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Europas Industriepolitik am Prüfstand

''Wenn Produktionen ins nicht-europäische Ausland verlagert werden, entfallen auch Emissionen. Aber auch die Wertschöpfung verlässt die EU'', mahnt Gilbert Rukschcio.  Die Europäische Politik verabschiedet sich in den Sommerurlaub. Ganz untätig bleibt sie aber nicht. Einer der Gründe: Im September soll die EU-Industriepolitik durch die Kommission bewertet werden. Hält sie der Prüfung stand?

Von Gilbert Rukschcio

Weniger Emissionen, mehr (gut bezahlte) Jobs, Innovationsführerschaft im globalen Wettbewerb: So in etwa lauten die Anforderungen, die die Politik an die Industrie in Europa stellt. Und auch wenn man sich in Europa noch an vielen Weltmarktführerschaften erfreuen kann, muss man sich die Frage stellen: Ist dies wegen oder trotz der politischen Strategie, die Europa formuliert hat? Die anstehende Überprüfung durch den Industriekommissar Antonio Tajani bietet eine gute Gelegenheit, diese Frage zu stellen. Wenn man sie schonungslos stellt, kommen einige unangenehme Antworten zutage:

Emissionen werden ausgelagert. Alles andere aber auch.

Die Verhandlungen zum neuen Emissionssystem ab 2013 waren lange und zäh. Und sie sind eigentlich noch immer nicht vorbei. Denn kaum hat sich die Politik mit allen Stakeholdern auf einen Wert geeinigt, wird wieder aufgeschnürt und es werden noch höhere Reduktionsziele gefordert. Die Industrie akzeptiert minus 20 %? Dann müssen ja auch locker minus 30 drinnen sein! Was in einer politischen Diskussion schnell mal über den Haufen geworfen sein mag, bedeutet aber für Produzenten Unsicherheiten für die langfristige Planung von Standorten und Produktionszyklen. Wer will oder kann schon Millionen in die Hand nehmen, wenn er nicht weiß, ob das vereinbarte Wort morgen noch gilt? So verlagern sich Produktionen ins Ausland, was insofern angenehm ist, denn damit fallen auch die Emissionen nicht in Europa an. Unangenehm: Die Wertschöpfung verlässt damit auch EU-Land, von den Jobs ganz zu schweigen. Anstatt sich immer wieder mit neuen Zielen zu beschäftigen, sollte sich die Politik lieber der Umsetzung der gesteckten Ziele widmen.

Wohlstand kann man nicht herbeireden.

Strategien zu Vollbeschäftigung, Standortpolitik und Wettbewerbsfähigkeit können plausibel und so simpel klingen. Doch sie sind nur nette Lippenbekenntnisse, wenn den Worten keine Taten folgen. Die Folgen politischer Untätigkeit können derzeit in Spanien, Frankreich oder Griechenland beobachtet werden, wo man plötzlich draufkommt, was alles in Sachen Industriepolitik falsch gelaufen ist. Eine Lehre daraus: Die EU-Kommission muss genauer auf die Industrie- und Standortpolitik der Mitgliedstaaten schauen und auch mal wirklich auf die Finger hauen, wenn den Worten keine Taten folgen. Auch wenn es wehtun sollte.  

Nachhaltigkeit hat zwei Seiten.

Nachhaltigkeit ist ein großes Modewort, geprägt aus dem ökologischen Ansatz heraus. Doch nachhaltig ist nicht nur das Gut, das möglichst wenige Emissionen in der Herstellung benötigt, sondern auch jenes, das in Folge 20, 40 oder 80 Jahre im Einsatz ist und so über Generationen seinen Wert rechtfertigt. Nachhaltig ist nicht nur Umweltpolitik, die Naturschutzgebiete sichert und Artenvielfalt ermöglicht, sondern auch eine Industriepolitik, die Arbeitsplätze kreiert, Standorte aufbaut und globale Wettbewerbsfähigkeit absichert. Ein Widerspruch? Es wird geprüft.

Zum Autor: Gilbert Rukschcio studierte Politikwissenschaft in Wien und Aix-en-Provence. Seine berufliche Laufbahn startete er 2005 im Europäischen Parlament. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter von peritia communications und als Politikberater mit Tätigkeitsschwerpunkt in Brüssel  für verschiedene österreichische und internationale Unternehmen und Verbände tätig. In seiner Kolumne »Nachricht aus Brüssel« versorgt er die LeserInnen der Report-Fachmedien mit Hintergrundinfos zu europäischen Fragen.

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