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Suche nach Konvergenz

Von Gunnar Sohn

Der britische Telekomkonzern BT präsentierte in London sein erstes Konvergenztelefon, das Festnetz und Mobilfunk kombiniert, für den englischen Markt. Das Projekt, dass bisher den Codenamen \"Bluephone\" hatte, kommt nun mit der offiziellen Bezeichnung \"BT Fusion\" auf den Markt. Möglich gemacht wird die neue Technologie durch die Installation des sogenannten \"BT Hub\" in der Wohnung. Der \"BT Hub\" benutzt die drahtlose Bluetooth-Technologie, die das \"BT Fusion\"-Endgerät im Haus als Festnetzgerät funktionieren lässt. Außerhalb der Reichweite dieser Basisstation bucht sich das Telefon wie ein bisheriges Handy in ein GSM-Netz ein. \"Der BT Hub ist gleichzeitig ein Wireless-LAN-Router. Er ermöglicht es dem BT-Kunden auch, PCs, Laptops, Spiele-Konsolen oder Drucker drahtlos zu vernetzen\", teilte BT mit.

Hintergrund der Initiative von BT ist das geplante Projekt \"21th Century Network\". Das 10-Milliarden-Pfund-Programm sieht vor, in den nächsten Jahren das Telefonnetz auf das Internet Protokoll umzustellen. Die Briten wollen die traditionelle Schaltkreistelefonie bis 2010 vollständig abschaffen. \"Am Ende des Jahrzehnts werden wir da den Stecker rausziehen und etwas beenden, was über ein Jahrhundert lang unser Geschäft war\", sagte der zuständige BT-Vorstand Paul Reynolds. Die neue Infrastruktur, die auf dem Internet Protokoll (IP) basiert, kann Sprache und Daten gleichzeitig übertragen. Sie sei somit effizienter und für neue Angebote einsetzbar. Ab 2008 sollen die Kosten bei den Briten so um jährlich 1,5 Milliarden Euro sinken.

Omar Khorshed, Vorstandschef der Düsseldorfer acoreus AG, sieht in der Einführung des Gerätes den richtigen Entwicklungsschritt. \"Eine für den Benutzer transparente Technologie, die ihm unabhängig vom benutzten Dienst jeweils den unter Kosten- und Qualitätsaspekten für ihn optimalen übertragungsweg bietet, wird in naher Zukunft zum Standard werden\", erklärte Khorshed in einer Stellungnahme. \"Die seit langem heraufbeschworene Konvergenz ist in den vergangenen Jahren marktreif geworden. Das gilt für Sprache und Daten, für Festnetz und Mobilfunk\", so Khorshed weiter. Auch die Unternehmenskommunikation stehe vor einem Paradigmenwechsel, heißt es in einem Strategiepapier des schwedischen TK-Konzerns Ericsson. \"Die ehemals getrennten Internet-, TV- und Telefonwelten wachsen zusammen\", weiß Mehdi Schröder, Sales Director für das Enterprise-Geschäft der Ericsson GmbH Deutschland.

Ericsson hat die Kommunikationsinfrastruktur im eigenen Unternehmen analysiert: 70 Prozent aller Mitarbeiter benutzten bislang neben einem Festnetzanschluss auch ein Mobiltelefon, das bestenfalls per Rufumleitung auch die Anrufe auf das Festnetzgerät empfangen konnte. Dennoch waren Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten des Mitarbeiters beschränkt. Durchwahlnummern oder die Weiterverbindungen zu Kollegen konnte auf diese Art noch nicht genutzt werden, da kein Zugriff auf die Möglichkeiten einer kompletten firmeninternen Telefonanlage möglich war. Hier setzt Ericsson nun an: \"Mit dem so genannten Push to talk over Cellular (PTT), einer Art Walkie-Talkie-Funktion für das Handy, ergeben sich neue Geschäftsanwendungen\", so Schröder. OnePhone heißt das Projekt bei Ericsson, das die Erreichbarkeit auf einem einzigen Endgerät möglich macht. Es basiert auf einer einheitlichen Plattform für Festnetz und Mobilfunk, dem so genannten IP Multimedia Subsystem (IMS). Mit IMS könne man per Notebook oder Smartphone kommunizieren, gleichzeitig Daten bearbeiten und austauschen. Diese Verschmelzung der Kommunikationskanäle baue komplett auf dem Internet-Protokoll auf.

Zwar stehe das System noch am Anfang - für Firmenkunden biete diese Lösung jedoch bereits erkennbare Vorteile: Zunächst sei jeder Mitarbeiter unter einer einzigen Telefonnummer immer erreichbar und könne jederzeit auf die volle Leistung der firmeninternen Telekommunikationsanlage zugreifen. OnePhone verkürze die Kommunikationswege, senke die Kosten und erhöhe die Effizienz. Nicht zuletzt sei auch eine höhere Kundenzufriedenheit zu verzeichnen, wenn in einem Unternehmen eine schnelle Erreichbarkeit der Mitarbeiter gewährleistet sei. Eine komplette Neuanschaffung von Telefonanlagen sei jedoch nicht nötig. \"Die TK-Anlage ist und bleibt das Herzstück der Kommunikation\", versichert Mehdi Schröder, eine Umstellung könne man schrittweise vornehmen. Ericsson selbst hat es mit rund 20 000 Mitarbeitern im schwedischen Mutterkonzern vorgemacht und trägt mit der Entwicklung der zunehmenden Mobilität in Unternehmen Rechnung: \"Dort konnte man die durchschnittliche Anzahl der Telefone eines Mitarbeiters von 2,5 auf 1,2 reduzieren\", führt Schröder aus. Je nach dem, wie viele mobile Mitarbeiter ein Unternehmen habe, würden sich nach 10 bis 18 Monaten nach Einführung des Systems die Kommunikationskosten pro Mitarbeiter um bis zu 30 Prozent verringern. \"Eine Umstellung lohnt sich auch, weil es weniger Geräte, weniger Wartung, weniger operative und fixe Kosten gibt.\" Potentielle Kunden sind für Schröder beispielsweise Versicherungen oder Wartungsdienste mit einer großen Zahl Außendienstmitarbeiter. Diese könnten dann von überall aus über ein einziges Gerät alle Kommunikationskanäle nutzen. Mobile und Telearbeitsplätze werden nahtlos in die Kommunikation des Unternehmens einbezogen, der Mitarbeiter befindet sich immer und überall \"virtuell\" im Firmennetz, hat Zugriff auf alle TK-Funktionen und ist unter seiner Durchwahl erreichbar.

Die IP-Kommunikation und die tektonischen Veränderungen des Marktes
Die IP-Kommunikation ist eine Basisinnovation, die in den nächsten Jahren zu erheblichen Umbrüchen führen wird. Die derzeitige Wirtschaftskrise ist eine direkte Folge eines auslaufenden Innovationszyklus, der die üblichen Symptome zeigt: Rezession, Börseneinbrüche, hohe Arbeitslosigkeit, allgemeine Verunsicherung bei den Akteuren und Investoren. \"Aus dieser Talsohle haben wir uns zwar noch nicht ganz befreit. Aber wir nähern uns dem Wendepunkt\", so die Marktanalyse von Helmut Reisinger, Geschäftsführer des Stuttgarter IT-Dienstleisters Nextiraone. In jedem Langzyklus würden neue Ideen, Strategien, Bedürfnisse, Firmen, Arbeitsplätze, Formen der Arbeitsorganisation, Qualifikationsanforderungen, Produkte und Dienste entstehen: \"ähnliches werden wir auch mit der IP-Kommunikation erleben. Die Konvergenz von Sprache und Daten ermöglicht die Verwendung eines einzigen Netzwerks für alle nur denkbaren Medienformate. Wir haben zwar schon die Technik des digitalen Zeitalters: virtuelle Assistenten, die Anrufe weiterleiten, SMS und Instant Messages, PC und PDA. Die unterschiedlichen Endgeräte und Kommunikationsformen sind allerdings nicht aufeinander abgestimmt. Hier liegt die Stärke der IP-Kommunikation. Es ist wie in der elektrischen Energie. Der Nutzen entsteht aus dem Antrieb eines Geräts. IP-Kommunikation ermöglicht die übertragung von Sprache und Daten im selben Netz - das alleine bringt schon enorme Kostenvorteile\", sagt Reisinger. Der größte Nutzen liege bei den neuen Anwendungen und im Einsatz neuer Kommunikationsterminals. Es sei heute schon möglich, mit nur einer einzigen virtuellen Rufnummer zu arbeiten. Das System versuche zunächst, den Festnetzanschluss zu erreichen und anschließend das Handy. Reisinger spricht sogar von tektonischen Veränderungen des Marktes: \"Nicht nur bei Herstellern und Carriern werden die Karten neu gemischt, was ja bereits in den vergangenen Jahren zu beobachten war, sondern in vielleicht noch stärkerem Maße bei den Anbietern von Kommunikationsfunktionalität. An die Stelle der klassischen Telefon-Aufbaufirmen, gleich welcher Größenordnung, treten Service-Anbieter mit Beratungsqualität und Wissen. Sie erobern die Dienste für Sprache, Daten und Applikationen.\"

Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt der Contact Center-Softwarespezialist Genesys: \"Die Marktänderungen verlaufen dramatisch. In Gesprächen mit Kunden gibt es nahezu kein neues Projekt mehr, was nicht auf Basis der IP-Kommunikation nachgefragt wird\", so Michael-Maria Bommer, Managing Director von Genesys. An schlüssigen Strategien für die IP-Technologie käme niemand mehr vorbei, auch nicht die klassischen Telcos. \"Nur sollten wir aufhören, dabei ständig ans Telefon zu denken. Das User-Interface für die IP-Kommunikation ist der Desktop. Wer glaubt, dass Microsoft, IBM oder Dell sich dieses Geschäft wegnehmen lassen, hat den Markt nicht richtig verstanden\", so Bommer.

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