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Tradition – Moderne

\"Die2050 werden laut Studien 9,5 Milliarden Menschen auf der Erde wohnen, 70 Prozent davon in Städten. Sie benötigen Wohn- und Arbeitsraum, der unkompliziert, rasch und kostengünstig zu errichten ist.

Von Karin Legat


Leichtigkeit, Ressourcen- und Energieeffizienz sowie Veränderbarkeit bestimmen die heutige Bauwirtschaft und prägen auch die Baustelle von morgen. Entscheidend sind ebenfalls Kosten und Zeit. Unter diesen Aspekten nimmt der Leichtbau eine bedeutende Rolle ein, denn er überzeugt durch Wirtschaftlichkeit, hohen Vorfertigungsgrad und damit durch Vorteile in der Präzision und Fertigstellungszeit. Leichtbau sticht durch seine Formstabilität bei Feuchtebeanspruchung hervor, die hochwertige Füge- und Verbindungstechnik, sein herausragendes Festigkeits-Eigengewichtsverhältnis und den Faktor Maßhaltigkeit. Die ökologischen Vorteile von Leichtbau sind rasch genannt. Die Massenströme an Baumaterial können um bis zu 50 % reduziert werden, die Baustoffe sind regional verfügbar, leicht regenerierbar, erhöhen durch die einfache Demontage die Ressourceneffizienz und überzeugen durch ein hohes Recycling- und Wiederverwertungspotenzial.

In der Praxis

»Leichtbauprojekte sind mit wesentlich weniger Aufwand adaptierbar als Massivbauten«, stellt Hans Frey, Vertriebsleiter bei Waagner-Biro Stahlbau, dem Leichtbau ein positives Bauzeugnis aus. Die geringeren Auflasten der Leichtbaukonstruktionen auf die Tiefengründungen sind ein weiterer Vorteil. Räume können leicht umgeplant, Wände verschoben werden. »Dieses Vorhaben im Massivbau umzusetzen, wäre zwar möglich, etwa durch das Aushöhlen von Wänden, ist aber kostenmäßig ein Wahnsinn«, erklärt Georg Matzner vom österreichischen Stahlbauverband. »Durch die geringere Grundfläche bei gleichen bauphysikalischen Eigenschaften erzielen wir im großvolumigen Wohnbau auf gleicher Grundfläche bis zu 8 % mehr Nutzfläche«, nennt Stefan Vötter von der Leichtbauinteressensvertretung Bau.Genial ein weiteres Plus der schlankeren Bauweise. All diese Vorteile werden von der Bauindustrie erkannt.

Die Akzeptanz von Leichtbau steigt. Studien sprechen von einem Wachstum von 300 % in den letzten Jahren. Der Massivbau wird zwar noch mit Tradition, Behaglichkeit und Dauerhaftigkeit assoziiert, aber speziell in Zeiten, die viel Flexibilität erfordern, sind das überholte Ansichten.

»Im Industrie- und Gewerbebau errichten wir heute fast ausschließlich Gebäude in Leichtbaukonstruktionen«, erklärt Peter Mostögl vom Vorarlberger Bauunternehmen i+R Schertler-Alge. Nur auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn würden heute noch Betriebsgebäude in Massivbauweise errichtet. Und auch im Wohnungswesen liegt Leichtbau im Trend. Ein Vorzeigebeispiel ist das Holzbauprojekt »Jahresringe« in Wien Liesing.

Span und Eisen

Holz zählt in Österreich im Gebäudebau neben den nichttragenden Gipsständerkonstruktionen zu den führenden Baumaterialien. Stahl verzeichnet zwar auch einen Aufschwung, spielt aber laut Bautechnik-Institut bti im Wohnbau keine überragende Rolle. »Besonders im Bereich der innerstädtischen Nachverdichtung kann der Holzbau seine Vorteile ausspielen. Er ist leicht und hat sehr gute statische Eigenschaften und Dämmfaktoren. Außerdem weist der Holzbau duktile Verbindungen auf, die dem Nachweis der Erdbebensicherheit zugutekommen«, informiert Harald Sauer, Leiter des Segments Architektur commercial bei GriffnerHaus. Laut Statikern ist die Tragfähigkeit von Holz kein Thema mehr. Den Reglementierungen in den OIB-Richtlinen wird mit dem Einsatz von Stahl entgegengewirkt. »Stahl ist nicht unser Konkurrent, Holzbau ohne Stahl kaum möglich«, betont Claudius Kollmann, Geschäftsführer des Fachverbands Holzindustrie. Mit Stahl lassen sich große Spannweiten realisieren. »Er ermöglicht auch bei starker Beanspruchung ein leichtes, filigranes Erscheinungsbild und das nicht nur bei Raumfachwerken oder Seilkonstruktionen«, betont Stahlprofi Hans Frey und verweist auf eine Vielzahl an realisierten flächigen, netzartigen Stahl-Glas Gebäudehüllen. Große Spannweiten sind heute auch mit Holz möglich, etwa durch das BSB-Verbindungssystem. »Ich darf einen Baustoff aber nicht missbrauchen, ich muss seine Grenzen kennen«, warnt Matzner.

Aussichtsreich

Die heutige Bevölkerung ist mit Wohn- und Büroraum weitgehend versorgt. 98 % der Gebäude sind errichtet, allerdings meist in einem thermisch schlechten Zustand. »Die Gebäude wurden in den 60ern und 70ern gebaut, damals galten andere Richtlinien. Für die erforderliche Sanierung braucht es ein modernes System«, fordert Karl Höfler vom Institut für Nachhaltige Technologien, AEE. »Wir können nicht mit 20 cm dickem Vollwärmeschutz arbeiten wie vor 15 bis 20 Jahren, sondern benötigen Systeme, die serienmäßig vorgefertigt werden und dadurch Effizienz bei den Kosten, im Transport, in der Anwendung und im Recycling bieten.« Leichtbau punktet hier auch durch sein geringes Eigengewicht. »In einer anderen Bauweise wären z.B. Dachaufbauten oft gar nicht möglich«, zeigt Stahlbauprofi Matzner auf.

Kombi S/XL

»Die Anforderung der Zukunft geht in Richtung langlebiger Komponenten. Der Lebenszyklus der Gebäude muss sich wieder verlängern«, betont Prof. Helmut Floegl, Leiter des Zentrums für Facility Management und Sicherheit am Department für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems. »Kurzlebige Gebäudeelemente wie Haustechnik und Elektronik müssen dagegen leicht und komplikationslos austauschbar sein, ohne die Substanz des Gebäudes anzugreifen.« Der Massivbau habe natürlich seine Berechtigung. Er ist sehr langlebig, hat eine hohe Wertbeständigkeit, bietet erhöhten Brandschutz, ausreichende Speichermassen und ist auch für kreative Planung geeignet. »Letztlich hängt es aber immer davon ab, was man daraus macht. Es ist wie beim Kochen: Die Komponenten sind wichtig. Der gute Koch nimmt von den richtigen Zutaten die richtige Menge und kreiert daraus eine Gesamtspeise, die mundet.« i+R Schertler-Alge setzt bereits auf Leichtbaukonstruktionen in Holz und Stahl, die auch im Verbund bzw. in Kombination mit Massivbau ausgeführt werden. Dazu Peter Mostögl: »Hier sind noch einige Forschungsfelder in Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen offen.« Aktuelle Studien beschäftigen sich u.a. mit Verbundmaterialien, etwa mit Glaselementen mit Stahleinlagen oder faserverstärktem Beton, die bei geringerem Gesamtgewicht höhere Belastungen und größere Spannweiten ermöglichen. Bei Holz bilden laut Martin Teibinger, Fachbereichsleiter Bauphysik der Holzforschung Austria Energieeinsparung, ressourcenoptimierter Baustoffeinsatz und Sicherheit die Forschungsschwerpunkte. Bau.Genial sieht noch weitere Aufgaben in der Zukunft: Weiterentwicklung des Leichtbaus, Imagestärkung, Positionierung der Leichtbauvorteile und Forcierung des Wissenstransfers zu Bauherren, Planern und Institutionen.

Lesetipp: Eigenschaften und Potentiale des Leichtbaus, Bau.Genial

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