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»Wir wollen es dem Kunden leichter machen«

Foto: »Wir müssen über die Grenzen blicken. Vieles, das bei uns noch undenkbar ist, funktioniert in anderen Ländern seit Jahren«, sagt Johann Marchner. Foto: »Wir müssen über die Grenzen blicken. Vieles, das bei uns noch undenkbar ist, funktioniert in anderen Ländern seit Jahren«, sagt Johann Marchner.

Nach dem überraschenden Abgang von Mike Bucher hat der bisherige Geschäftsführer Vertrieb, Johann Marchner, die Leitung von Wienerberger Österreich übernommen. Im Interview spricht er über seine Pläne und Schwerpunkte, neue Vertriebsstrukturen und digitale Meilensteine. Und er erklärt, warum auch ein Produkt wie der Ziegel Emotion schüren muss. 

Report: Ihr Vorgänger Mike Bucher hat Wienerberger ziemlich überraschend in Richtung Schöck verlassen. Sie selbst sind erst seit Mai 2019 im Unternehmen. Wie kalt war das Wasser, in das Sie springen mussten?

Johann Marchner: Natürlich sind mit dem Abgang von Mike Bucher einige zusätzliche Agenden dazugekommen. Als Geschäftsführer Vertrieb war ich aber auch in der Tiefe schon relativ gut im Unternehmen verankert. Da gab es immer eine sehr enge Abstimmung und gute Zusammenarbeit. So kalt war das Wasser also nicht.

Report: In Ihren ersten Monaten hat sich vermutlich alles um Corona gedreht. Kommt jetzt erst die Zeit, sich richtig in der neuen Position einzuarbeiten?

Marchner: Die Produktion und die verschiedenen Standorte haben für mich eine große Bedeutung. Da geht es auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die wissen wollen, wie angreifbar der neue Geschäftsführer ist. Die geplanten Werksbesuche konnten jetzt natürlich nicht stattfinden. Das bedaure ich sehr, weil ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerne diese Wertschätzung entgegengebracht hätte. Das holen wir aber jetzt nach. Das ist mir sehr wichtig.

Report: Mike Bucher hat seinen Schwerpunkt im Bereich der Digitalisierung gesehen. Wo werden Sie Ihre Prioritäten setzen?

Marchner: Ich komme von Fundermax, einem stark prozessorientierten und von der Digitalisierung getriebenen Unternehmen. Ich komme also auch sehr stark aus dieser Welt. Deshalb wird die Digitalisierung natürlich ein wesentlicher Bestandteil bleiben. Da geht es auch um Marketing und Lead-Generierung.

Wir müssen unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Da hat sich in den letzten Jahren enorm viel getan, die Zyklen werden immer kürzer. Vieles findet auch parallel statt. Dieser Komplexität müssen und werden wir uns stellen.  Digitalisierung ist für mich vor allem ein Synonym für Effizienz. Wir müssen aber auch emotionalisieren. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das ist für mich mit die größte Herausforderung in der Digitalisierung.  

Report: Der Ziegel an sich ist aber nicht unbedingt ein emotionales Produkt, das Begeisterung hervorruft wie etwa ein neues Smartphone. Beim Dachziegel V11 hat man sehr stark in Richtung Design gearbeitet. Geht das schon in diese Richtung der Emotionalität?

Marchner: Auf jeden Fall. Das ist eine absolute Notwendigkeit. Ich war drei Jahre lang im Bereich »keramische Fliesen« tätig. Was sich in diesem Bereich in Sachen Design und Ästhetik getan hat, ist schon beeindruckend. Deshalb ist Design und Ästhetik für mich nichts Neues. Es war eher überraschend, dass gerade im Dachziegelbereich, bei Produkten, die Jahrzehnte sichtbar sind, Emotionalität kaum eine Rolle gespielt hat. Damit hat man beim Steildach auch die Architekten etwas verloren.

Report: Im nicht sichtbaren Bereich dominiert die Rationalität, im sichtbaren Bereich die Emotionalität?

Marchner: Im nicht sichtbaren Bereich steht sicher die Technik im Vordergrund. Da geht es aber auch um Raumgefühl und Behaglichkeit. Das ist auch etwas Emotionales. Das kann man spür- und fühlbar machen, lässt sich aber schwer zeigen. Diesen Wert des Grundbaustoffs muss man entsprechend vermitteln.

Report: Sie haben die Effizienz angesprochen. Da sind wir schnell beim Thema Produktivität, das die Branche seit einiger Zeit stark beschäftigt. Welche Rolle kann Wienerberger bei der Produktivitätssteigerung spielen.

Marchner: Ein Aspekt ist, dass wir es dem Kunden so einfach wie möglich machen wollen, an unsere Produkte zu kommen. Deshalb haben wir gerade eben ein neues Online-Bestell-Service gelauncht. Das erleichtert den Bestellvorgang enorm und liefert durch eine perfekte Auslastung der LKW auch gleich die Logistik mit. Das ist nur ein kleines Beispiel, ist aber eine enorme Hilfe auf der Baustelle.

Wir denken die Digitalisierung über die gesamte Wertschöpfung und den gesamten Wertstrom. Es wird noch in diesem Jahr einen echten Meilenstein geben, wie wir es unseren Kunden leichter machen, das zu bekommen, was sie brauchen und wollen. Das hilft im Umkehrschluss natürlich auch uns. Das ist gar nicht so einfach, weil wir sehr unterschiedliche Kunden haben, auch innerhalb derselben Zielgruppe, von sehr aufgeschlossenen Kunden bis zu traditionell denkenden Kunden. Die müssen wir alle mitnehmen.

Report: Wenn es um Produktivitätssteigerungen geht, ist man schnell beim Thema Vorfertigung. Welches Potenzial sehen Sie für den Ziegel?

Marchner: Da hilft uns der Gruppengedanke und der Blick über die Grenzen hinaus. Vieles, das bei uns noch undenkbar ist, funktioniert in anderen Ländern seit Jahren, etwa dass man Dachelemente vorfertigt. Man kann einen Markt nur weiterentwickeln, wenn man das Angebot schafft.

Wir sehen, dass in einzelnen Industriesegmenten der Vorfertigungsgrad viel höher ist. Wir sehen aber auch, dass sich rein kaufmännisch betrachtet die Vorfertigung oft nicht rechnet. Deshalb spielt die Vorfertigung beim Ziegel noch nicht die Rolle, die sie spielen kann und auch spielen wird.

Report: Wohin kann es gehen?
Marchner: Die integrierte Planung stellt noch mehr Herausforderungen an die Produzenten. Es geht darum, in der Planungsphase voll digitalisiert so schnell wie möglich zum Bauteil und zum Baukörper zu kommen. Daran wird kein Weg vorbeiführen.

Report: Im Zuge der Klimaschutzdiskussion gibt es wieder den Versuch, den Baustoff Holz stärker zu fördern als andere. Wie reagieren sie auf diese einseitige Bevorzugung?

Marchner: Jeder Baustoff hat seine Berechtigung. Ich denke, wir müssen weiter unsere Stärken kommunizieren und zeigen, was wir besser können als andere. Ich glaube auch, dass in den verschiedenen Expertengremien mehr und mehr Objektivität einkehrt. Das zeigt sich auch an zahlreichen Studien. Der Klimaschutz ist für uns Verpflichtung.

Deshalb ist es auch unser Anliegen, nachhaltig zu arbeiten. Das schafft breite Akzeptanz in der Bevölkerung und ohne die wird es nicht gehen. Denken Sie an das Thema Fleisch und Fleischproduktion. Das hat man auch gewusst, was da abgeht, aber jetzt wird es bewusster. Das wird sich auf das Konsumentenverhalten auswirken.

Deshalb startet der Verband der österreichischen Ziegelwerke auch eine breite Kommunikations- und Lobbyingoffensive »Mit Ziegel das Klima retten«. Da wird umfangreiche Aufklärungsarbeit betrieben, um Vorurteile zu widerlegen und die vermeintlichen Vorteile von anderen Baustoffen mit Fakten zu widerlegen.

Report: Vor einigen Jahren gab es die Zielvorgabe, den Marktanteil von Ziegel im mehrgeschoßigen Wohnbau zu erhöhen. So richtig wurde dieses Ziel noch nicht erreicht. Wie soll das gelingen und welche Priorität hat das für Sie?

Marchner: Das ist natürlich ein sehr wichtiges Segment für uns. Ich glaube, dass schon in der Ausbildung angesetzt werden muss. Jeder Bauingenieur wächst mit Stahlbeton auf. Wir müssen uns an den Hochschulen und Fachhochschulen wieder mehr mit dem Mauerwerksbau beschäftigen.

Aber auch wir sind gefragt und leisten unseren Beitrag. Wir wollen den Planern die richtigen Tools an die Hand geben, damit sie professioneller das Mauerwerk planen können. Da werden wir nächstes Jahr ein entsprechendes Produkt im Markt platzieren.  

Report: Gibt es konkrete Ziele im mehrgeschoßigen Wohnbau?

Marchner: Wir wollen im zweistelligen Bereich wachsen.

Report: Heimo Scheuch hat in einem Interview mit dem Trend im März die Befürchtung geäußert, dass es wegen der Coronakrise einen Aderlass im Baustoffhandel geben wird. Teilen Sie diese Einschätzung?

Marchner:  Heimo Scheuch hat in diesem Zusammenhang nicht explizit vom österreichischen Markt gesprochen. Wir arbeiten sehr gut mit dem Baustoffhandel zusammen. Aber am Ende zählt das Leistungsprinzip. Dort, wo der Baustoffhandel seine Leistung bringt, mache ich mir gar keine Sorgen.

Wir arbeiten aber gemeinsam laufend daran, noch effizienter zu werden. Da gibt es einige Baustoffhändler, die etwa bei der Digitalisierung oder in der Logistik vorbildlich vorangehen. Was uns alle antreibt, ist die Frage, wofür der Kunde bereit ist zu zahlen, wo wir einen Mehrwert bieten können.

Report: Wofür ist denn der Kunde bereit, zu zahlen?

Marchner: Genauigkeit, Qualität, Beratung, Innovation. Der Kunde will ein preiswertes Produkt. Das bedeutet nicht »billig«, sondern das Produkt muss den Preis wert sein.

Unsere Aufgabe ist es, Produkte gemeinsam mit dem Kunden weiterzuentwickeln und die richtigen Services zu bieten, damit der Kunde effizienter wird. Deshalb wird es für unsere beiden Hauptsegmente Dach und Wand in Zukunft eigene Vertriebsstrukturen geben, um sich noch intensiver mit dem Markt zu beschäftigen.

Report: Was sollte im März 2021 von Ihrem ersten Jahr sichtbar sein, um von einem erfolgreichen Start zu sprechen?

Marchner: Erfolgreich war es dann, wenn die verschiedenen Projekte und Initiativen, die ich angesprochen habe, auch tatsächlich implementiert sind. Der Ausblick ist aber viel weiter, wir haben für alle Bereiche eine Roadmap. Wenn wir im Frühjahr 2021 überall im Zeitplan liegen, wäre ich sehr zufrieden.

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