft, sind auf der Insel schon deutlich fortgeschrittener als auf dem Kontinent. Erste zaghaften Versuche ortet Heß beim öffentlich-rechtlichen ZDF. So konnte während der übertragung der Tour de France mittels MHP-Applikation die Streckenführung inklusive Fahrerortung zugeschaltet werden und aktuelle Nachrichten eingespielt werden.

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