»Bauwirtschaft ist ein Hochrisikobereich«
- Written by Bernd Affenzeller
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Wilfried Lehner, Leiter der Stabsstelle Finanzpolizei, über die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Behörde, nennt die häufigsten Vergehen und kündigt weitere bundesweite Baustellenkontrollen an. Außerdem erklärt er, warum gerade die Bauwirtschaft so anfällig ist für Schwarzarbeit, Betrug und Lohn- und Sozialdumping.
Report: Die ureigenste Aufgabe der Finanzpolizei ist es, Schwarzarbeit, Steuer- und Abgabenbetrug zu bekämpfen. Im Gegensatz zur Vorgängerorganisation KIAB ist die Finanzpolizei aber auch für die Einhaltung des Glücksspielgesetzes verantwortlich. Nimmt man Ihrer Einheit damit nicht die Schlagkraft?
Wilfried Lehner: In der Glücksspielbranche werden hunderte Millionen Euro umgesetzt. Es geht also auch hier um sehr viel Steuergeld. Deshalb ist die Finanzpolizei hier durchaus richtig eingesetzt. Wir kontrollieren in beiden Fällen nicht nur ordnungspolitische Aspekte wie illegale Beschäftigung oder illegales Glücksspiel, sondern auch die korrekte Steuerabfuhr. Damit sorgen wir in beiden Fällen auch für eine Bereinigung des Marktes. Denn es soll ja nicht derjenige, der sich an die Spielregeln hält, schlechter gestellt sein.
Report: Reichen die Ressourcen, um flächendeckende Kontrollen durchzuführen?
Lehner: Es gibt für uns ja nicht nur die Bauwirtschaft, wir müssen uns um sämtliche Bereiche der Wirtschaft kümmern. Und immer, wenn wir in einer Branche mehr tun, schreit eine andere auf. Es ist auch nicht ganz fair, einen Beamten zu fragen, ob er über ausreichende Ressourcen verfügt (lacht). Aber prinzipiell sind wir schon ganz gut aufgestellt, außerdem werden bis 2016 zu den aktuell 450 Mitarbeitern noch einmal 100 Mitarbeiter dazukommen.
Report: Welche Rolle spielt die Bauwirtschaft in Ihrer täglichen Arbeit?
Lehner: Der Bau ist sicher ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit, ein sogenannter Hochrisikobereich mit tendenziell hohen Aufgriffsraten im Sinne von Schwarzarbeit, illegaler Ausländerbeschäftigung und Betrugsfirmen.
Report: In welchem dieser Bereiche verzeichnen Sie die meisten Verstöße?
Lehner: Das ist schwierig. Schon bei der Definition von Pfusch und Schwarzarbeit gibt es Abgrenzungsschwierigkeiten. Aber Tatsache ist, dass wir mit sehr vielen Fällen zu tun haben, wo Arbeitnehmer nicht oder nicht richtig bei der Gebietskrankenkasse angemeldet sind. Auch die illegale Ausländerbeschäftigung spielt nach wie vor eine große Rolle. Und dann haben wir speziell in Grenzregionen immer wieder mit Fällen von Lohn- und Sozialdumping zu tun.
Report: Welche Rolle spielen Firmen, die mit hohen Außenständen bei Finanz und Sozialversicherung gezielt in Konkurs geschickt werden?
Lehner: In diesen Fällen ist die Schadenshöhe nur schwer feststellbar. Sicher ist aber, dass die Betrugsfirmen mit die höchsten Schadensvolumina verursachen. Wir versuchen deshalb, diese Betrugskonstruktionen frühzeitig zu entdecken und im Keim zu ersticken. Dabei kooperieren wir eng mit Wirtschaftskammer und Krankenkasse, denn dort werden diese Firmen zuerst vorstellig. Und wir führen natürlich eigene Ermittlungen durch, denn wir kennen teilweise die Konstrukte, die Firmen oder die Personen, die in diesem Bereich tätig sind.
Report: Wo ist dieses Problem besonders gravierend?
Lehner: Die meisten Betrugsfälle gibt es naturgemäß in Wien. Da werden generell die meisten Firmen gegründet und hier herrscht ein Bauboom mit vielen Großbaustellen, auf denen man diese Subfirmen leicht unterbringen kann.
Report: Sind demnach auch die Generalunternehmen mehr in die Pflicht zu nehmen, wen sie mit Subaufträgen versorgen?
Lehner: Ja, allerdings ist das in vielen Fällen schwierig, weil oft an Subunternehmen vergeben wird, die ihrerseits nicht kriminell sind, aber die Aufträge an weitere Subunternehmen vergeben.
Report: Sie haben im Oktober eine bundesweite Kontrollaktion in Sachen Eisenverleger durchgeführt, die laut Ihren Aussagen ein großer Erfolg war. Was sind nun die Konsequenzen für die Unternehmen, denen Unredlichkeiten nachgewiesen werden konnten?
Lehner: Jedes Vergehen für sich löst ein Verwaltungsstrafverfahren aus.
Report: Was, wenn das betroffene Unternehmen aus dem Ausland kommt?
Lehner: Auch dann wird ein Verwaltungsstrafverfahren ausgelöst.
Report: Wird das Urteil im Ausland auch vollzogen?
Lehner: Wir haben sehr unterschiedliche Erfahrungen. Mit einigen Ländern funktioniert die Zusammenarbeit. Meine Letztinformation ist, dass etwa die Kooperation mit Ungarn ganz gut klappt und die Strafen seitens der Parallelbehörden auch exekutiert werden. Was fehlt, ist die europäische Harmonisierung der Rechtslage.
Report: Sehen Sie Chancen, dass Bewegung in die Sache kommt?
Lehner: Ja, aber nur mittelfristig. Vorerst werden einmal bilaterale Abkommen angestrebt, um die Verfolgungslücke zu schließen.
Report: Das heißt, ohne diese bilateralen Abkommen sind Maßnahmen wie das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz weitgehend wirkungslos?
Lehner: Das stimmt nur zum Teil, denn das LSDB-G bietet ja auch die Möglichkeit, auf den Auftraggeber zuzugreifen, wenn die Geltendmachung der Strafe im Ausland nicht möglich ist. Das wird aber noch kaum umgesetzt. Unser größtes Problem sind die fehlenden Unterlagen. Theoretisch müssten die Firmen ja alle möglichen Unterlagen bereit halten, und das auch noch in deutscher Sprache. Und die Strafen für nicht vorhandene Unterlagen sind deutlich geringer als für Lohn- und Sozialdumping. Das wird aber demnächst angepasst.
Report: Was hat sich für Ihre Behörde durch das LSDB-G geändert?
Lehner: Im Baubereich hat sich eigentlich nichts verändert, außer dass wir einen höheren Dokumentations- und Kontrollaufwand haben. Um eine richtige KV-Einstufung vornehmen zu können, braucht man sehr viel Information über den Betroffenen. Daran zu kommen, ist vor allem bei ausländischen Arbeitnehmern nicht einfach. Schon die Ersteinschätzung vor Ort, die weitere Amtshandlungen auslösen kann, ist sehr komplex. Deshalb versuchen wir, auch unsere Abläufe zu standardisieren und nutzen natürlich auch technische Möglichkeiten. Wir können schon vor Ort online auf sämtliche relevante Datenbanken zugreifen und Angaben überprüfen. Das erleichtert den Ablauf enorm.
Report: Auf einer großen Baustelle tummeln sich jede Menge Firmen. Wie wird entschieden, wer kontrolliert wird?
Lehner: Das ist davon abhängig, wie die Kontrolle ausgelegt ist. Es kann eine Vollkontrolle sein, bei der alle Unternehmen geprüft werden, oder man konzentriert sich auf einzelne Gewerke. Mit Ausnahme von einigen von der Stabsstelle vorgegeben Großaktionen entscheiden das die Finanzpolizisten vor Ort.
Report: Sind nach der bundesweiten Kontrollaktion im Oktober weitere Großaktionen geplant?
Lehner: Die Bauwirtschaft bleibt natürlich in unserem Fokus. Es wird auch wieder große, bundesweite Kontrollaktionen geben. Sie werden aber verstehen, dass ich jetzt nicht näher ins Detail gehen möchte.
Report: Inwieweit ist der Auftraggeber in der Pflicht, Angebote auf ihre Plausibilität hin zu prüfen und so Unregelmäßigkeiten schon im Vorfeld zu erkennen?
Lehner: Für den klassischen Häuslbauer ist das es sehr schwierig, die Seriosität zu überprüfen. Ein großer Unternehmer sollte bei der Wahl seiner Subunternehmer aber erkennen können, ob ein Angebot realistisch darstellbar ist. Aber auch Häuslbauer können feststellen, ob ein Unternehmen schon länger am Markt ist oder über eine Konzession verfügt. Das muss auch im Interesse des privaten Auftraggebers sein, denn es geht ja auch um Haftungen und Gewährleistungen.
Report: Was halten Sie von der Forderung von Bundesinnung und Gewerkschaft nach einem schwereren Zugang zu Gewerbeberechtigungen?
Lehner: Das ist eine politische Entscheidung. Aus Sicht der Behörde ist es aber manchmal schon etwas seltsam, wie kreativ Gewerbeberechtigungen vergeben werden. Bei Wortlauten wie »Heben und Senken von Lasten« oder »Errichtung statisch unbedenklicher Ständertrennwände« muss man sich schon fragen, ob das, was hier als eigenständiges Gewerbe konzipiert wird, überhaupt irgendetwas mit Gewerbe zu tun hat.
Report: Welche Auswirkungen wird die Arbeitsmarktöffnung für Bulgarien und Rumänien am 1.1. 2014 haben?
Lehner: Es sind ja auch jetzt schon Personen aus diesen Märkten bei uns tätig, allerdings mit irgendwelchen Einzelfirmenkonstrukten. Die werden sich wieder verändern und aus den Einzelfirmen werden wieder Arbeitnehmer. Für uns ändert sich aber wenig. Es verschiebt sich nur das Problem von der illegalen Ausländerbeschäftigung hin zur Frage Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz oder Lohn- und Sozialdumping. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass es ab 1. Jänner zu einer Flutung des Arbeitsmarktes kommen wird.
Report: Bei wem sehen Sie die Hauptverantwortung dafür, dass es zu Lohn- und Sozialdumping kommt?
Lehner: Die allgegenwärtige »Geiz ist geil«-Mentalität führt dazu, dass wir ein Race-to-the-Bottom haben. Jeder versucht Sparpotenziale auszureizen und das heißt in lohnintensiven Bereichen eben, bei den Gehältern anzusetzen. Das wird umso intensiver, je weniger qualifiziert die Arbeitnehmer für ihre Tätigkeit sein müssen. Da brechen uns ganze Bereiche aus der Legalität weg. Da sind natürlich Generalunternehmer und Auftraggeber in der Pflicht, auch wenn angesichts günstiger Preise die Augen gerne vor dem Problem verschlossen werden.
Report: Glauben Sie, dass die Turbulenzen bei der Alpine Auswirkungen auf diese »Geiz ist geil«-Mentalität haben werden und die Preise wieder realistischer werden?
Lehner: Das bleibt abzuwarten, aber wir bewegen uns speziell in der Bauindustrie in einem europäischen Markt und da gehe ich davon aus, dass irgendjemand diese Lücke schließen wird.
Report: Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit seriös arbeitende Firmen besser geschützt werden?
Lehner: Jede Kontrollinstitution, jede Interessensvertretung muss ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Nur nach mehr Kontrollorganen zu rufen, ist zu wenig. Alle Player müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Das beginnt mit dem Eintrag ins Firmenbuch, geht über das Arbeitsinspektorat bis zur Finanzverwaltung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen können natürlich immer optimiert werden, aber im Großen und Ganzen passt das Umfeld. Wir dürfen ja auch nicht so viel ordnungspolitischen Aufwand erzeugen, dass legal operierende Unternehmen geschädigt werden.