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Interview Mitterlehner

\"ReinholdWirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner über die Verantwortung der öffentlichen Hand bei der Stabilisierung der Wirtschaft, die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und die Wiederaufnahme des Sanierschecks.

Report: Laut Statistik Austria lag der Bauproduktionswert für die öffentliche Hand im ersten Halbjahr 2010 um 20% unter dem Vorjahreswert. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die die öffentliche Hand zu früh aus der Verantwortung nimmt und die Bauwirtschaft weiter in die Krise stürzt?

Reinhold Mitterlehner: Nein, unser Konjunkturpaket im Bereich der Bundes­immobiliengesellschaft BIG hat die Bauwirtschaft und ihre Nebengewerbe in der besonders schwierigen Phase gezielt unterstützt. Diese Maßnahmen wirken nachhaltig, weshalb die von der BIG bauwirksam eingesetzten Mittel selbst in den Jahren 2011 und 2012 um mindestens 30 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre vor 2008 liegen werden. Auch in anderen Bereichen gilt, dass die aktuelle Erholung der Wirtschaft durch die auslaufenden Konjunkturpakete weiter unterstützt wird. So können vor allem kleine und mittlere Unternehmen weiterhin zinsgünstige Kredite und Haftungen bei der Austria Wirtschaftsservice beantragen, was auch der Bauwirtschaft nützt. Generell gilt allerdings, dass wir nicht auf ewig staatliche Impulse setzen können, sondern dass Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht kommen müssen. Nur so können wir den Strukturwandel vorantreiben und einen echten, sich selbst tragenden Aufschwung schaffen.

Report:
Welche BIG-Initiativen setzen Sie als Eigentümervertreter für die thermische Sanierung?

Mitterlehner: Trotz knapper werdender Budgets der Ministerien wollen wir die Umsetzung des Konjunkturpakets weiter vorantreiben und vor allem die thermische Sanierung forcieren. Daher wurde der BIG-Bilanzgewinn nicht ausgeschüttet, sondern für die thermische Sanierung von Bundesgebäuden zweckgewidmet. Dank der Unterstützung durch diesen Investitionsbonus im Wert von 47,7 Millionen Euro fallen die Kosten für die eine thermische Sanierung beauftragenden Mieter, vor allem Ministerien, geringer aus, weil die BIG einen Teil der Sanierung selbst zahlt. Bisher musste jede derartige Maßnahme durch Mietzahlungen des betroffenen Ressorts refinanziert werden.

Report: Die Staatsverschuldung zwingt zu Sparmaßnahmen. Experten warnen aber davor, bei zukunftsträchtigen Investitionen wie der Infrastruktur zu sparen. Stichwort: Wirtschaftsstandort Österreich. Wie soll ­diese Gratwanderung gelingen?

Mitterlehner: Ich kann hier nur für den Bereich der BIG sprechen, deren größtes Projekt der Neubau der Wirtschaftsuniversität Wien mit einem Volumen von rund 492 Millionen Euro ist. Die zügige Umsetzung dieses Bauvorhabens steht für mich ebenso wenig infrage wie die anderen großen Projekte, zum Beispiel das Justizzentrum Korneuburg oder die thermische Sanierung des Bundesrechenzentrums in der Hinteren Zollamtsstraße in Wien.

Report: Der Wohnungsneubau ist stark rückläufig. Der Bedarf liegt bei rund 50.000 Einheiten pro Jahr, die Bewilligungen sollen laut Wifo-Prognose aber auf 38.900 Einheiten 2010 und auf 37.400 Einheiten 2011 zurückgehen. Es droht eine empfindliche Verteuerung des Wohnens. Wie will die Bundesregierung diesem Trend ent­gegenwirken?
Mitterlehner: Für die Wohnbauförderung sind die neun Bundesländer zuständig, nicht die Bundesregierung. Die Bundes­immobiliengesellschaft konzentriert sich im Bau- und Dienstleistungsbereich auf Schulen, Universitäten und Amtsgebäude. Abseits dessen hat das Wirtschaftsministerium vor kurzem für eine Vergünstigung des privaten Wohnens an sich gesorgt. Wir haben die Maklerprovisionen, die Mieter für die Vermittlung einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses zu bezahlen haben, um mindestens eine Monatsmiete gesenkt.

Report: Die Steiermark hat auf Landesebene die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung beschlossen und will sich auch auf Bundesebene für die Wiedereinführung aussprechen. Soll die Zweckbindung wieder eingeführt werden?
Mitterlehner: Auch hier gilt: Der Einsatz der Wohnbauförderung ist eine Angelegenheit der Bundesländer und daher auf deren Ebene zu entscheiden. Ich begrüße diese Entscheidung aber, so wie ich prinzipiell jede Maßnahme befürworte, die thermische Sanierungen von Gebäuden unterstützt und zu mehr Energieeffizienz führt.

Report: Im Jahr 2009 hat der Sanierungsscheck für viel Schwung in der Bauwirtschaft gesorgt. Branchenvertreter sprechen von einer „unbestreitbaren Hebelwirkung dieses sich selbst finanzierenden Fördersystems“. Ist eine Wiederaufnahme geplant?

Mitterlehner: Die konkrete Ausgestaltung und Dotierung hängt von den Ergebnissen der laufenden Budgetgespräche ab, wobei wir die Haushaltskonsolidierung auch mit Offensivmaßnahmen ergänzen wollen. Ein Beispiel dafür ist die Neuauflage der Bundesförderung für die thermische Sanierung. Diese ermöglicht – wie in der Energiestrategie Österreich vorgesehen – eine höhere Sanierungsrate, die Senkung des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen sowie nachhaltige Impulse für die Bauwirtschaft. Schon die im Vorjahr vergebenen 100 Millionen Euro haben klimafreundliche Investitionen von rund 670 Millionen Euro ausgelöst. Dazu kommt eine CO2-Einsparung von rund vier Millionen Tonnen. Abseits der positiven Effekte für die Wirtschaft ist die effiziente Sanierung von Gebäuden ein wichtiger Schlüssel, um die Energie- und Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen.

Report:
Gibt es aktuell Pläne für eine „Winterbau-Offensive“, um die saisonale Arbeitslosigkeit am Bau in Grenzen zu halten?

Mitterlehner: Sowohl von der BIG als auch von der Burghauptmannschaft Österreich wird nach Möglichkeit auch in den Wintermonaten gebaut, was bei großen Projekten mittlerweile Standard geworden ist. Ansonsten gibt es derzeit keine Pläne für eine „Winterbau-Offensive“ der Bundesregierung. Es hat sich schon im bisherigen Verlauf der Krise bewährt, dass wir die Nerven bewahrt und für Kontinuität in der Wirtschaftspolitik gesorgt haben. Die aktuelle Erholung der Wirtschaft ist zwar noch fragil und nicht nachhaltig genug, aber viele Sektoren entwickeln sich deutlich besser als erwartet. Daher ist auch die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich deutlich zurückgegangen. Ausgehend vom boomenden Export gewinnt der Aufschwung an Breite und Schwung. Wir dürfen uns aber angesichts der guten Wirtschaftsdaten nicht selbstzufrieden zurücklehnen, sondern müssen eine Struktur-Offensive starten, damit der Standort Österreich auch mittel- und langfristig konkurrenzfähig bleibt.

Report: Das Bauwesen ist eine wichtige Säule der heimischen Wirtschaft und bietet rund 262.000 Personen in Österreich einen Arbeitsplatz. 2009 wurden rund 16 Milliarden Euro erwirtschaftet. Wie kann dieser wichtige Wirtschaftszweig nachhaltig gestärkt werden?

Mitterlehner: Die größten Potenziale und Chancen sehe ich im energieeffizienten Bauen, das unserer Bauwirtschaft nicht nur in Österreich, sondern auch im Export Vorteile bringt. Das große Know-how unserer Unternehmen ist gerade im Bereich des energieeffizienten Bauens weltweit gefragt. Durch unsere Technologieführerschaft – zum Beispiel bei Passivhäusern – können wir neue Märkte erschließen.

 

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