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»Wir leben in einer Wissensgesellschaft«

\"MichaelEin Interview mit Michael Landertshammer, WIFI Österreich.

Michael Landertshammer, Institutsleiter des WIFI Österreich, über die Halbwertszeit des Schulwissens, klassische Erwerbsbiografien und Zukunftsberufe.

(+) plus: Welche Qualifikationen sind im heutigen Arbeitsleben unerlässlich?

Michael Landertshammer: Eine Schlüsselqualifikation ist sicher die Selbstlernkompetenz, also die Fähigkeit und Motivation, sich laufend selbst weiterzubilden. Denn wir leben in einer Wissensgesellschaft: Das Fachwissen nimmt laufend zu und fächert sich dabei immer weiter auf. Nehmen Sie nur den boomenden Wellnessbereich, wo es heute schon über 800 verschiedene Berufsfelder gibt. Auch in der IT etablieren sich laufend neue Spezialdisziplinen. Gleichzeitig verliert einmal Gelerntes immer schneller seine Gültigkeit. Die Halbwertszeit des Schulwissens beträgt heute 20 Jahre, beim Technologiewissen sind es nur noch drei Jahre und in der IT nur mehr ein Jahr.

Darüber hinaus sollte jede/r in drei Bereichen firm sein: Erstens beim Einsatz der aktuellen Technologien – IT-Kenntnisse gelten heute bereits als vierte Kulturtechnik, ohne die kaum ein Beruf auskommt. Zweitens ist es wichtig, sich, seine Ideen und Projekte verkaufen zu können. Wer sich klar ausdrücken und Inhalte in die Sprache des Vis-à-vis übersetzen kann, ist im Vorteil. Und drittens werden Sprachkenntnisse in vielen Berufen bereits vorausgesetzt. Immerhin unterhält bereits jedes zweite österreichische Unternehmen Geschäftskontakte mit dem Ausland. Die Wirtschaftssprache Nummer eins ist nach wie vor Englisch. Wichtig sind auch interkulturelle Kompetenzen, um Sprache im jeweiligen Kontext angemessen einzusetzen. Basics in der jeweiligen Landessprache sind außerdem sehr hilfreich im atmosphärischen Small-Talk.

(+) plus: Wie sieht es mit der Bereitschaft der Österreicher/innen zur Weiterbildung aus?

Landertshammer: Laut einer makam-Umfrage unter österreichischen Unternehmen aus dem Jahr 2009 nutzen bereits 92 % aller Unternehmen Weiterbildungsmaßnahmen. Jährlich nehmen im Schnitt 40.000 Personen an WIFI-Firmen-Intern-Trainings in ganz Österreich teil. Bei der Beteiligung an Weiterbildung sind die Österreicher/innen im Europa-Vergleich im oberen Feld: Der EU-weit erhobene Strukturindikator Beteiligung am Lebenslangen Lernen zeigt, dass rund 13 % der Österreicher/innen innerhalb der letzten vier Wochen vor der Erhebung einen Kurs oder eine Schulung besucht haben. Der europäische Durchschnitt liegt bei 9 % der Bevölkerung. Aber in Skandinavien liegt die Weiterbildungsbeteiligung über 20 %, und da sollten wir auch in Österreich hinkommen.

(+) plus: Welchen Herausforderungen müssen sich Arbeitnehmer/innen in Zukunft stellen? Sind die Berufsfelder grundsätzlich im Wandel begriffen?

Landertshammer: Wir werden immer länger arbeiten und gleichzeitig den Job bzw. den Beruf öfter wechseln. Schon heute wechseln Angestellte mindestens vier Mal den Arbeitsplatz. Die klassischen Erwerbsbiografien à la Schule, Berufsbildung und dann derselbe Job bis zur Pensionierung verlieren an Bedeutung. Künftig wechseln sich Qualifikationsphasen und Erwerbsphasen immer wieder ab.

Gleichzeitig merken wir einen starken Trend zur Höherqualifizierung. Bauarbeiter/innen müssen zum Beispiel heute schon CAD-Pläne lesen können. Dazu kommt, dass rein manuelle Tätigkeiten vielfach ins Ausland ausgelagert werden. Der wissensintensive Dienstleistungssektor, dem heute 72 % aller Beschäftigten angehören, nimmt weiter zu. Dies erfordert von einem großen Teil der Mitarbeiter/innen Fähigkeiten, die man früher nur der Chefetage abverlangt hat – hohe technische Kompetenz, gepaart mit Teamfähigkeit, Produktivität und unternehmerischem Denken.

(+) plus: Welche Branchen haben Zukunft?

Landertshammer: Ein großes Zukunftsthema sind die Green Jobs. Das Wissen um Energieeffizienz und Umwelttechnik wird schon in fünf Jahren zur Grundfunktionalität jedes Unternehmens gehören. Green Jobs erleben einen außerordentlichen Aufschwung – bis 2020 sollen in Österreich 90.000 zusätzliche Arbeitsplätze vorwiegend im Bereich Erneuerbarer Energie und Gebäudesanierung entstehen. Zusatzqualifikationen wie der WIFI-ÖKO-Energietechniker oder eine Green-IT-Ausbildung sind begehrt. Einerseits sichern sie Jobs, andererseits helfen sie Unternehmen beim Energiesparen.

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