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Horrorshow

Wenn sich Halloween schon in Europa einbürgert, dann richtig. Ein Albtraum von Rainer Sigl.

Ja, ich geb’s zu: Ich habe Halloween früher nicht gemocht. Ich gestehe: In den ersten Jahren dieser Untradition habe ich die quakende Rotzlöffelschaft mit liebevoll-herbem Charme und sanftem Druck wieder Richtung weiter hinten wartende Eltern bugsiert, doch derlei Konsumverweigerung kommt auf Dauer bei den Nachbarn nur mäßig sympathisch rüber.

Deshalb trete ich heuer die Flucht nach vorne an – wenn Halloween schon das Fest des wohligen Gruselns ist, dann werde ich sowohl die Kleinen als auch die Eltern, die an der Weiterverbreitung dieser organisierten Unart beteiligt sind, gründlich das Fürchten lehren. Jaha, ich sag’s Ihnen gleich: Wer bei mir um Süßes oder Saures fragt, betritt geradewegs das TOR ZUR HÖLLE!

Zunächst werde ich die Kleinen samt Eltern freundlich hereinbitten. Der Terror beginnt subtil, aber nachhaltig, denn ich werde meine bescheidene Hütte extra für diesen Anlass mit maximalem Gruselfaktor ausstatten. Schon im Flur finden sich die Halloween-Gäste mit den Porträts der Kanzler und Vizekanzler der letzten Jahrzehnte konfrontiert, und als wäre das nicht genug, lauern vorne, gleich hinter der Ecke, lebensgroße Poster der Klubobmänner – jaha, da werden auch die Hartgesottensten unter den Eltern ein mulmiges Gefühl bekommen!

Im Wohnzimmer dann wird der Schreckenspegel nochmals erhöht: Im TV läuft eine Aufzeichnung der gruseligsten Aschermittwochsbierzeltansprachen, während als subtiler, aber ebenso abartiger Kontrapunkt auf der Stereoanlage die verschollen geglaubte Lieder-CD von Wolfgang, Liesl und Willi läuft – kaum jemand kann sich dieser unheiligen Melange verschließen, vor allem, da ich per Beamer für unmerkliche Sekundenbruchteile Aufnahmen von Maiaufmärschen an die Decke projiziere.

Sie meinen, das wäre plump? Das ist noch nicht alles! Als Meister des psychologischen Schreckens frage ich die Kleinen dann mit vorgeheuchelter Unschuld nach ihren Geburtsdaten – und berechne dann, wie lange sie arbeiten gehen müssen, um die Schulden der Hypo zurückzuzahlen! Spätestens da werden wohl die ersten Tränen sprudeln,  aber auch die Eltern kommen mir nicht ungeschoren davon, oh nein! Mit Fakten zur Pensionslücke und einem Referat zum Organigramm der Krankenversicherungsanstalten werde ich Terror und Furcht in die Herzen all jener säen, die meine herbstliche Feierabendruhe stören. Es folgt ein Finale furioso, in dem meine Frau, als ehemalige Finanzministerin verkleidet, hinter den Gardinen hervorhüpft und im O-Ton Fettnäpfchenklassiker kreischt, dann reiße ich das Tischtuch von einem Käfig, in dem die Plastikskelette von korrupten Lobbyisten unheimlich mit den Zähnen klappern, und wenn die Bande dann immer noch nicht weg ist, fange ich in nüchternem Plauderton an, aus den PISA-Ergebnissen der letzten Jahre zu zitieren …
Wenn ich mir das so überlege: Irgendwie ist das vielleicht doch zu gemein. Vielleicht beschütte ich die Bande dann doch aus dem Obergeschoß wieder mit Eiswasser, wie jedes Jahr. Man ist ja kein Unmensch.

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