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»Claim Management ist nicht mehr sexy«

»Claim Management ist nicht mehr sexy«

Schon vor Corona wurden alternative Vertrags- und Verfahrensmodelle intensiv diskutiert. Die aktuelle Krise hat dem Thema der kooperativen Projektabwicklung noch einmal einen zusätzlichen Schub verliehen. Der ständige Streit um Pönalen und Mehrkostenforderungen lässt auf allen Seiten die Stimmen lauter werden, die die aktuelle Vertrags- und Verfahrenspraxis in Frage stellen und partnerschaftliche Modelle forcieren wollen. In einer prominent besetzten Expertenrunde ist der Bau & Immobilien Report der Frage nachgegangen, wie man das Thema von der viel zitierten Theorie in die Praxis bekommt. Das Ergebnis der Diskussion sind fünf konkrete Maßnahmen und Forderungen, die einen echten Schub geben können.

Die Teilnehmer (v.l.n.r.):

Wolfgang Holzer: Bereichsleiter Wasser und Energie Bernard Gruppe

Andreas Fromm: Geschäftsführer der ASFINAG Bau Management GmbH

Karina Breitwieser: Assistentin am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement TU Wien

Frank Fercher: Bereichsleiter Hochbau Wien Strabag

Matthias Wohlgemuth: Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs Vibö

Stephan Heid: Rechtsanwalt und Partner bei Heid und Partner

Reinhold Lindner: Bausachverständiger und Sprecher BauMassiv

Report: Welche Rolle spielen die kooperative Projektabwicklung und alternative Vertragsmodelle heute in der Praxis? Wie verbreitet sind sie und woran liegt es, dass in vielen Fällen doch wieder auf klassische Verträge zurückgegriffen wird?

Stephan Heid: In der österreichischen Baupraxis spielen partnerschaftliche Modelle noch eine untergeordnete Rolle. Weit über 90 Prozent der Baustellen werden mit klassischen Vergabe- und Vertragsmodellen wie ÖNORM B 2110 abgewickelt. Wir stellen aber fest, dass große und mittelgroße Auftraggeber verstärkt nach alternativen Vertragsmodellen fragen, um Claim und Anti-Claim zu verhindern. In unserer Kanzlei wickeln wir mehr als 50 Prozent der Projekte über Partnerschaftsmodelle ab.

Das ist nicht repräsentativ, aber eine Nische, auf die wir uns spezialisiert haben. Dabei gibt es nicht nur ein Modell, sondern viele verschiedene Vertragsmodelle, die ans Ziel führen können – von Open Book über GU+ bis hin zu einem echten Allianzvertrag mit all seiner Komplexität. Was für mich entscheidend ist: Jeder Bauherr, der sich aus welchen Gründen auch immer für ein alternatives Vertragsmodell entschieden hat, bleibt auch dabei. Wir kennen aus unserer Praxis niemanden, der unzufrieden war, dessen Erwartungen enttäuscht wurden und der wieder zur ÖNORM B 2110 zurückkehren will. Das bedeutet nicht, dass jedes Bauvorhaben in Zukunft so abgewickelt wird, aber das neue Vertragsmodell ist im Portfolio.  

Report: Herr Lindner, als Bausachverständiger sind Sie gerade bei großen Bauvorhaben immer wieder mit Mehrkostenforderungen konfrontiert. Woran scheitert Ihrer Meinung nach eine kooperative Projektabwicklung?

Reinhold Lindner: Mehrkostenforderungen haben ihren Ursprung sehr oft schon in der Planung und der Art der Leistungsbeschreibung. In vielen Fällen ist die Planung nicht so detailliert, wie sie sein müsste, um die Leistung auszuführen. Ein weiterer Punkt, der immer wieder zu Mehrkostenforderungen führt, ist die baubegleitende Planung. Deshalb wäre es wichtig, zuerst in aller Tiefe zu planen und dann erst zu bauen. Vielleicht hilft uns da in Zukunft auch die Digitalisierung und BIM.  



Report: Frau Breitwieser, welches Potenzial haben alternative Vertragsmodelle? Wo liegen aus Sicht der Wissenschaft die größten Vorteile einer kooperativen Projektabwicklung?

Karina Breitwieser: Die alternativen Vertragsmodelle haben das Potenzial, langfristig ein echtes Umdenken zu erzeugen. Verträge sind wie Spielregeln. Wenn wir andere Spielregeln haben, spielen wir ein anderes Spiel. In Großbritannien haben kooperative Vertragsmodelle einen ganz anderen Stellenwert, auch in der Praxis. Da ist man von den Vorteilen wie geringere Kosten und effizienteres Terminmanagement überzeugt.

Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch die Transparenz. Denn dadurch kommen Probleme viel früher auf den Tisch und können in einem kooperativen Setting dank der Lösungskompetenz des gesamten Teams effektiver gelöst werden. Auch das Risikomanagement ist viel effizienter. Da geht es nicht nur um die rechtliche Seite, sondern auch um bauwirtschaftliche, psychologische und soziologische Aspekte. Denn wir reden von Verhaltensänderungen.  

Report: Herr Fercher, mit dem Partnering-Modell teamconcept verfolgt die Strabag schon seit langem einen kooperativen Projektansatz. Wie wird diese Idee in der Praxis umgesetzt und welche Vertragsmodelle sind dafür besonders geeignet? Wo liegen die Hürden?

Frank Fercher: Das teamconcept-Modell hat in der Strabag eine lange Tradition. Wir versuchen immer wieder, die Vorteile des Partnerschaftsgedankens bei unseren Auftraggebern zu deponieren. Wir sehen schon, dass das Interesse in den letzten Jahren gestiegen ist. Vor allem bei Bauträgern, mit denen wir über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Projekten zusammengearbeitet haben. Aber auch öffentliche Auftraggeber kommen auf uns zu und zeigen Interesse, neue Wege zu beschreiten.

Da gibt es aber oft die Sorge, inwieweit neue Vertragsmodelle mit dem Vergaberecht kompatibel sind. Aber gerade bei komplexen Bauaufgaben wird die Bereitschaft zunehmend größer, mit partnerschaftlichen Vertragsmodellen zu arbeiten. Die Auftraggeber kommen auf uns zu, weil es funktioniert. Deshalb haben wir im Hochbau in letzter Zeit auch kaum noch Claims. Das war vielleicht einmal ein Geschäftsmodell, das gehört aber zum Glück der Vergangenheit an.

Report: Herr Fromm, wie offen ist die Asfinag für alternative Vertragsmodelle? Gerade bei großen Infrastrukturprojekten können alternative Vertragsmodelle wie der Allianzvertrag ihre Stärken ausspielen.

Andreas Fromm: Ich denke, die Vertragsform ist nur einer von vielen Aspekten, um ein Projekt partnerschaftlich abzuwickeln. Wir sind Anwender des klassischen ÖNORM-Einheitspreisvertrages. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wir haben aber auch festgestellt, dass diese Vertragsform sehr starr ist. Vor allem wenn die Leistungsbeschreibung schwer ist oder das Umfeld sehr dynamisch ist. Dann tun wir uns schwer, diesen Vertrag so zu biegen, dass er noch für das Projekt passt. Das kostet enorm viele Ressourcen.

Wenn dann auch noch Gerichtsstreitigkeiten dazu kommen, muss man sagen, dass das mehr Ressourcen kostet als eine konstruktive Projektabwicklung. Streiten ist teuer, deshalb haben wir uns partnerschaftliche Vertragsmodelle und internationale Projekte ganz genau angesehen und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir diese Vorteile auch generieren möchten. Deshalb werden wir ein Pilotprojekt mit einem klassischen Allianzvertrag starten.  

Report: Herr Wohlgemuth, inwieweit hat die Coronakrise bei den Auftragnehmern den Wunsch nach einer kooperativen Projektabwicklung gestärkt – Stichwort Risikoverteilung? Woran scheitert es in der Praxis?

Matthias Wohlgemuth: Ich glaube, dass viele von uns und viele Bauprojekte in den letzten Monaten sehr überraschend auf Resilienz getestet wurden. Diese Krisenbewältigung funktioniert besser, wenn man von Haus aus kooperativ und nicht konfrontativ aufgestellt ist. Corona kann ein ganz wesentlicher Treiber in Richtung kooperativer Projektabwicklung sein.

Sowohl Auftraggeber wie Auftragnehmer werden feststellen, dass sie kurz-, mittel- und langfristig besser fahren, wenn sie kooperativ agieren. Im Team ist die Problemlösungskompetenz einfach deutlich höher.  Ich glaube auch nicht, dass man von einem Scheitern in der Praxis sprechen kann. Wir stehen noch am Anfang. Es wird große Änderungen in der Branche geben, das braucht aber Zeit.

Report: Herr Holzer, ein klassisches Argument gegen alternative Vertragsmodelle wie den Allianzvertrag ist, dass sie sich nur für Großprojekte eignen. Sie haben bei einem deutlich kleineren Projekt, der Aufweitung eines Stollens beim Kraftwerk Wiesberg, einen »Allianzvertrag light« initiiert und umgesetzt. Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gezogen? Lassen sich Allianzverträge doch bei jeder Projektgröße anwenden?

Wolfgang Holzer: Man wusste bei dem Projekt nicht, was auf die Projektbeteiligten zukommt. Der Auftraggeber war nicht wirklich bauaffin und die Fronten waren ziemlich verhärtet. Da bin ich dann ins Spiel gekommen, um neue Spielregeln zu schaffen. Durch meine Zusammenarbeit mit Heid und Partner war der Allianzvertrag immer in meinem Kopf. Die Projektziele waren dieselben wie bei jedem anderen Projekt: Kosten, Termine und Qualität. Es haben dann bei diesem Projekt wirklich alle an einem Strang gezogen, um das Projekt zu einem Erfolg zu machen.

Ich war auch beim Projekt  Gemeinschaftskraftwerk Inn mit an Bord, das später zum ersten Allianzvertragsmodell in Österreich avancierte. Ich war der festen Überzeugung, dass das Projekt ein Vorzeigeprojekt für den Einheitspreisvertrag wird. Tatsächlich wurde es eine Katastrophe und nur vom Allianzvertrag gerettet. Was ich heute sagen kann: Alle Größenordnungen funktionieren mit dem Allianzmodell.

Report: Es herrscht Einigkeit darüber, dass eine kooperative Projektabwicklung gut und richtig ist und alternative Vertragsmodelle gute Dienste leisten können. Allerdings sind wir noch von einer flächendeckenden Verbreitung entfernt. Wo muss konkret angesetzt werden, um den Partnerschaftsgedanken auf den Baustellen zu verankern?

Fromm: Wir wollen dieses Allianzmodell-Pilotprojekt unbedingt umsetzen. Es ist aber schon so, dass wir als Asfinag langjährige Erfahrung mit Einheitspreisverträgen haben. Das ist ein großer Schritt für uns, dafür braucht es viel Know-how, das aufgebaut werden muss. Allianzverträge eignen sich für Projekte mit großem Volumen und Risiko. Aber gerade bei einem hochriskanten Projekt ein neues Vertragsmodell einzuführen, ist heikel und schwer zu argumentieren.

Deshalb laufen bei uns intensive Vorbereitungsarbeiten und wir sehen uns erfolgreiche Projekte wie das Gemeinschaftskraftwerk Inn oder internationale Projekte genau an. Wenn es uns als Asfinag aber gelingt, dieses Modell umzusetzen, kann das schon einen wichtigen Schub geben, auch für andere Auftraggeber. Dafür braucht es auf beiden Seiten Personen mit dem richtigen Know-how und der Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten.

Thema: Ausbildung & Know-how

Report: Frau Breitwieser, kommen diese Personen aus den Universitäten?

Breitwieser: Mehr denn je. Die junge Generation findet Claim Management nicht mehr sexy, die wollen anders arbeiten. Das Problem ist, dass sie an den Universitäten nicht das richtige Rüstzeug bekommen. Da geht es weniger um juristische Fragen als um die richtige Verhaltensweise.

Fercher: Wir versuchen auch intern, viel zu schulen, denn man muss auch die Mitarbeiter mit nehmen auf diesem Weg - am besten gemeinsam mit den Auftraggebern. Es ist nicht immer einfach, den „open book“ Gedanken bei den eigenen Mitarbeitern zu verankern. Das braucht ein Umdenken. Aber ein Großteil der Mitarbeiter ist dafür offen, weil der Partnerschaftsgedanke die Arbeit erleichtert und angenehmer macht.

Fromm: Gemeinsame Schulungen wären auf jeden Fall gut und sinnvoll.

Heid: Man muss sich klar sein, dass der Weg, den wir beschreiten wollen, ein völlig neuer ist. Wir stehen vor disruptiven Vorgängen. Die Karten werden neu gemischt und Aufgaben neu verteilt. Das kann auch weh tun. Deshalb ist es so wichtig, die jungen Leute mitzunehmen. Es wird mehr Pilotprojekte geben und das Know-how wird steigen. Die Universitäten könnten sich hier noch viel stärker einbringen, etwa durch Benchmarking. Man müsste den Produktivitätsgewinn durch alternative Vertragsmodelle auch wissenschaftlich dokumentieren und darstellen, um etwa der öffentlichen Hand mehr Sicherheit zu geben. Beim Gemeinschaftskraftwerk Inn hat sich der Auftraggeber ein Drittel der Personalkosten gespart.  

Report: Herr Lindner, ist es in der Praxis so wie Frau Breitwieser sagt, dass Claim Management nicht mehr sexy ist?

Lindner: Manche Bauvorhaben sind so komplex, dass schon die Leistungsbeschreibung Auftraggeber überfordert. Wenn jemand ein Krankenhaus bauen will und das aber noch nie gemacht hat, wird er Hilfe benötigen. Schon in dieser Auftragsfindungsphase müsste interdisziplinär gearbeitet werden, müssten Planer, Auftraggeber und Auftragnehmer an einem Tisch sitzen. Diese Bereitschaft sehe ich schon. Wenn wir vorher besser überlegen, müssen wir nachher nicht streiten.

Breitwieser: Das kann ich nur bestätigen. Die Projekte, die sich im Vorfeld Zeit nehmen, sind die erfolgreichsten, und zwar unabhängig vom Vertragsmodell. Wenn die ausführende Firmen schon in der Lösungskonzeption ihr Know-how einbringen können, profitieren alle davon. Interdisziplinäres requirement engineering ist der Knackpunkt.

Fercher: Absolut richtig, weil in dieser Phase die Beeinflussbarkeit am Größten ist.

Holzer: Wir haben aktuell nicht die Kultur, die wir wollen. Ich denke auch, dass Claim Management nicht mehr sexy ist. Die Frage ist, was ist sexy. Ich glaube, sexy ist, erfolgreich zu sein. Heute ist man erfolgreich, wenn man wirtschaftlich erfolgreich ist. Da geht es nicht um das Projekt. In Zukunft muss eine optimale Projektabwicklung sexy sein. Das ist doch viel schöner. Wenn ich den Schülern an der HTL von Allianzverträgen erzähle, sind sie erst überrascht und dann begeistert. Das ist ein Kulturwandel. Es kann ja auch dem Planer nichts Besseres passieren, als dass die ausführenden Firmen schon in einer frühen Projektphase mit an Bord sind. Von dem Know-how profitieren ja alle.

Heid: Neue Vertragsmodelle sind nur dann lebbar, wenn wir neue Vergabemodelle haben, um genau diese Prozesse zu unterstützen. Die Zukunft liegt im Verhandlungsverfahren statt im offenen Verfahren. Das offene Verfahren ist ein Aktenverfahren, bei dem man das Gegenüber nicht einmal kennenlernt. Das Verhandlungsverfahren ist von Interaktion geprägt. Da lassen sich schon vor Vertragsabschluss zahlreiche Optimierungen erzielen. Early Contractor Involvement funktioniert nicht im offenen Verfahren.

Report: Herr Wohlgemuth, wie interessiert und offen sind die Auftragnehmer?

Wohlgemuth: Wenn es darum geht, das Thema in die Fläche zu bekommen, sind mehrere Aspekte entscheidend. Wie bei jeder Veränderung hören wir zuallererst, warum etwas nicht geht. Umso wichtiger ist es, zu zeigen, was alles geht. Das ist das beste Argument. Leider muss man sagen, dass nicht alle Auftraggeber gleich professionell und aufgeschlossen sind. Deshalb muss man den Auftraggebern auch etwas an die Hand geben. Da ruhen große Hoffnungen auf den Arbeiten zu einem neuen ÖBV-Merkblatt. Und schließlich ist es ganz wichtig, dass Projekte, die mit alternativen Vertragsmodellen abgewickelt werden, auch funktionieren. Da darf man nicht für kurzfristige Vorteile in alte Denkmuster verfallen.

Breitwieser: Das kenne ich leider auch aus einem Projekt. Da haben anfangs alle an einem Strang gezogen bis der Erste die Chance auf einen persönlichen Vorteil gesehen hat. Dann wurden die Messer gewetzt und gestritten. Da waren die Beteiligten noch nicht so weit, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Da hätte es eine Art Third-Party-Begleitung geben müssen.

Thema: Verschränkung Planung und Bau

Report: Vieles hängt von den handelnden Personen ab. Ist das ein Hinderungsgrund, dass die persönliche Ebene bei kooperativen Projekten wichtiger ist als bei anderen und diese Variable für Unsicherheit sorgt?

Holzer: Ich drehe es um. Beim Gemeinschaftskraftwerk Inn hat man sich gekannt und geschätzt. Trotzdem hat es nicht funktioniert. Was es braucht, sind Fairness und klare Spielregeln. Und da ist der Allianzvertrag die beste Lösung.

Heid: Spielregeln sind enorm wichtig. Es darf nicht das Missverständnis aufkommen, dass Partnerschaftsmodelle ein esoterischer Kreis sind, wo man sich in die Arme fällt. Der Partnerschaftsvertrag muss die gemeinsamen Interessen so formulieren, dass alle an einem Strang ziehen.

Lindner: Wir müssen Planen und Bauen enger miteinander verweben. Und das schon am Projektbeginn.

Heid: Da müssen wir auch Standesregeln ändern. Nach dem Ziviltechnikergesetz gibt es ein Koalitionsverbot. Planer dürfen nicht mit den Bauausführenden zusammengehen. Das habe ich noch nie verstanden. Es wurde etwa eben in Innsbruck bei einem großen Projekt eine Planergemeinschaft ausgeschieden, weil einer dieser Planenden eine Zivilingenieurbefugnis nach ZTG 1957 hat und deshalb auch ausführen darf. Auch ich als Anwalt darf nicht mit einem Baumeister gemeinsam in einer ARGE anbieten. Das mutet schon anachronistisch an. Der Wiener Gesundheitsverband schreibt gerade baubetriebswirtschaftliche und rechtliche Beratung in einem Team aus. Es gibt aber nur Subunternehmerlösungen, weil eine ARGE verboten ist.

Fromm: Ich glaube auch, dass diese Verschränkung von Planung und Bau wichtig wäre, aus rechtlichen Gründen aber gar nicht so einfach ist. Das wäre meine Meinung nach sogar noch wichtiger, als nur in der Bauphase neue Vertragsmodelle einzuführen.  Wenn ich ein Verhandlungsverfahren mache, muss ich alle Vorteile, die ausgearbeitet werden, wieder allen Bietern zur Verfügung stellen. Da werden die Innovationen überschaubar sein.

Auch wenn ich das BIM-Know-how der großen Auftragnehmer in der Planungsphase nutzen will, geht das nicht, weil alle, die an der Ausschreibung mitgearbeitet haben, und das BIM-Modell wäre dann die Grundlage der Ausschreibung, dürfen dann im Bau nicht mehr anbieten. Da muss sich einiges ändern. Diese Verschränkung von Planung und Bau noch vor der Bauphase muss besser funktionieren.   

Breitwieser: BIM könnte uns da helfen. Denn BIM macht ohne Kooperation keinen Sinn.

Heid: Wir können mehr, als wir glauben. Man kann etwa über Rahmenvereinbarungen einen Pool an Planern und Bauausführenden schon vor Projektvergabe an einen Tisch bringen. Und erst wenn das Projekt bis ins letzte Detail durchdacht ist, kommt es zur Vergabe. Das alles ist möglich, man muss nur kreativ sein.

 

Conclusio

Am Ende einigte sich die Expertenrunde auf folgenden konkrete Maßnahmen und Forderungen:

- es braucht mehr Pilotprojekte: Zu zeigen, dass es funktioniert, ist das beste Argument! Damit kann man den Kritikern
den Wind aus den Segeln nehmen.

- Änderung des Ziviltechnikergesetzes, um Koalitionen und interdisziplinäres Arbeiten zu ermöglichen!

- Standards und normen schaffen, um von erfolgreichen Pilotprojekten zur standardisierten Abwicklung von alternativen Vertragsmodellen zu kommen!

- Wissenschaftliche Projektbegleitung und Erarbeitung von konkreten Leitfäden!

- Partnerschaftsmodelle müssen verpflichtende Lehrinhalte an Universitäten werden!

 


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Last modified onDienstag, 03 November 2020 16:36
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