Future Hotel
- Written by Redaktion_Report
- font size decrease font size increase font size
Energieeffizient, nachhaltig und individuell: So präsentiert sich das Hotel der Zukunft und bietet maßgeschneiderten Individualurlaub im Einklang mit der Natur. Studien, Musterhäuser und Forschungslabors tüfteln an den Erfolgsfaktoren für die Hotellerie von morgen und liefern wertvolle Tipps für heute. Denn der Wettbewerb ist brutal, vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Wenn die Wirtschaft lahmt, bricht in der Tourismusbranche der Angstschweiß aus. So mancher Urlaub fällt dem Sparstift zum Opfer. Dabei geht es der Branche immer noch verhältnismäßig gut. Die Welttourismus Organisation UNWTO geht davon aus, dass der globale Tourismus weiterhin wachsen wird. Im Jahr 2020 könnten bis zu 1,6 Milliarden Ankünfte erreicht werden, gegenüber 700 Millionen im Jahr 2000. Auch in Österreich haben die Touristiker deutlich weniger Probleme als andere Branchen. Laut einer aktuellen Umfrage des market-Instituts ist die Stimmung in der österreichischen Tourismuswirtschaft überwiegend positiv. Bei Umsatzzielen und Buchungslage geben sich die Unternehmer in der Umfrage jedoch etwas vorsichtiger. »Angesichts der angespannten Konjunkturlage ist auch ein leichter Rückgang nicht ausgeschlossen«, sagt Hans Schenner, Obmann der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer. Eine Umfrage der Generali-Versicherung hat ergeben, dass 24 Prozent der Österreicher ihre Urlaubsausgaben 2009 einschränken wollen. Aber immerhin 15 Prozent wollen heuer mehr ausgeben als in den letzten Jahren. Die aktuelle Buchungslage spiegelt dieses leicht negative Ergebnis wider und liegt etwas unter dem Vorjahresniveau. Während im Vorjahr noch 70 Prozent der von market befragten Betriebe mit der Buchungslage zufrieden waren, sind es aktuell nur noch 65 Prozent.
Kürzerer Aufenthalt
Unabhängig von der aktuellen Krise zeichnet sich in den letzten Jahren auch ein Trend zu immer kürzeren Urlaubsaufenthalten ab. Seit 1985 hat sich etwa die durchschnittliche Verweildauer deutscher Urlaubsgäste in Österreich von sieben Tagen auf vier Tage beinahe halbiert. Auch die Österreicher haben den Urlaub im eigenen Land von durchschnittlich 4,5 auf 2,5 Tage reduziert. Für die Tourismusbetriebe bedeutet das eine deutliche Steigerung des Wettbewerbs. Der Wettlauf um die zahlenden Gäste wird intensiver, die Kunden werden anspruchsvoller. Wer sich den Urlaub vom Mund abspart, erwartet perfektes Service und ein einzigartiges Urlaubserlebnis. Immer mehr Hotelbetreiber tragen dieser Entwicklung Rechnung. Sie setzen auf Wellness, Sport, Kultur oder Erlebnisurlaube und erfüllen damit die Pflicht. Was vielen fehlt, ist die Kür. »Erfolgreiche Hotelkonzepte fallen nicht vom Himmel. Sie erfordern Mut und Unternehmergeist und vor allem Zielgruppenorientierung statt Bauchgefühl«, sagt Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der ÖHV Touristik Service GmbH, anlässlich der Präsentation der Studie »future hotel. Die Zukunft der Ferienhotellerie«. Eine der zentralen Aussagen der Studie ist die kompromisslose Ausrichtung auf die Zielgruppen. Diese werden nicht in demografische Gruppen eingeteilt, sondern nach sozialen Milieus. Etwa die LOHAS-Bewegung, die sich auf Gesundheit und Nachhaltigkeit stützt, aber auch das postmaterielle und etablierte Milieu. Dabei handelt es sich um Personen mit überdurchschnittlichem Bildungsgrad, beruflichem Erfolg und hohem Einkommen, wertemäßig sind sie in der Mitte positioniert, weder besonders traditionell ausgerichtet, noch besonders neuorientiert. Diese Gruppen werden als klare Trendsetter identifiziert, an ihnen orientiert sich das Hotel der Zukunft. »Die künftigen Gäste sind Kosmopoliten, mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Entschleunigung und Entfaltung«, sagt Reisenzahn. Die gesellschaftlichen Wunderwuzzis pflegen einen umwelt- und gesundheitsbewussten Lebensstil, sind sozial engagiert und interessieren sich für Kunst und Kultur. Sie suchen Authentisches und wünschen sich einen maßgeschneiderten Urlaub, der ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleiht. Das Hotel der Zukunft muss Rahmenbedingungen schaffen, die den Gästen einen aktiven Weg zu Gesundheit und Selbstfindung ermöglichen. Es muss ein Ort der Erholung und eine Stätte der Begegnung und Kommunikation sein, mit zahlreichen Outdoor-Angeboten und als Teil der regionalen Kulturszene.
Bauen und Energie
Die Architektur eines Hotels wird in Zukunft als Reisemotiv deutlich an Wert gewinnen. »Die Architektur wird Teil der Marke«, sagt Reisenzahn. Der Gast möchte sich mit der Architektur identifizieren. Gefragt sind individuell und flexibel gestaltbare Räume, die leicht adaptiert werden können. Auch auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit wird großer Wert gelegt. Nicht nur um den Erwartungen der Gäste gerecht zu werden, sondern auch aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Im Hotel der Zukunft müssen laut ÖHV verschiedene Techniken des Niedrigenergiebaus umgesetzt und bei den Materialien auf Recyclingfähigkeit, lange Lebensdauer und kurze Transportwege geachtet werden. Als positives Beispiel nennt die Studie die »Trailside Eco-Lodge« in den französischen Pyrenäen, die Solarenergie mit moderner Architektur vereint. Unmittelbarer Mehrwert des politisch korrekten Auftritts: Die Energiesparmaßnahmen werden vom Marketing aufgegriffen und vermitteln ein positiv besetztes Image.
Eine besondere Herausforderung, in der Gegenwart wie in der Zukunft, ist die Innenausstattung eines Hotels. Patentlösungen gibt es dafür keine, aber erfolgversprechende Anhaltspunkte. »Überfüllte Räume und exzessives Ringen um Aufmerksamkeit, wie etwa in Las Vegas, haben ausgedient.« Zukünftig punkten Minimalismus und Reizreduktion, gepaart mit schlichten, ansprechenden und wohnlichen Räumen aus hochwertigen Materialien. Sehr wichtig ist auch eine gelungene Gestaltung des Badezimmers. 60 Prozent der Gäste inspizieren zuerst den Nassbereich eines Hotelzimmers, für 80 Prozent ist das Badezimmer eines der Hauptentscheidungskriterien. Mit einer einfachen Umgestaltung des Nassbereichs ist es aber nicht getan. »Was zählt, ist ein ganzheitliches Konzept des Raumes, wenn nicht sogar des ganzen Hotels«, sagt Sanitärspezialist Peter Theissing. Das Gästebad soll in Zukunft mit dem Wohn- und Schlafbereich verschmelzen, eine individuelle Note aufweisen und vom Funktionsraum zum Erlebnisraum mutieren.
Megatrend Wellness
Der Wellness-Boom war in den letzten Jahren einer der wichtigsten Treiber des Tourismus. Noch vor wenigen Jahren war eine Wellnessanlage ein Wettbewerbsvorteil, heute zählt sie zur Grundausstattung. »Chancen ergeben sich einerseits durch eine weitere Spezialisierung und andererseits durch eine individuelle Gestaltung des Angebots«, sagt Wellness-Planer Heinz Schletterer, Schletterer Wellness & Spa Design. Als Alleinstellungsmerkmal sind für ihn Themenhotels, zielgruppenspezifische Hotels wie Kinder- oder Seniorenhotels sowie Low-Function Hotels für eine breitere Zielgruppe denkbar. Einen weiteren Zukunftstrend sieht Schletterer in Medical Spa Hotels, die die Themen Wellness und Gesundheit professionell miteinander verbinden. Ebenfalls zukunftsfit sind laut Schletterer Hotel-Spa- Suiten, die das Hotelzimmer zu Wohlfühloasen mit privatem Charakter transformieren.
Inhaus2: Neues aus dem Labor
Auch andernorts macht man sich Gedanken über das Erscheinungsbild des Hotels der Zukunft. In Duisburg steht der dreistöckige Forschungsbau inhaus2, wo Forscher der Fraunhofer Gesellschaft zusammen mit den Experten der Lindner Hotels AG am Hotel der Zukunft basteln. Mehr als 600 Quadratmeter stehen für insgesamt vier Musterräume, sogenannte Labs, zur Verfügung. Im FutureLab testen die Forscher neue Zugangstechnologien wie Stimme oder Fingerabdruck. Ebenfalls auf dem Prüfstand ist eine neue Generation des Zimmerservices. Über die Fernbedienung des TV-Gerätes sendet der Gast seine Bestellung an den Zimmerservice. Kurze Zeit später steht das georderte Getränk dank eines führerlosen Transportsystems vor der Tür. Für einen unfallfreien Service sorgen Bewegungssensoren.
Im MediaLab steht die Technik im Vordergrund. In der Mitte des Raumes ist ein Bett platziert, das von drei im Halbkreis angeordneten Leinwänden umgeben ist. Die Leinwände können beliebig gemeinsam oder auch unabhängig voneinander genutzt werden, für das Abspielen von Filmen, die Wiedergabe von Stimmungsbildern oder auch als PC-Bildschirm. Im Badezimmer ermöglicht eine Kamera den Blick auf den eigenen Rücken und der Spiegel wird auf Knopfdruck durch eine verstärkte Zoomfunktion zum Kosmetikspiegel.
Das FlexibleLab testet in zwei Räumen, wie sich Räume flexibel an die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen anpassen lassen. Nicht ein spezieller Raum für jeden Gast, sondern ein Raum für alle, lautet die Devise. Dafür wird erstmals das Prinzip flexibler Wände aus dem Konferenz- und Tagungsbereich auf das Hotelzimmer übertragen. Und im WellcomLab steht die Frage im Mittelpunkt, wie die Faktoren Farbe, Akustik, Raumklima und Temperatur auf das Wohlbefinden des Gastes wirken. Die Räume können hier mithilfe von Projektionsflächen in unterschiedliche Farben getaucht werden. Mittels eines USB-Sticks können sogar persönliche Bildmotive an die Wände projiziert werden. Aus einem anonymen Hotelraum wird so ein individuell gestaltetes Gästezimmer.
Neben Fraunhofer und Lindner sind an dem Projekt über 30 Wirtschaftsunternehmen beteiligt, darunter Henkel, Hochtief, Schindler und T-Systems.
Best Practice
1. Energieeffizientes Bauen
Schiestlhaus am Hochschwab: Bei seiner Eröffnung im Jahr 2005 präsentierte sich das neue Schiestlhaus des Österreichischen Touristenklubs als erste autarke Passivhaus-Schutzhütte des Landes. Durch die exponierte Lage auf 2.154 Metern Seehöhe war eine klare Ausrichtung des Gebäudes nach Süden möglich. Dadurch konnte die gesamte Südfassade als Energiefassade angelegt werden. Zusätzlich wurden im Brüstungsbereich der vorgelagerten Terrasse Photovoltaikmodule angebracht. 70 Prozent des Strombedarfs werden durch transluzente Powerzellmodule abgedeckt. Die Abwasserreinigung im Schiesthaus hat einen Reinigungsgrad von 99 Prozent. Damit wird das Abwasser auf Badewasserqualität aufbereitet und kann gefahrlos versickern. Im Kellergeschoß befindet sich eine Trinkwasserzisterne, die mit einem Fassungsvermögen von 34 Kubikmetern auf einen Jahresbedarf dimensioniert ist. Dabei wird das Regenwasser über Grobfilter in eine Trinkwasser-Tankanlage eingeleitet und über mehrere Filter sowie UV-Entkeimung aufbereitet. Dank der eingesetzten Passivhaustechnologien kann die Schutzhütte auch bei Vollbelegung vollständig über die Lüftung beheizt werden. Das Wärmerückgewinnungssystem arbeitet mit einem Wirkungsgrad von 85 Prozent.
2. Architektur im Einklang mit der Natur
Vigilius Mountain Resort: »Natur als Vorbild, Ruhe als Ziel«, lautet das Motto des Vigilius Mountain Resorts, das auf 1.500 Metern auf dem Vigiljoch in der Nähe von Meran liegt. Erreichbar ist das abgelegene Resort nur auf Schusters Rappen oder mit der Seilbahn. Das 2003 neu eröffnete Hotel schmiegt sich sanft in die Landschaft und greift architektonisch Details aus der Umgebung auf. Der Baukörper erinnert an einen überdimensionalen, in den Wald gefallenen Baumstamm. Die horizontal geprägte Holz-Lamellenstruktur der Fassade übernimmt die Rolle der Baumrinde des gefallenen Baumes. Verbaut wurden hauptsächlich natürliche Materialien wie Holz, Glas, Stein und Lehm. Auch in der Energiegewinnung zeigt sich das Vigilius umweltfreundlich. Als Brennstoff zur Wärmeerzeugung wird ausschließlich Biomasse eingesetzt, geliefert von den Landwirten in der unmittelbaren Umgebung.
3. Der Umgang mit kulturellen Ressourcen
Hotel Altstadt Vienna: In einem Patrizierhaus aus dem Jahr 1902 ist das Wiener Boutiquehotel »Altstadt Vienna« untergebracht. 42 Zimmer und Suiten sind auf fünf Etagen verteilt. Jedes Zimmer hat seine persönliche Note, keines gleicht dem anderen. Die gemütliche und private Atmosphäre wird mit viel Liebe zum exquisiten Detail noch verstärkt: ein Bad von Philippe Starck, irgendwo im Treppenhaus ein echter Helnwein, in der Rezeption ein Prachensky.
Sogar Wiens Museen ergänzen durch Leihgaben die reichhaltige Sammlung. Seit 2006 wird in neun eleganten Designzimmern das Wien der Belle-Èpoque-Zeit zum Leben erweckt. Dunkler Parkett, pompöse Luster und rotes Samtmobiliar spiegeln das Flair des frühen 20. Jahrhunderts wider. Mit großformatigen Aktfotografien wird an Wiens berühmteste Prostituierte Josefine Mutzenbacher erinnert, Sinnbild der damaligen Zeit und Inspirationsquelle für das Interieur-Design des »Altstadt Vienna«.
Die Studie
Erhältlich ist die als praxisbezogener Leitfaden konzipierte Studie »future hotel. Die Zukunft der Hotellerie« im ÖHV-Webshop.
Tel: 01/533 09 52
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Kosten: 85 Euro