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»Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken«

\"HansHinter sinkenden Umsätzen steckt häufig ein Führungsproblem, weiß Unternehmensberater Hans Bachinger.

Mit »Menschen im Vertrieb« bringt er Verkaufsteams auf Vordermann und macht Betriebe zu »Sales Driven Companies«.

(+) plus: Was macht eine Sales Driven Company aus?
Hans Bachinger: In einem Unternehmen sollte jeder Mitarbeiter vertriebsorientiert agieren. Der Kunde steht im Mittelpunkt. Beginnend vom Portier über die Telefonistin und den Verkäufer bis zum Vorstand muss diese Philosophie vertreten werden. Das hat viel mit Kultur zu tun, die Geschäftsführung muss das vorleben. Vertriebsoptimierung heißt nicht, dass wir alle Verkäufer anschauen und die mit den niedrigsten Umsätzen rausschmeißen. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem die richtigen Verkäufer erfolgreich sind. Die Kultur, Strategie und Struktur des Unternehmens müssen passen.  

(+) plus: In wirtschaftlichen schlechten Zeiten werden meist Kosten und Personal gekürzt. Warum wird an eine Optimierung des Vertriebs erst zuletzt gedacht?
Bachinger: Bei einer Vertriebsoptimierung wirkt sich der Effekt erst in einem halben Jahr oder Jahr aus. Oft steckt ganz klar ein Führungsproblem dahinter: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Viele Verkaufsleiter waren fantastische Verkäufer, können aber nicht führen und motivieren. Diese Schlüsselfunktionen sind entscheidend für den Erfolg einer Vertriebsmannschaft, sonst läuft jeder nur für sich.

(+) plus: Wie sehen effiziente Vertriebsstrukturen aus?
Bachinger: In den meisten Unternehmen gibt es kein Vertriebscontrolling. Es gibt keine Aufzeichnungen, wie das Verhältnis der Angebote zu Aufträgen ist, wie viele Verkaufsgespräche es pro Mitarbeiter und Tag gibt, wie hoch die Deckungsbeiträge sind – das sind Kennzahlen, die leicht ermittelbar sind und als zusätzlicher Motivationsfaktor genützt werden können. Manche Geschäftsführer verstehen es dagegen ausgezeichnet, ihre Mitarbeiter zu demotivieren. Zum Beispiel werden bei Provisionen Deckelungen eingezogen oder das Gebiet sukzessive verkleinert. Wenn ich einem Verkäufer die Flügel stutze, woher soll der dann seine Motivation nehmen?   

(+) plus: Wie kann man Kunden langfristig binden?
Bachinger: Jedes Unternehmen gibt ein Markennutzenversprechen ab. Wenn die Kauf­erwartung durch das Markenerlebnis erfüllt wird, ist der Kunde zufrieden. Das ist aber heute schon zu wenig: Man muss den Kunden begeistern. Das funktioniert nur, wenn seine Erwartung übertroffen wird. Es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu. Der Verkäufer muss erkennen, was der Kunde möchte. Der Kundennutzen muss immer im Vordergrund stehen. Jeder Käufer kauft unter dem Faktor der Unsicherheit – egal, ob es ein Packerl Milch oder ein Auto ist. Der Verkäufer kann ein Ankerpunkt sein und Vertrauen geben.

(+) plus: Muss man zum Verkäufer geboren sein?
Bachinger: Verkaufen kann man nicht komplett lernen. Wenn die Basis vorhanden ist, kann man mit Trainings darauf aufbauen. Wir geben durchaus auch Newcomern gerne eine Chance. Leider nehmen die Auftraggeber meist lieber Leute mit Erfahrung. Am liebsten jemanden von der Konkurrenz. Das ist ein gefährliches Spiel: Wer für Geld kommt, geht auch wieder für Geld. Die meisten Personalvermittler schauen nur, ob jemand gut oder nicht gut ist. Das Thema Unternehmenskultur wird ausgespart. Wir suchen die Besten unter den Passenden. Die Unternehmen haben unterschiedliche Kulturen, Philosophien und Führungsstile. Wir sehen uns wie eine Ehevermittlung – wenn das nicht zusammenpasst, wird das nix.

(+) plus: Welche Eigenschaften muss ein guter Verkäufer mitbringen?
Bachinger: Ganz wichtig ist Authentizität. Wenn etwas nur eingelernt ist, durchschaut es der Kunde in Sekundenbruchteilen. Leitfäden für den Gesprächsverlauf, Abschlusstechniken kann man dagegen erlernen. Ein guter Verkäufer sollte auch den strategischen Vertrieb beherrschen, das heißt, er muss seine Zielgruppen selektieren und etwas Marketingverständnis mitbringen. Er darf nicht das schnelle Geschäft im Hinterkopf haben, sondern den Kundennutzen.

(+) plus: Arbeiten Sie bei der Personalauswahl auch mit Online-Tests?
Bachinger: Wir verwenden Online-Teste nur als zusätzlichen Baustein, sonst verlassen wir uns sehr stark auf unsere Erfahrung. Wir haben spezielle Fragen entwickelt, beispielsweise »Hätten Sie gerne Harry Potter als Kunden?«. Das klingt im ersten Moment wie kompletter Schwachsinn – aber es ist interessant, wie er mit dieser Frage umgeht. Eine andere Aufgabe: »Erzählen Sie mir von Ihrem letzten Urlaub«. Wenn der Kandidat nur aufzählt, wo er überall war, ist das nicht so gut. Wenn er aber erzählt, wie wunderbar es in der Toskana geduftet hat und wie fantastisch das Farbenspiel am Abend gewirkt hat, ist das ein gutes Indiz. Oder: »Stellen Sie mir eine peinliche Frage«. Das zeigt, ob der Bewerber Mut hat, den er später braucht, um den Kunden um eine Unterschrift zu fragen.

(+) plus: Warum sind Frauen im Vertrieb eher unterrepräsentiert?
Bachinger: Wenn wir eine Stelle im Außendienst ausschreiben, ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen 9:1. Es gibt sehr viele Frauen, die im Einzelhandel tätig sind. Da sind gute Verkäuferinnen dabei, die durchaus das Potenzial hätten, sich aber nicht in den Außendienst trauen. Das kann natürlich wegen der Kinder sein, durch die Reisetätigkeit sind die Arbeitszeiten eben nicht immer regelmäßig.

(+) plus: Liegt es vielleicht auch am negativen Image, das dem Vertrieb noch immer anhaftet?
Bachinger: Der klassische Verkäufer wird noch immer mit einem »Keiler« gleichgesetzt, der von Haustür zu Haustür geht und Staubsauger verkauft. Dabei ist ein Key Account in einem international tätigen Unternehmen ein absoluter Topjob. Suchen wir Verkäufer, bewerben sich auf Online-Inserate manchmal nur zwei oder drei Leute. Die Aufstiegsmöglichkeiten sind aber im Vertrieb wesentlich größer als im Marketing. Das wird in Mitteleuropa noch nicht so gesehen. In den USA sind die Menschen stolz, als Verkäufer für einen Konzern arbeiten zu dürfen. Ich bin auch Lektor an der FH Campus 02 in Graz im Lehrgang Marketing & Sales, da ist der Zulauf im Sales-Bereich nicht so schlecht. Jungen Leuten kann ich nur empfehlen, es im Vertrieb zu probieren. Als Verkäufer kann man viel Geld verdienen, aber auch schnell in verantwortliche Positionen kommen.

(+) plus: Spielt Geld für die Motivation eine Rolle?
Bachinger: Geld ist ein Hygienefaktor. Aber ab einer gewissen Höhe bin ich mit dem Einkommen zufrieden, da zählen nur noch die Faktoren Wertschätzung, Erfolg, Gemeinsamkeit, Selbstverwirklichung. Provisionen allein sind als Motivation nicht entscheidend. Im Gegenteil: Ein hohes Fixgehalt gibt auch eine gewisse Sicherheit. Dann kann ich unbeschwerter verkaufen, als wenn ich bei jedem Geschäft denke, diesen Abschluss muss ich jetzt machen, sonst kann ich meine Familie nicht ernähren. Unter Angst können Sie nicht erfolgreich sein. n

Zur Person: Betriebswirtschafter Hans Bachinger gründete nach langjähriger Verkaufserfahrung in der Automobil- und Baustoffbranche 2007 gemeinsam mit Gergely Hernady »Menschen im Vertrieb«. Das in Österreich, Deutschland und Ungarn tätige Unternehmen verbindet Beratungs- und Coachingkompetenz in der Vertriebsoptimierung mit professionellem Recruiting

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