Die Produktion des Medizintechnikherstellers Dräger läuft auf Hochtouren. Die Technologie moderner Beatmungsgeräte lässt sich nur bedingt in Prozesse anderer Industriebetriebe integrieren, meint Melanie Kamann, Konzernsprecherin der Drägerwerk AG, mit Verweis auf die 120-jährige Unternehmensgeschichte Report: Was bedeutet die Covid-19-Krise für Ihr Unternehmen? Melanie Kamann: Wir sehen eine weltweit stark erhöhte Nachfrage insbesondere nach Beatmungsgeräten, einen vermehrten Bedarf an Zubehörprodukten für die Beatmung sowie auch nach leichtem Atemschutz. Der Nachfrageanstieg begann Anfang des Jahres in China und Asien und setzt sich nun, parallel zu steigenden Infektionszahlen, in vielen anderen Ländern fort. Während üblicherweise häufig Krankenhäuser als Kunden auftreten, sind es in der aktuellen Situation verstärkt Gesundheitsbehörden bzw. staatliche Stellen. Report: Inwieweit haben Sie die Produktion im Zuge der Pandemie umgestellt? Kamann: Wir haben in den letzten Jahren 70 Millionen Euro in eine hochmoderne Fabrik in Lübeck investiert und wir haben hier flexible Arbeitszeitmodelle und innovative Arbeitsorganisationsmodelle mit den Betriebsräten und den Gewerkschaften vereinbart. Das erlaubt uns, relativ gut auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. Wir haben unsere Produktion bereits Anfang des Jahres innerhalb von nur vier Wochen deutlich hochgefahren und bereits im Februar eine Rekordmenge von Intensivbeatmungsgeräten für China produziert. Wir werden unsere Produktion von Beatmungsgeräten in diesem Jahr mehr als verdoppeln, in Spitzenzeiten wird die Steigerung im weiteren Jahresverlauf sogar noch größer sein und das Vierfache der üblichen Mengen erreichen. Außerdem haben wir unseren Schichtbetrieb bereits im Februar erweitert und bereiten eine weitere Ausweitung vor. Parallel dazu gehen wir auch Engpassfaktoren wie beispielsweise Testequipment und Testräume an. Denn der Ausbau des Schichtbetriebs allein löst keine Kapazitätsengpässe. Wir werden im weiteren Jahresverlauf dazu auch noch die Zahl der Beschäftigten erhöhen – allein in Lübeck planen wir, bis zu 500 neue Mitarbeiter einzustellen. Report: Ist die österreichische Niederlassung an der Produktion ebenfalls beteiligt? Kamann: Unsere Niederlassung in Österreich ist eine Vertriebsgesellschaft, die damit befasst ist, unsere Produkte und Dienstleistungen dort zu vermarkten. Dazu steht sie in engem Kontakt mit den dortigen Kunden, um Krankenhäuser und Rettungsorganisationen mit erforderlichen medizinischen Geräten sowie deren Zubehör- und Ersatzteilen sowie mit Servicedienstleistungen und Schutzmasken zu beliefern. Report: Wie sehen Sie das Engagement von branchenfremden Unternehmen, etwa aus der Automobilindustrie, die nun ebenfalls medizintechnische Produkte herstellen? Kamann: Das allererste Beatmungsgerät überhaupt wurde 1907 von Dräger erfunden. Es gibt nur wenige Marktbegleiter, die ähnlich viel Erfahrung damit haben, Beatmungsgeräte zu entwickeln und zu produzieren. Das prägt fast die ganze Firmengeschichte von Dräger seit der Gründung 1889. Die Kerntechnologien der heutigen Beatmungsgeräte sind Elektronik und Software, die die Pneumatik steuern, und unterscheiden sich gegenüber dem Prozess anderer Industrien. Der effektive Betrieb einer Produktionsanlage für Beatmungsgeräte ist nur in einer integrierten Lieferkette mit Unterlieferanten von Komponenten möglich. Um den technologischen und qualitativen Anforderungen gerecht zu werden, sind eine enge Integration und ein enger Austausch erforderlich. Wir erhalten zahlreiche Angebote, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir können das nur jedoch begrenzt unterstützen und müssen unsere Ressourcen im Wesentlichen darauf konzentrieren, unseren gesellschaftlichen Versorgungsauftrag bestmöglich zu erfüllen. Wir erhalten auch zahlreiche Angebote, uns in der Lieferkette zu unterstützen, die prüfen wir alle im Einzelfall.