Nationalratswahl 2019: Was die BautensprecherInnen der Parteien denken und wollen
- Written by Redaktion
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Im Herbst sind Nationalratswahlen, schon wieder. Nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung in Folge des Skandalvideos von Ibiza wird die österreichische Bevölkerung wieder zu den Urnen gebeten. Der Bau & Immobilien Report wird Sie in den nächsten Ausgaben mit für die Bauwirtschaft relevanten Informationen zu den Inhalten und Positionen der Parteien versorgen. Den Auftakt macht eine Umfrage unter den BautensprecherInnen der Parteien zu den Themen Wohnbau und Wohnbauförderung, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und Sanierung.
Thema: Leistbares Wohnen
Report: Leistbares Wohnen ist ein zentrales Thema in sämtlichen Wahlauseinandersetzungen der letzten Jahre. Speziell in den Ballungszentren steigen die Wohnkosten stark an. Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie sicherstellen, dass in Zukunft genügend (leistbarer) Wohnraum zur Verfügung steht?
Johann Singer, ÖVP
»Die Wohnkosten steigen speziell in den Ballungszentren, weil die Nachfrage nach Wohnraum dort besonders hoch ist. Ergo können wir nur mit einem ausreichenden Angebot Wohnen zu angemessenen Preisen sicherstellen. Wir müssen daher steuerliche und wohnrechtliche Anreize setzen, um einerseits den Neubau anzukurbeln und andererseits leerstehende Wohnungen auf den Markt zu bringen. Weil Grund knapp und v.a. auch teuer ist, sollten alle Möglichkeiten zur Nachverdichtung genutzt werden. Außerdem braucht es ein attraktiveres Baurecht.«
Ruth Becher, SPÖ
»Durch die Flächenwidmung ›Sozialer Wohnbau‹ und Eindämmung der Spekulation sind die Grundkosten als wesentlichster Preistreiber für den bezahlbaren Wohnbau wieder auf Vor-Krisen-Niveau zu bringen. Ein modernes, einheitliches und transparentes Mietrecht ist ebenso nötig wie die Forcierung des geförderten Wohnbaus, was in Wien derzeit erfolgreich umgesetzt wird.«
Philipp Schrangl, FPÖ
»Leistbares Wohnen ist ein zentrales sozialpolitisches Thema. Insbesondere im urbanen Raum muss ein breites, sozial gebundenes Mietwohnungssegment bestehen, um die Märkte zu dämpfen. Die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes trägt hier eine starke freiheitliche Handschrift: Wir stellen uns eindeutig gegen spekulative, neoliberale Spekulation mit sozialem Wohnraum. Hier haben wir einen konsequenten Weg eingeschlagen, der einen Kontrapunkt zum roten Wien bildet.“
Gerald Loacker, NEOS
»Mehr Angebot erzielt preisdämpfende Wirkung. Daher Zweckwidmung der WBF-Gelder, Baulandmobilisierung (Konversion, Baulücken und Entwicklung statt Zersiedelung), steuerliche Maßnahmen (z.B. degressive Abschreibung), Regularien lockern (Stellplatzverpflichtung, …). Der Rechtsrahmen muss Neubau attraktiv machen (Interessensausgleich zw. Eigentümer/Mieter im MRG). Der Bestand braucht Einkommensmonitoring im geförderten Wohnbau, Reduktion der Eintrittsrechte (›Mietadel‹), Prüfen des Förderungsprinzips.«
Thema: Wohnbauförderung
Report: Im Zuge der letzten Finanzausgleichsverhandlungen wurden die Verländerung des Wohnbauförderungsbeitrags und die länderseitige Einführung verpflichtender Wohnbauprogramme beschlossen. Haben sich diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht bewährt oder sollten bei den nächsten Verhandlungen Anpassungen vorgenommen werden?
Johann Singer: »Nachdem die Länder für die Wohnbauförderung zuständig sind, war es naheliegend, dass sie auch volle Autonomie hinsichtlich der Tarifgestaltung haben sollten. Wichtig ist letztendlich, dass ausreichend Mittel zur Sicherstellung von leistbarem Wohnen zur Verfügung stehen. Ein Instrument, das eine günstige Finanzierung gewährleisten würde, ist die Wohnbauinvestitionsbank, die quasi als Vehikel zur Weiterleitung zinsgünstiger EIB-Kredite fungiert. Derzeit arbeiten wir noch an Lösungen, damit die Länder dieses Instrument auch bestmöglich einsetzen können.«
Ruth Becher
»Hier gibt es vereinzelte positive Signale, etwa im Kampf gegen die Zersiedelung im ländlichen Raum. Grundsätzlich ist eine stärkere Konzentration auf den geförderten, mehrgeschoßigen Wohnbau wichtig, um Umwelt und Kosten in Balance zu halten.«
Philipp Schrangl: »Als Freiheitlicher bekenne ich mich zum Föderalismus. Teilweise gibt es im Wohnbaubereich aber Auswüchse einzelner Bundesländer, die den Interessen der Menschen abträglich sind. Wiederum in Wien werden im geförderten Bereich in Wahrheit vielfach Öko-Wohnungen anstatt Sozialwohnungen errichtet. Junge Familien und Mindestpensionisten sollen mit ihrer Miete das Weltklima retten – das ist nicht sozial gerecht. Hier muss es zu einer Trendwende kommen. Die kommenden Verhandlungen müssen einen klaren Schwerpunkt auf Leistbarkeit legen.«
Wolfgang Zinggl, Liste Jetzt: »Die Schaffung und Erhaltung von leistbarem Wohnraum ist mein zentrales Anliegen im Ausschuss für Bauten und Wohnen. Ich haben dazu mehrere Gesetzesanträge zur Reduktion von befristeten und vor allem von Kurzzeitvermietungen eingebracht und werde diese Anträge in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl im Nationalrat zur Abstimmung bringen.«
Nina Tomaselli, Die Grünen
»Die Politik muss sich die Vormacht am Wohnungsmarkt wieder zurückholen, denn der Plan mit der unsichtbaren Hand des freien Marktes, mit dem sich alles in Wohlgefallen auflöst, ist gescheitert. Wir stehen für eine Politik, die mutig dafür eintritt, bezahlbares Wohnen zu garantieren und dabei auch nicht vor unorthodoxen Maßnahmen zurückschreckt. Die Probleme am Wohnungsmarkt sind vielfältig und auch kompliziert. Es gibt keine einfachen Antworten. Es muss an vielen Schrauben gedreht werden.«
Gerald Loacker: »Augenblicklich haben die Landeshauptleute ein politisches Kartell geschlossen und vereinbart, alle den Maximalbeitrag als WBF-Beitrag zu kassieren. So kann Steuerautonomie für die Länder nie funktionieren. In Wirklichkeit sind die Landeshauptleute sehr glücklich, dass der Bund die Steuern einhebt und die Länder nur Geld ausgeben.«
Wolfgang Zinggl: »Hierzu habe ich bundesländerseitig keine ausreichenden Daten für eine seriöse Evaluierung.«
Nina Tomaselli: »Wichtig ist, dass das gebaut wird, was auch gefragt ist. Es gibt Boomregionen und Abwanderungsregionen. Die jeweiligen Notwendigkeiten sind komplett anders. Wir Grüne wollen deshalb, dass der Wohnbedarf für den privaten und den geförderten Wohnbau einheitlich, systematisch und verpflichtend erhoben wird. Darauf aufbauend sollen verpflichtende Wohnbauprogramme erstellt werden, deren Umsetzung der Bund auch kontrollieren muss.«
Thema: Sanierung
Report: Die Sanierungsrate in Österreich liegt deutlich unter 1 %. Laut Experten sollte aber zumindest eine Quote von 2 %, wenn nicht sogar 3 % angestrebt werden. Welche Sanierungsquote streben Sie an und für welche konkreten Maßnahmen würden Sie sich bei einer Regierungsbeteiligung einsetzen, um die Sanierungsrate zu erhöhen?
Johann Singer: »Das 2%-Ziel ist in der österreichischen Klima- und Energiestrategie unter Türkis-Blau vereinbart worden und daran halten wir natürlich auch fest. Letztendlich geht es aber darum, hinzusehen, wo es den größten Handlungsbedarf gibt, und den gibt es im Wesentlichen bei den Nachkriegsbauten. Die Wahl der Mittel soll durchaus vielfältig sein: Von monetären Zuschüssen oder Steuererleichterungen, über wohnrechtliche Anpassungen, wie sie gerade im WGG vorgenommen werden, bis hin zu Mietzinsbildungsregimen, die Sanierungsmaßnahmen belohnen, ist für mich vieles denkbar und auch notwendig.«
Ruth Becher: »Die Qualität der Bausubstanz ist beispielsweise im gemeinnützigen Sektor hervorragend und die Erhaltungsqualität im europäischen Vergleich herausragend. Für den privaten Sektor sehe ich Anreize in Form eines investitionszentrierten Zuschlagssystem als Lösung, wie sie im SPÖ-Vorschlag für das erste österreichische Universalmietrecht vorgesehen ist.«
Philipp Schrangl
»Im Bereich der Gemeinnützigen liegt die Sanierungsrate wesentlich höher als im privaten Bereich. Wirksame und großzügige steuerliche Anreize zur Anhebung der Sanierungsrate wären sinnvoll: So kann die Qualität der Wohnungen verbessert werden, ohne die Bewohner zu belasten. Wenn im Einzelfall trotzdem keine Bereitschaft zur Investition besteht, könnten etwa Abschläge in der Höhe des Mietzinses denkbar sein.«
Gerald Loacker: »Im Wohnungseigentumsgesetz fehlt die Flexibilisierung der Willensbildung (Beschluss von Sanierungsvorhaben bei qualifizierter Mehrheit der Abstimmenden). Die wirtschaftliche Komponente geht damit Hand in Hand. Im Mietrechtsgesetz muss der Eigentümer eine Sanierungsmaßnahme, wenn sie Betriebskosten senkt, in diesem Maß auch gleich auf den Mietzins umlegen können. So lange der Eigentümer auf den Sanierungskosten sitzen bleibt, wird er Sanierungen vermeiden.«
Wolfgang Zinggl
»Um die in Paris vertraglich vereinbarten Klimaziele zu erreichen, muss die Sanierungsrate auf die von Expertinnen und Experten geforderten 3 % angehoben werden. Von diesem Ziel waren die ÖVP-Minister der letzten Jahren weit entfernt. Im Gegenteil: Die entsprechenden Förderungen wurden gekürzt, anstatt sie zu erhöhen. Hier würde ich konkret den Hebel ansetzen.«
Nina Tomaselli: »Die Grünen schließen sich der ExpertInnenmeinung an und fordern eine Sanierungsrate von 3 %. Das sorgt nicht nur für mehr Klima- und Bodenschutz, sondern verringert Leerstände und schafft Arbeitsplätze. Dafür braucht es verbindliche Ökostandards in der Wohnbauförderung, aber auch eine Ökologisierung der Bautechnikverordnungen. Nachhaltig wohnen ist, wenn intensiver genutzt wird, was schon da ist.«
Thema: Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz
Report: Die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Was wären aus Ihrer Sicht wesentliche Eckpfeiler der Novelle (gewesen)?
Johann Singer: »Zwei Bereiche waren mir besonders wichtig: zum einen Erleichterungen beim Mietkauf, weil besonders das Mietkaufmodell für Klein- und Mittelverdiener eine gute Möglichkeit ist, um sich den Traum vom Wohnungseigentum zu erfüllen. Zum anderen mussten wir zuletzt häufig beobachten, wie versucht wurde, gemeinnütziges Vermögen abzuschöpfen. Das wollen wir v.a. durch eine Stärkung der Aufsicht unterbinden.«
Ruth Becher: »Die Maßnahmen zur Spekulationsbekämpfung sind sinnvoll. Insgesamt stellt sich die Frage: Was bringt es den Mieterinnen und Mietern kostenseitig? Hier scheint der Entwurf mangelhaft, weil nicht im Sinne der Wohnungsnutzenden.«
Philipp Schrangl: »Aus unserer Sicht enthält die Novelle zwei wesentliche Säulen: Einen wirksamen Österreicher-Bonus, der endlich für Gerechtigkeit bei der Vergabe von Genossenschaftswohnungen sorgen wird. Und einen wirksamen Schutzschirm gegen spekulative Interessen, um die hunderttausenden Wohnungen des gemeinnützigen Sektors für ihre Bewohner und kommende Generationen zu erhalten.«
Gerald Loacker: »Der in Begutachtung gegangene Entwurf von Schwarz-Blau war in Ansätzen okay. Mehr Eigentumsbildung und Verhinderung von Spekulation sind wichtige Themen im Rahmen einer WGG-Novelle. Es fehlen aber wichtige Elemente wie Transparenz (Bezüge, Vergaben, Verkauf), Einkommensmonitoring, Abstimmung der Umsatzsteuerberichtigungszeitraumes (USTG) auf die im WGG vorgesehene Mindesthaltedauer bis zur Kaufoption, die auf z.B. fünf Jahre verringert werden könnte.«
Wolfgang Zinggl: »Der Vorstoß der Regierung zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist ein Lehrbeispiel der türkis-blauen Symbolpolitik. Kaum eine Österreicherin oder ein Österreicher wird bessergestellt. Es soll lediglich das Gefühl vermittelt werden, dass Nicht-Österreicher schlechtergestellt werden. Zentral ist aus meiner Sicht, dass der erleichterte Erwerb nach wie vor eine Frage der grundsätzlichen Leistbarkeit bleibt. Um diese zu gewährleisten, habe ich einen eigenen Antrag zu einer WGG-Novelle im Nationalrat eingebracht. Dieser verzichtet auf unsachliche Polemik und soll sicherstellen, dass gemeinnütziger Wohnraum auch langfristig als solcher erhalten bleibt und nicht dem sozialen Wohnungsmarkt entzogen wird.«
Nina Tomaselli: »Wir Grüne wollen eine Stärkung des gemeinnützigen Sektors. Geförderter Wohnbau ist der beste Preisdämpfer am Markt. Wir befürchten allerdings durch den türkis-blauen Vorschlag eine Aushöhlung des österreichischen Wohnungserfolgsprojektes. Nachholbedarf hat das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vor allem in den Fragen eines fairen und treffsicheren Zugangs zu den gemeinnützigen Wohnungen. Wir wünschen uns verpflichtende Transparenz bei den Wohnungsvergaben.«