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Der stille Visionär

\"neuerEin guter Unternehmer sollte wirtschaftliche Höhen und Tiefen erlebt haben.

Georg Kapsch, der nun Veit Sorger als Präsident der Industriellenvereinigung (IV) ablöst, kennt beides zur Genüge. Das Jahr 2002 markierte einen Tiefpunkt in seinem Leben: Sein gesamtes Vermögen steckte in einem Unternehmen, das praktisch bankrott war. Die Öffnung des Telekommunikationsmarktes bedrohte den traditionsreichen Betrieb, der auf die 1892 gegründete »Telefon- und Telegrafen-Fabriks-Aktiengesellschaft« zurückgeht, ebenso wie ein Familienzwist. In einem finanziell und nervlich belastenden Kraftakt kauften die Brüder Georg und Kari Kapsch ihren Onkel und dessen Söhne, die gemeinsam 42 % der Anteile hielten, aus dem Unternehmen aus. Innerhalb von zehn Jahren schaffte das Brüderpaar eine komplette Kehrtwende.

Mit knapp 830 Millionen Euro Umsatz im Wirtschaftsjahr 2011 zählt die Kapsch AG heute zu den erfolgreichsten Unternehmen Österreichs. Die Firmengruppe beschäftigt weltweit mehr als 4.000 Mitarbeiter und ist nach Geschäftsbereichen in die Kapsch BusinessCom AG, die Kapsch CarrierCom AG und die Kapsch TrafficCom AG gegliedert. Vor allem die Entwicklung des österreichischen Mautsystems leitete 2003 den Aufschwung des Unternehmens ein. Georg Kapsch, ein deklarierter Liberaler, der in den 90er-Jahren für das Liberale Forum auch einen kurzen Abstecher in die Politik nahm, pflegt einen klaren, partizipativen Führungsstil: »Wir müssen Menschen Visionen geben. Nur dann werden sie einem folgen.« Zuhören zu können, sei eine wesentliche Eigenschaft von Führungskräften. Kommunikation, Mentoring und Coaching sind deshalb fest in der Unternehmenskultur verankert. Auf die Integration neuer Mitarbeiter, auch durch interkulturelle Workshops, wird viel Wert gelegt.

Der Unterschied zu seinem Vorgänger als IV-Präsident könnte kaum größer sein. Sorger, ein Konservativer alter Schule, predigte die Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber; Kapsch, geprägt durch seine eher sozialistisch orientierte Mutter, interessieren größere Zusammenhänge. Mit Publicity-Auftritten und Partys hat der 53-Jährige nichts am Hut. In gesellschafts- und parteipolitischen Fragen nimmt sich der verheiratete Vater zweier Kinder aber kein Blatt vor den Mund. Gut möglich, dass die IV zum Thinktank wird, den sich viele Unternehmer und Intellektuelle schon lange wünschen.

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