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Hidden Champions

\"Schiebel.Sie entwickeln Bäckereimaschinen, Minensuchgeräte oder Hochleistungsseile. Firmen wie König, Schiebel oder Teufelberger sind allesamt in ihrer Nische Weltmarktführer, in der breiten Öffentlichkeit aber kaum bekannt. Sie sind die »Versteckten Sieger« der österreichischen Wirtschaft. Die größte Gemeinsamkeit: Sie liefern Produkte von hoher Qualität und verlangen dafür richtig viel Geld.

Die Schiebel elektronische Geräte GmbH produziert Minensuchgeräte und unbemannte Luftfahrzeuge, sogenannte Drohnen. In den 80er-Jahren hat das Wiener Unternehmen völlig überraschend einen Auftrag über 18.000 Minensuchgeräte der US-Army gewonnen und zählt seither zu den absoluten Weltmarktführern. Innerhalb der Branche genießt Schiebel einen ausgezeichneten Ruf, außerhalb der Branche ist das Unternehmen aber weitgehend unbekannt. Ganz ähnlich ergeht es 128 anderen mittelständischen Unternehmen in Österreich: Auch sie haben es unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit in den oft sehr engen Grenzen ihres Geschäftsfeldes bis zur Weltmarktführerschaft gebracht. Noch am ehesten bekannt sind Firmen wie Trotec mit ihren Lasergraviersystemen oder  Teufelberger mit Hochleistungsseilen. Aber nur echte Insider kennen die Altglassortierungslösungen von Binder & Co, die Bäckereimaschinen der König Maschinen GmbH oder die Lawinensuchgeräte von Pieps.

Der deutsche Wirtschaftsprofessor Hermann Simon hat für diese Unternehmen den Begriff »Hidden Champions« geprägt. Simon hat die Exporterfolge Deutschlands in den 90ern untersucht und ist dabei überraschend auf viele mittelständische Unternehmen gestoßen, die kaum ein Mensch kennt, die aber einen wesentlichen Beitrag zur positiven Handelsbilanz liefern. Dieses Phänomen hat jetzt Georg Jungwirth von der Fachhochschule Campus 02 in Graz aufgegriffen und in aufwendiger Recherche die »Hidden Champions« Österreichs ermittelt. Dabei ist er auf beachtliche 128 mittelständische Unternehmen gestoßen, die neben ihrer Weltmarktführerschaft auch noch andere Gemeinsamkeiten teilen. »Es sind sehr ähnliche Faktoren, die aus Unternehmen Hidden Champions machen«, erklärt Jungwirth. So sind etwa die meisten Hidden Champions inhabergeführt bzw. in Familienbesitz und unterliegen nicht dem Primat der Quartalszahlen. »Ihre Strategien und Ziele und auch die Positionierung des Unternehmens sind auf Langfristigkeit ausgerichtet.« Außerdem zeichnen sich die Gründer und Führungskräfte durch eine große Willenskraft und eine Extraportion Energie aus. Sehr oft verfügen die Hidden Champions auch über Mitarbeiter, die überdurchschnittlich motiviert sind und sich in hohem Maße mit dem Unternehmen identifizieren. Die Fluktuationsrate im Personalbereich ist meist sehr gering. Das liegt auch daran, dass die mittelständischen Weltmarktführer ihren Mitarbeitern mehr Entscheidungsfreiräume bieten als die meisten Großunternehmen.  

Von den 128 österreichischen Hidden Champions ist der Großteil im Industriegüterbereich tätig. Die Unternehmen beschäftigen durchschnittlich 373 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 56 Millionen Euro. Die Exportquote liegt bei 79 Prozent, der Median sogar bei 88 Prozent.  

Fokus auf Innovation

Ein weiterer Pluspunkt für die Hidden Champions: Im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern weisen sie eine deutlich höhere Tiefe bezüglich Wertschöpfung und Fertigung, aber auch im Bereich Forschung und Entwicklung auf. Outsourcing wird von den mittelständischen Global Playern gemieden, wo es nur geht. Man vertraut auf die eigenen Fertigkeiten und das eigene Know-how. Die Hidden Champions sind meist klar positioniert und scheinen ihre Mittel besser als der Mitbewerb zu fokussieren. »Nicht selten konzentrieren sie sich überhaupt nur auf eine Nische, um dort die Marktführerschaft zu erreichen«, erklärt Jungwirth. Dieses Leben in der Nische führt dazu, dass die Unternehmen schon relativ bald gezwungen werden, die Grenzen ihres Landes zu überschreiten und global aktiv zu werden. Diese Unternehmen werden als »Born Globals« bezeichnet.

Ein weiterer Erfolgsfaktor der Hidden Champions ist das permanente Streben nach Innovationen. Trotz beschränkter F&E-Budgets sind sie bei der Anmeldung von Patenten deutlich produktiver als die meisten großen Industriebetriebe. »Die österreichischen Hidden Champions haben pro 100 Mitarbeiter beeindruckende neun Patente angemeldet«, sagt Jungwirth. Großunternehmen wie Siemens, Bosch, Volkswagen oder BASF kommen laut Hermann Simon nur auf bescheidene 0,6 Patente pro 100 Mitarbeiter.

Qualität, Preis und Export

Im Gespräch mit den Geschäftsführern und Eigentümern der Hidden Champions hat Georg Jungwirth auch noch weitere Gemeinsamkeiten feststellen können.
Fast alle Unternehmen setzen auf Qualitätsführerschaft. Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte ist davon überzeugt, qualitativ hochwertigere Produkte als der Mitbewerb anzubieten. Diese Selbsteinschätzung wird auch weitgehend von den Kunden geteilt, wie Andrea Kraus von der FH Campus 02 in ihrer Studie »Die Erfolgsfaktoren ausgewählter österreichischer Hidden Champions« festgestellt hat: Immerhin 68 Prozent der Kunden der mittelständischen Weltmarktführer bestätigen die überlegene Produktqualität, weitere 17 Prozent schätzen die Qualität als vergleichbar mit der Konkurrenz ein. Über 80 Prozent bezeichnen ihr Produkt zudem als Hightech, für nur vier Prozent ist das eigene Produkt dem Low-Tech-Bereich zuzurechnen.

Als unmittelbare Folge dieser hohen Produktqualität sind die Hidden Champions laut eigener Ansicht auch eindeutig hochpreisig positioniert. »80 Prozent geben an, höhere Preise als der Mitbewerb zu verlangen, nur drei Prozent sehen das eigene Unternehmen preislich unter dem Mitbewerb«, berichtet Jungwirth. Die Kunden teilen diese Selbsteinschätzung nur bedingt, vor allem international sieht man die österreichische Preisgestaltung weniger dramatisch. Nur 57 Prozent der Kunden nehmen die Verkaufspreise als höher wahr, weitere 29 Prozent sehen diese auf ähnlichem Niveau wie der Mitbewerb positioniert.

Auch in der Vertriebsstrategie gibt es Gemeinsamkeiten. Viele Hidden Champions sind »Born Globals«. 60 Prozent der Unternehmen waren von Anfang an im Export tätig, ein Drittel wurde nach wenigen Jahren international aktiv und nur sechs Prozent widmeten sich laut eigene Angaben »erst sehr spät« dem Auslandsgeschäft. Fünf von sechs österreichischen Weltmarktführern verfügen über Auslandsniederlassungen, 89 Prozent vertreiben ihre Produkte direkt, 53 Prozent auch indirekt. 

 

 

Vom lokalen KMU zum Hidden Champion:

 

Ein Einheitsrezept für Weltmarktführerschaft gibt es nicht. Hier einige Grundregeln für den Weg an die Spitze:

> Unternehmen in Hochlohnländern können ihren Wettbewerbsvorteil nicht auf niedrigen Kosten aufbauen, stattdessen sollten sie über intensive F&E-Tätigkeiten Innovationen anstreben und qualitativ hochwertige Produkte anbieten.

> Werden hochwertige Produkte angeboten, kann das Unternehmen auch ruhigen Gewissens eine Hochpreisstrategie fahren, denn für die Kunden entscheidet das Preis-Leistungsverhältnis.

KMU fühlen sich in Nischen am wohlsten. Ein klarer Fokus führt zu einer unverwechselbaren Positionierung am Markt mit dem psychologischen Vorteil des vom Kunden angenommenen Spezialistentums.

> Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, ist auf ein ausgewogenes Produktportfolio im Produktlebenszyklus zu achten. Ein entsprechender Anteil an innovativen Produkten in der Einführungsphase gewährleistet langfristig die Profitabilität und damit die Existenz des Unternehmens.

> Unternehmen mit einem kleinen Heimmarkt wie Österreich sollten von Anfang an die ganze Welt als ihre Spielwiese betrachten.

> Unternehmen, die die Weltmarktführerschaft in Nischen anstreben, müssen sich stark am Kunden orientieren und die Nähe zum Kunden leben.

> Auch KMU kommen auf ihrem Weg zur Spitze an einer professionellen Kommunikation und Außendarstellung nicht vorbei.

 

Quelle: Georg Jungwirth, »Die Marketing-Strategien der mittelständischen österreichischen Weltmarktführer«
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