Schadenersatz wegen Kartellrechtsverletzungen
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In den USA ist es seit Jahrzehnten üblich, dass durch Kartellrechtsverletzungen Geschädigte ihre Schäden direkt gegen die Kartellanten geltend machen und sich regressieren können. Jetzt hat auch die EU reagiert.
Die Auswirkungen der Richtlinie erklärt Michael Brand.
Die Europäische Kommission (EK) hat festgestellt, dass in Europa so gut wie keine Schadenersatzklagen wegen Kartellrechtsverletzungen geführt werden. Deshalb wurde die Kartellschadenersatzrichtlinie RL 2014/104/EU erlassen, die mit dem Kartell- und WettbewerbsrechtsänderungsG umgesetzt wurde, das im April 2017 in Kraft getreten ist. Wir stellen einige Neuerungen vor.
Schadensvermutung
§ 37 c Abs. 2 KartG schafft eine Beweiserleichterung, indem gesetzlich vermutet wird, dass ein Kartell zwischen Wettbewerbern Schaden verursacht hat. Der beklagte Schädiger muss sich damit frei beweisen.
Solidarhaftung
Grundsätzlich haften Unternehmer, die durch gemeinschaftliches Handeln eine Wettbewerbsrechtsverletzung begangen haben, für den verursachten Schaden solidarisch. Damit haftet ein Kartellant gegenüber Geschädigten auch dann, wenn er zum Geschädigten keine Vertragsbeziehung hat, weil dieser z.B. Kunde eines anderen Kartellanten ist. Kronzeugen sind Mittäter, die das Kartell gegenüber Wettbewerbsbehörden aufgedeckt haben und denen dafür die Geldbuße erlassen wurde. Kronzeugen haften nur gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten, nicht aber z.B. gegenüber Abnehmern oder Lieferanten der anderen Kartellanten. Gegenüber diesen Geschädigten haften Kronzeugen nur ausnahmsweise, wenn die anderen Geschädigten von den anderen Haftpflichtigen keinen vollständigen Ersatz erlangen können.
Schadensüberwälzung
§ 37 f KartG lässt den Einwand der Schadenüberwälzung durch Beklagte zu. Wenn der Auftraggeber den kartellüberhöhten Preis an seine Kunden weitergegeben hat, hat nicht er den Schaden, sondern seine Kunden, die ihrerseits überhöhte Preise bezahlen mussten, diesen aber nicht weitergeben konnten. In diesem Fall ist der sogenannte »passing-on-defence«-Einwand zulässig, sodass die Klage abzuweisen ist, weil der vom Kartell unmittelbar betroffene Auftraggeber keinen Schaden erlitten hat.
Verjährung
Die Verjährungsfrist zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen beträgt fünf – statt wie sonst drei – Jahre. Die Verjährung wird auf Dauer eines Bußgeld-Verfahrens vor einer Wettbewerbsbehörde gehemmt. Damit haben Geschädigte länger die Möglichkeit, ihre Ansprüche geltend zu machen.
Bindungswirkung
Ein Zivilgericht, das über Schadenersatzansprüche wegen Wettbewerbsrechtsverletzungen entscheidet, ist an die Feststellung der Wettbewerbsrechtsverletzung einer Wettbewerbsbehörde eines EU Mitgliedsstaates gebunden.
Offenlegung von Beweismitteln
Ein absolutes Novum ist die Verpflichtung zur Offenlegung von Beweismitteln durch Schädiger auf Antrag des Klägers.
Auf begründeten Antrag einer Partei kann das Gericht der Gegenpartei nach ihrer Anhörung auftragen, Beweismittel offenzulegen, die sich in ihrer Verfügungsgewalt befinden. Das gilt auch für vertrauliche Informationen, wenn die Offenlegung verhältnismäßig ist. Es müssen auch Beweismittel offen gelegt werden, die dem Offenlegenden schaden. Die Vernichtung derartiger Beweismittel ist mit Ordnungsstrafen bis zu 100.000 Euro bedroht. n
Der Autor: Michael Brand, Brand Rechtsanwälte GmbH, ist Autor des im Linde Verlag erschienenen Buches Schadenersatz im Kartellrecht, Praxishandbuch Private Enforcement