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Lehrlinge in der Bauwirtschaft – Teil 2: Die Baustoffindustrie
Seit 2008 hat die Zahl der Lehrlinge in der Bauwirtschaft um 20 Prozent abgenommen. Deshalb startete der Bau & Immobilien Report eine mehrteilige Serie, um die Ursachen dieser Entwicklung zu analysieren und mögliche Gegenmaßnahmen aufzuzeigen. Dieses Mal im Fokus: die Baustoffindustrie.
Die World Skills in São Paulo haben es eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Qualitativ ist die Ausbildung in der österreichischen Bauwirtschaft Weltklasse. Quantitativ ist die Lage allerdings weit weniger erfreulich. Laut Statistik der BUAK hat die Zahl der Lehrlinge in der Bauwirtschaft in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Wurden im Jahr 2008 österreichweit noch 8.269 Lehrlinge ausgebildet, waren es 2014 nur noch 6.588 (siehe Kasten S.30). Das entspricht einem Rückgang von mehr als 20 %. Ganz ähnlich ist die Entwicklung in der Baustoffindustrie, auch hier ist in den letzten Jahren ein signifikanter Rückgang bei den Lehrlingszahlen festzustellen. Auch die Lehrlingsquote ist bescheiden. Laut einer Erhebung des Bau & Immobilien Report unter 20 führenden Unternehmen der Baustoffindustrie sind nur rund 2,74 % aller Mitarbeiter in Österreichs Baustoffindustrie Lehrlinge. Damit liegt man zwar über dem Schnitt in der Bauindustrie (2,47 %), aber deutlich hinter der Lehrlingsquote in Handwerk (6,9 %), Handel (4,8 %) und Industrie (3,8 %) allgemein.
Die Gründe
Für die rückläufigen Lehrlingszahlen in der Baustoffindustrie gilt dasselbe wie in allen andere Branchen. Eine Mitschuld trägt die generelle demografische Entwicklung, die, verstärkt durch den Trend zur weiterführenden Schulausbildung, das Potenzial an geeigneten Lehrlingskandidaten sukzessive kleiner werden lässt. Und auch die angespannte konjunkturelle Lage trägt ihren Teil bei. »Der Rückgang liegt vermutlich an der erwarteten Auftragsentwicklung. Ausschreibungen, Aufträge und Vergaben sind generell rückläufig, weshalb weniger Personalbedarf anfällt«, sagt etwa Franz Josef Eder, Lehrlingsbeauftragter im Verband österreichischer Beton- und Fertigteilwerke VÖB. Außerdem erschweren viele Vorschriften die Aufnahme und Ausbildung von Lehrlingen: Darunter fallen restriktive Regelungen bei Baustelleneinsätzen und die limitierten Möglichkeiten für Überstunden, selbst in Ausnahmefällen. Hier wurde mit der Einbeziehung der Bau-Lehrlinge in die Schlechtwetterregelung im Rahmen der letzten KV-Verhandlungen zumindest eine kleine Erleichterung erzielt.
»Außerdem gibt es häufig einen Mangel an Bewerbern mit ausreichendem Entwicklungspotenzial, weshalb auf die Aufnahme von Lehrlingen oft verzichtet wird«, sagt Eder, der die Lehrlinge für seine Betriebe, Ziegelwerk Eder, Systembau Eder und Transportbeton Eder, vornehmlich aus Landwirtschaftsschulen rekrutiert. »Das ist ein bisschen ein Geheimtipp. Aber die Absolventen einer zweijährigen Landwirtschaftsschule bringen alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lehre mit. Das sind in der Regel sehr gute Allrounder.«
Die Probleme, die richtigen Kandidaten für eine Lehre zu finden, ziehen sich quer durch die Branche. »Wenn wir Lehrplätze im IT- oder Bürobereich ausschreiben, bekommen wir in der Regel sehr viele und sehr gute Bewerbungen. Anders sieht es in den technischen Berufen aus«, erklärt Alois Gruber, Leitung Aus- und Weiterbildung bei Binderholz. »Wir würden gerade im Holzbereich gerne mehr ausbilden, aber es ist sehr schwierig, die geeigneten Leute zu finden.« Binderholz setzt deshalb auf verstärkte Recruiting-Aktivitäten, ist auf Lehrlings- und Berufsmessen aktiv und geht auch in Schulen, um geeignete Kandidaten zu finden.
Weitgehende Einigkeit herrscht auch darüber, dass der allgemeine Trend zu höheren Schulen mitverantwortlich für die rückläufigen Lehrlingszahlen ist. »Viele Eltern verknüpfen eine Ausbildung in einer höheren Schule mit besseren Berufschancen. Dabei steht motivierten Lehrlingen heute die Karriereleiter bis nach oben offen«, ist Manfred Tisch, Geschäftsführer der Wopfinger Baustoffindustrie überzeugt. »Wir hier in Wopfing bilden unsere Lehrlinge so umfassend aus, dass die Lehrlinge von heute, die Geschäftsführer von morgen sein können.« Jugendliche sollten sich ihre Ausbildung nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten und Interessen auswählen, denn dann gäbe es wieder genügend gute Schüler als Anwärter für eine Lehrstelle. Außerdem braucht es speziell in den neuen Mittelschulen mehr der Praxisbezug in der Berufsorientierung: »Daher wäre mein Vorschlag nicht nur die Lehrkräfte in die Berufsorientierung einzubinden, sondern verstärkt Firmenvertreter einzuladen«, so Tisch.
Franz Josef Eder spricht sich zudem für eine Konzentration der Ausbildung an einem Berufsschulstandort aus. So werden pro Jahrgang nur rund acht Lehrlinge zum Betonfertigungstechniker ausgebildet, dennoch gibt es dafür mit Graz und Freistadt zwei Berufsschulen. »Durch die Einsparungen, die durch die Zusammenlegung der derzeit zwei Ausbildungseinrichtungen entstehen, kann gezielter in die Ausbildung der Lehrlinge investiert werden«, glaubt Eder. Mittelfristig soll es deshalb nur noch den Standort Freistadt geben.
Vorzeigeunternehmen
Es gibt natürlich auch in der Baustoffindustrie einige Unternehmen mit Vorbildcharakter. So kommt LafargeHolcim etwa auf eine stolze Lehrlingsquote von 7,57 %, das heißt, fast jeder zehnte Mitarbeiter in Österreich ist ein Lehrling. Das Trockenbauunternehmen Rigips war 2004 das erste Unternehmen, das eine Lehrlingstrophy geschaffen hat, 2006 hat Mitbewerber Knauf mit der Junior Trophy nachgezogen und kann heute auf eine ordentliche Lehrlingsquote von 4,88 % verweisen.
Binderholz bietet zusätzliche Lehrlingstage, an denen ein Kompetenztraining im Bereich Soft Skills sowie erlebnisorientierte Ausflüge im Vordergrund stehen. Bei Ardex haben Lehrlinge die Möglichkeit für einen Monat ins Ausland zu gehen, um in einer dortigen Niederlassung zu schnuppern.
Die Kirchdorfer-Gruppe bildet in nahezu allen Töchterunternehmen Lehrlinge aus, wobei der Lehrlingsanteil wie bei der Firma Rauter bis zu zehn Prozent der Belegschaft ausmacht. Im Kirchdorfer Zementwerk gibt es für die Lehrlinge ein externes Coachingangebot, um die Auszubildenden auch ganz persönlich bestmöglich auf ihrem Weg ins Berufsleben zu begleiten. Darüber hinaus wird das interne Ausbildungssystem laufend evaluiert und erweitert. Aktuell wird beispielsweise an der Errichtung einer eigenen Lehrlingswerkstatt getüftelt, damit durch praxisgerechtes Üben die Lehrzeit sowohl für den Lehrling als auch für das Unternehmen den größtmöglichen Nutzen bringt.
Bei Baumit Wopfinger wird seit 2008 mit einem völlig neuen Ausbildungskonzept gearbeitet: »Unsere Lehrlinge werden in einer modernst eingerichteten Lehrwerkstätte praktisch und theoretisch ausgebildet. Außerdem setzen wir verstärkt auf die Vermittlung sozialer Kompetenzen. Für unser Ausbildungskonzept sind wir 2013 auch mit dem Staatspreis »Fit for Future« als bester Lehrbetrieb ausgezeichnet worden«, erklärt Tisch.
Kampf um Anerkennung Erst seit 2009 gibt es den Lehrberuf Transportbetontechniker. Zwei Jahre kämpfte der Güteverband Transportbeton GVTB um die Anerkennung des Lehrberufs. Und das durchaus mit Erfolg, wie die Anzahl der Lehrlinge beweist. »Aber es sind immer noch zu wenig Lehrlinge, wir könnten mindestens 50 % mehr Lehrlinge brauchen«, ist GVTB-Geschäftsführer Christoph Ressler überzeugt. Eines der wichtigsten Anliegen hinter der Ausbildung im Lehrberuf Transportbetontechnik ist die Sicherung des Qualitätsstandards. »Früher bildeten Unternehmen ihre Mitarbeiter selbst, jedoch ohne speziellen Vorgaben, aus – nun gibt es eine professionelle Grundlage, die eine hochqualitative Ausbildung garantiert«, erklärt GVTB-Lehrlingsbeauftragter Hans Andorfer. |