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Wunderbare Welt des Web

Von Rainer Sigl

Jeder Mensch, der zumindest einen E-Mail-Account schon gesehen hat, hat Anteil genommen an den unglaublichen Schicksalsschlägen, die, scheint’s, in Nigeria und anderen weit entfernten, hierzulande meist fast gänzlich unbekannten Staaten an der Tagesordnung sind: Ständig sterben megareiche Magnaten, Präsidenten, Könige, Firmengründer, und wirklich jedes Mal vergessen die steinreichen Toten, ihr Erbe geordnet an die rechtmäßigen Empfänger zu übergeben. Ausnahmslos immer, so hat man den Eindruck, muss der umständliche Weg über westliche Unbeteiligte genommen werden, die nach E-Mail-Erstkontakt freundlicherweise mit kleineren, harmlosen Gefälligkeiten im Bankwesen dem rechtmäßigen Erben seinen sagenhaften Reichtum sichern sollen. Natürlich nicht umsonst, nein: Für die freundliche Hilfe für die bedauernswerten Hinterbliebenen winkt immer eine großzügige prozentuelle Beteiligung. Staunend konnte man vor einiger Zeit sogar in seinem Postfach erfahren, dass auch die arme Gemahlin Saddam Husseins sich per E-Mail an Tausende westliche Adressaten wenden musste, um mit deren Hilfe auf die versteckten Auslandskonten ihres im Erdbunker sitzenden Gatten zugreifen zu können - die Welt, so scheint’s, ist so voller Ungerechtigkeiten, dass man als nächstenliebender Mensch einfach helfen muss.

Betrug. Diese - zugegeben - inzwischen recht inflationär gewordene Geschäftsidee ursprünglich nigerianischer Schlaumeier, relativ begüterte Menschen im Westen mit der Hoffnung auf das schnelle Geld zu ködern, hat immerhin schon in den Zeiten vor E-Mail per Brief oder Fax Devisen in weniger entwickelte Länder gebracht. Angeblich war die mäßig trickreiche Betrügerei - nach dem nigerianischen Strafgesetz meist »419 scam« genannt - zeitweise sogar die drittgrößte Einnahmequelle Nigerias, fand aber auch in anderen Staaten eifrige Nachahmer. Nun könnte man ja eigentlich nichts dabei finden, wenn intelligente Menschen ohne Geld dumme Menschen mit Geld davon überzeugen können, dass es für Letztere von Vorteil wäre, für den versprochenen Geldsegen »Arrangement Fees« oder ähnliches im Voraus an dankbare Empfänger zu überweisen, die - versprochen! - mit diesem Geld dann sofort das Riesenerbe bekommen und die Provision auszahlen würden.

Retourkutsche. Doch nein: Nicht nur, dass die Polizei in den letzten Jahren einige dieser recht groß angelegten Betrügerbanden aushob, inzwischen schlagen besonders gewiefte E-Mail-Empfänger mit den gleichen Waffe zurück und verwickeln die immer verzweifelter werdenden Möchtegernbetrüger in endlose E-Mail-Wechsel, lassen sich geniale Umwege und Ausreden einfallen, kurz: Man verarscht die Verarscher. In der Wunderbaren Welt des Web finden sich einige Communitys, die sich mit Hingabe diesen oft monatelangen Minidramen widmen, sich als willige Opfer präsentieren, sich aber immer im letzten Moment mit immer neuen haarsträubenden Ausreden davor drücken, die ersehnte »Arrangement Fee« tatsächlich zu überweisen. Die bes­ten »Anti-Scammer« haben es - Respekt - sogar schon geschafft, dass die immer genervteren Möchtegernbetrüger selbst Geld an sie überweisen. Ist es Betrug, die Betrüger zu betrügen? Die Profis unter den Scammern werden’s verschmerzen: Die Dunkelziffer der Millionenbeträge, die jährlich von geldgeilen Gutgläubigen ins Nirvana überwiesen werden, können wohl nicht einmal annähernd abgeschätzt werden. Immerhin ergab eine britische Studie, dass jeder zwölfte Internetnutzer bereits einmal auf Onlinebetrüger der einen oder anderen Variante hereingefallen ist ...

WWW-Tipps
www.nigeria-connection.de
www.scamorama.com
www.419eater.com
thescambaiter.com

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