Menu
A+ A A-

Female Potentials

In internationalen Konzernen sind Managerinnen längst selbstverständlich. Das Musterland Norwegen setzt auf Frauenpower. Nur Österreich meint weiterhin, auf weibliches Potenzial verzichten zu können – und fällt im aktuellen Gender Report hinter Dritte-Welt-Länder zurück.

Im Jahr 2002 machte der damalige norwegische Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen einen ungeheuerlichen Vorschlag: Die Unternehmen sollten gesetzlich dazu gezwungen werden, mehr Frauen in die Aufsichtsräte zu berufen. Zwar galt Norwegen schon seit jeher neben Schweden als frauenpolitisches Vorzeigeland, das Ansinnen des konservativen Politikers sorgte dennoch für heftige Diskussionen. Am 1. Jänner 2006 trat das Gesetz mit einer zweijährigen Übergangsfrist in Kraft. Seit Anfang 2008 müssen alle börsenotierten Konzerne mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen. Wird die Quote nicht erfüllt, erfolgt eine Fristverlängerung und in letzter Konsequenz die Zwangsliquidation des Unternehmens.

Frischer Wind
Der Erfolg ist durchschlagend. Frauen sind aus dem Top-Business Norwegens nicht mehr wegzudenken. Bereits im Februar 2008 erfüllten 93 Prozent der privaten Aktiengesellschaften die Anforderungen. 77 Unternehmen wurde eine viermonatige Fristerstreckung eingeräumt, Zwangsliquidationen gab es keine. Viel entscheidender war jedoch die Vorbildwirkung: Abseits der gesetzlichen Verpflichtung setzte die Quotenregelung eine Dynamik in Gang, die nach und nach die gesamte Wirtschaft des Landes erfasste. So stieg die Zahl der Frauen auch in den Vorstandsetagen von Unternehmen, die gar nicht unter das Gesetz fallen, auf über 30 Prozent.

Skepsis und Vorurteile haben sich in Luft aufgelöst. Der norwegische Unternehmerverband NHO, lange Zeit einer der schärfsten Kritiker der Quote, bildet inzwischen unter großem Zulauf Frauen für Spitzenpositionen in Unternehmen und Aufsichtsräten aus. Bereits 1.100 interessierte Frauen haben das NHO-Programm »Female Future« absolviert, die 50-Prozent-Marke scheint in greifbarer Nähe. Denn seit Frauen in die Aufsichtsräte Einzug gehalten haben, sind die Gremien deutlich jünger besetzt. Ein frischer Wind weht durch die Unternehmen, andere Blickwinkel werden in die Entscheidungen einbezogen. Zudem liegt das Bildungsniveau der Frauen meist deutlich über jenem ihrer männlichen Kollegen – die anfängliche Befürchtung, die Aufsichtsräte würden mit unqualifizierten Alibifrauen bestückt, war also schlicht überflüssig. Oder vielleicht Selbstschutz inkompetenter Männer?

Schlusslicht Österreich
Marit Hoel, Sozialwissenschafterin im Center for Corporate Diversity (CCD) in Oslo, hofft, dass die Quotenregelung für Aufsichtsräte auch den Aufstieg von Frauen in andere Spitzenstellungen erleichtert. Denn auch im Musterland Norwegen ist nicht alles perfekt. Nur 16 Prozent der Firmenchefs sind weiblich, Tendenz immerhin steigend.

Im europäischen Vergleich liegt Norwegen trotzdem voran. In Österreich dagegen stagniert der Anteil von Frauen in den Geschäftsführungen auf einem Niveau von 4,8 Prozent bzw. von 8,7 Prozent in den Aufsichtsräten, wie eine im März 2009 präsentierte Studie der Arbeiterkammer Wien ergab. In mehr als der Hälfte der analysierten Top-200-Unternehmen Österreichs scheint keine einzige Frau in einer Funktion an der Unternehmensspitze auf. Nur 30 der 621 Geschäftsführer sind weiblich. In lediglich 16 Unternehmen sind mindestens eine Frau sowohl in der Geschäftsleitung als auch im Aufsichtsrat vertreten. Noch drastischer fiel die Bilanz bei den ATX-Unternehmen aus: Mit 3,7 Prozent Frauenanteil in der Geschäftsführung und 5,7 Prozent im Aufsichtsrat wird das beschämende Ergebnis noch unterboten. Österreich verzeichnete als einziges EU-Land einen Rückgang des Frauenanteils in den Verwaltungsgremien.

AK-Präsident Herbert Tumpel fordert eine Verschärfung des »zahnlosen« Corporate Governance Kodex für börsennotierte Unternehmen: »Wenn es freiwillig nicht geht, brauchen wir ein Gesetz. Denn wie das Beispiel Norwegen zeigt, bringt nur Verbindlichkeit den gewünschten Erfolg.« Derzeit gibt es nur eine Empfehlung, bei der Nominierung von Aufsichtsräten beide Geschlechter zu berücksichtigen. Deren Befolgung wird nicht überprüft, auch sind keinerlei Sanktionen vorgesehen.

In anderen Ländern macht das norwegische Beispiel inzwischen Schule. Spanien hat 2007 eine ähnliche Quotenregelung beschlossen, wenn auch mit einer achtjährigen Übergangsfrist. In Skandinavien war der Frauenanteil mit deutlich mehr als 20 Prozent schon bisher beachtlich, obwohl sich in Finnland und Dänemark gesetzliche Bestimmungen nur auf den staatlichen Bereich beziehen. In Schweden liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf derzeit auf Eis, seit 2006 müssen aber Kapitalgesellschaften im Jahresabschluss den Frauenanteil in allen Führungspositionen explizit ausweisen. In den Niederlanden führte der öffentliche Druck durch zahlreiche Initiativen zu einem Anstieg des Frauenanteils in den Verwaltungsräten um fast 90 Prozent.

Dreifache Schranke
In Deutschland, wo 10,2 Prozent aller Aufsichtsratsposten mit einer Frau besetzt sind, ist die Lage ähnlich trist wie in Österreich. Laut einer Untersuchung des Vereins »Frauen in die Aufsichtsräte« (FidAR) läge der Frauenanteil gar nur bei drei Prozent, wenn nicht Arbeitnehmervertretungen in großer Zahl Frauen in die Kontrollgremien entsenden würden. Neuen Schwung erhielt die Diskussion durch die Bundestagswahl im September: Wenn sich eine Frau im Kanzleramt bewährt, warum dann nicht auch an der Spitze eines Unternehmens? Eine 25-Prozent-Quote scheint vielen nun nicht mehr abwegig.

Der Weg nach oben ist für Frauen steinig – und endet an einer »dreifach gesicherten« gläsernen Decke, meint der Soziologe Carsten Wippermann. In einer Befragung von 500 Führungskräften und 30 Tiefeninterviews mit Top-Managern kristallisierten sich drei Denkmuster heraus: Der konservative Typus lehnt Frauen in Führungspositionen per se ab, etwa mit der Begründung »Frauen sind ein nicht notwendiges Risiko«. Der zweite Typus vertritt zwar eine emanzipierte Grundhaltung, meint aber, Frauen hätten nicht die notwendige Härte und seien gegen etablierte Machtrituale chancenlos. Für den dritten Typus spielt das Geschlecht nach eigenen Angaben keine Rolle, jedoch wären Frauen für Spitzenjobs nicht genügend authentisch und flexibel.

Fazit: Alle drei Denkmuster kommen in einem Unternehmen vor und wirken wie miteinander verschränkte Sperren. Erfüllt eine Frau eine der Anforderungen, steht sie dennoch im Widerspruch zu den beiden anderen. Die befragten Manager nannten unzählige Gründe gegen Frauen in Aufsichtsräten und Führungspositionen – aber keine dafür, lautet die ernüchternde Bilanz der Studie, die Wippermann im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellte.

Das US-amerikanische Forschungsunternehmen Catalyst bezeichnet dieses Phänomen als »Double Bind«. Demnach können es Frauen in leitenden Positionen niemandem recht machen. Entweder erscheinen sie sympathisch, weiblich und kooperativ – dann werden sie als »zu weich für den harten Job« abqualifiziert. Oder sie treten sehr entschieden und stark auf, was als Führungseigenschaft grundsätzlich geschätzt wird – gleichzeitig findet man sie aber zu wenig feminin und deshalb unsympathisch. Männer werden dagegen mit derlei Klassifizierungen nie konfrontiert. Sie gelten als »geborene« Führungskräfte, während Frauen den Nimbus nur »atypisch« schwer loswerden.

Höhere Gewinne
Sind die persönlichen Begründungen schon fadenscheinig genug, aus wirtschaftlicher Hinsicht ist der Verzicht auf weibliches Potenzial erst recht nicht haltbar: Unternehmen, die Frauen aus den Führungsetagen verbannen, beschneiden ihren wirtschaftlichen Erfolg. Laut Catalyst-Studie erzielen Firmen mit gemischter Führungsriege eine bis zu 35 Prozent höhere Eigenkapitalrendite als jene mit Männermonopol. Die Unternehmensberatung McKinsey fand heraus, dass Konzerne mit mehr als zwei Frauen in der Geschäftsleitung höhere Gewinne und Aktienkurse verzeichnen als rein männlich geführte Unternehmen.

Das liegt wohl weniger an den oft zitierten, angeblich »weiblichen« Führungsqualitäten wie Einfühlungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit. Frauen treffen 70 Prozent aller Kaufentscheidungen des täglichen Lebens – fließt diese Sichtweise in die Unternehmensstrategie ein, werden Trends und Bedürfnisse der Kunden vermutlich früher und genauer erfasst. Gemischte Führungsteams sorgen außerdem für mehr Kreativität und Innovationen, analysierte die London School of Economics. In reinen Männerbetrieben dagegen sinkt die Produktivität sukzessive.

Kind oder Karriere
In US-Konzernen sind Frauen an der Spitze längst ein gewohntes Bild. Österreich dümpelt dagegen seit Jahren auf dem Niveau eines Entwicklungslandes. Siemens-Generaldirektorin Brigitte Ederer, Bawag-Vorstandschefin Regina Prehofer, Microsoft Österreich-Geschäftsführerin Petra Jenner und Johanna Rachinger, Direktorin der Nationalbibliothek, zählen zu jenen zwei Dutzend Managerinnen, mit denen Österreich aufwarten kann. Nur wenige erklimmen den Olymp – so sind es immer die gleichen Gesichter, die als Beweis herhalten müssen, dass frau es trotzdem schaffen kann. Günter Thumser, Geschäftsführer von Henkel CEE, zeigt sich angesichts vieler junger, aufstrebender Frauen im Unternehmen zuversichtlich, einen Anteil von 40 Prozent an weiblichen Führungskräften erreichen zu können – allerdings erst in 15 Jahren. »Man muss Geduld haben, die Karrieren wachsen zu lassen. Vorstand wird man nicht mit 25«, sagt Thumser. Simone Bagel-Trah hat es immerhin bereits mit 40 Jahren an die Spitze von Henkel geschafft – die Biologin übernahm kürzlich als erste Frau den Vorsitz im Vorstand eines DAX-Unternehmens.

Qualifizierte Frauen gibt es jedoch schon jetzt en masse, ins Top-Management werden sie aber selten berufen. Hans Roth, Geschäftsführer der Saubermacher AG, ortet den Grund in der schlechten Vereinbarkeit von Beruf und Familie: »Bei unseren Assessment Centern schneiden Frauen immer deutlich besser ab als ihre männlichen Mitbewerber. Im Management haben wir trotzdem noch keine Frauen, weil sie zugunsten von Kindern dann doch auf die Karriere verzichten.« Eine Entscheidung, die im Übrigen kaum ein Mann treffen muss. Das Thema Kinder ist in Österreich reine Frauensache. Top-Manager haben eine Frau, die ihnen den Rücken frei hält. Frauen in Spitzenpositionen sind in der Regel kinderlos.

Alte Hüte
Variable Arbeitszeitmodelle, Unterstützung beim Wiedereinstieg und flexible Kinderbetreuung sind in Österreich eben noch immer eher die Ausnahme. Die Debatte darüber dreht sich ebenfalls seit Jahren im Kreis. Auch das Thema Einkommensschere ist ein Dauerbrenner. »Gleichen Lohn für gleiche Arbeit« forderten schon die Vertreterinnen der ersten Frauenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts. Noch 100 Jahre später verdienen Frauen trotz steigender Bildung im Durchschnitt 25,5 Prozent weniger als Männer. Die Rechnung bekam Österreich kürzlich präsentiert: Schnitt die Alpenrepublik beim »Global Gender Gap Report« des Weltwirtschaftsforums schon bisher nicht sonderlich gut ab, fiel die Bewertung heuer vernichtend aus. Im Vorjahr reichte es gerade noch für Rang 29, 2009 rutschte Österreich auf den 42. Platz – hinter Länder wie Lesotho (Platz 10), die Mongolei (22) und Botswana (39).
Bewertet wird die Gleichstellung von Frauen in den vier Bereichen wirtschaftliche Partizipation und Chancengleichheit, Bildungsniveau, politische Teilhabe sowie Gesundheit und Lebenserwartung. Katastrophal wirkte sich vor allem die Beurteilung im Bereich Wirtschaft aus: Die ungleiche Entlohnung und die schlechten Aufstiegschancen bescherten Österreich den 103. Platz im Einzelranking, unter den EU-27 liegt Österreich an vorletzter Stelle. Topplätze belegen einmal mehr die skandinavischen Länder. Wie leicht Gleichberechtigung möglich ist, zeigte jedoch Island: Dank einer Angleichung der Löhne und mehr Frauen in der Politik eroberte der Inselstaat erstmals vor Finnland, Norwegen und Schweden die Spitze.


Hier geht´s zum aktuellen Kommentar

Exkurs: Weniger Gehalt, Macht und Benefits
Managerinnen kann man in Österreich mit der Lupe suchen. Bei genauerer Betrachtung der Rahmenbedingungen ist Frauen vom Aufstieg in die Führungsetage aber ohnehin abzuraten. Die aktuelle Einkommensstudie des Wirtschaftsforums für Führungskräfte (WdF), basierend auf Selbstauskünften der Befragten, legt die Benachteiligung von Frauen am oberen Ende der Karriereleiter offen.
Das durchschnittliche Grundgehalt von Managern beträgt 121.220 Euro brutto jährlich, während weibliche Führungskräfte im Schnitt nur 85.170 Euro verdienen. Zusätzlich erhalten auch nur 59 Prozent der Frauen – Männer: 69 Prozent – eine variable Vergütung wie Prämien oder Bilanzgelder. Diese fällt dann auch noch mit durchschnittlich 39.000 Euro geringer aus (Männer: 42.000 Euro). Insgesamt fällt die Differenz zwischen dem jährlichen Gesamteinkommen der Männer (156.530 Euro) und der Frauen (109.650 Euro) in Führungspositionen erschreckend deutlich aus. Die betroffenen Managerinnen haben sich mit dieser Situation offenbar abgefunden: Ihre Gehaltszufriedenheit (1,97 nach dem Schulnotensystem) weicht nur minimal von jener der Männer (1,93) ab.
»Geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Führungsgagen sind 2009 weder zu rechtfertigen noch zu tolerieren«, sagt WdF-Generalsekretär Roland Graf. Doch auch in allen anderen untersuchten Aspekten schneiden Managerinnen schlechter ab. Männlichen Führungskräften unterstehen fast doppelt so viele Mitarbeiter (Frauen: 35, Männer: 68 Angestellte). Nur 49 Prozent der Managerinnen haben ein Firmenauto, während fast drei Viertel ihrer männlichen Kollegen auf Firmenkosten fahren.
Nur in einem Punkt haben Managerinnen den Männern den Rang abgelaufen. Mit 44 Jahren ist eine weibliche Führungskraft im Schnitt um vier Jahre jünger als Männer im Management. Nur jeder Siebente (14 Prozent) der Männer ist jünger als 39 Jahre, aber 28 Prozent der Frauen. In der Altersgruppe über 55 Jahre finden sich dagegen 26  Prozent der Männer und nur drei Prozent der Frauen. Hier ortet Graf einen Paradigmenwechsel: »Managerinnen gehört die Zukunft. Was wir brauchen, ist eine bessere Kinderbetreuung, diese käme Vätern wie Müttern und deren Aufstiegschancen zugute.«

back to top