Europameister österreich
- Written by Redaktion_Report
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Analysiert wurden beispielsweise bürgerrelevante Online-Dienstleistungen rund um Arbeitsplatzsuche, polizeiliche Anzeigen, Dokumentenbeschaffung, Anträge für KFZ-Anmeldungen und Baugenehmigungen, Sozialleistungenoder gesundheitsbezogene Services, um hier nur einige der wichtigsten zu nennen. Auf der Unternehmerseite wurdenAngebote wie Steuer- und Zollerklärungen, Gewerbeanmeldungen und Konzessionserteilung, Sozialbeiträge oder öffentliche Beschaffung unter die Lupe genommen. Das knackige Faziteiner Aussendung der EU-Kommission: österreich ist in allen Bereichen führend. Das überschwängliche Lob aus Brüssel ist damit noch nicht erschöpft. Die Alpenrepublik ist nach Meinung derKommission gar ein »Musterbeispiel« dafür, wie man »das Angebot von Government-E-Services optimiert und zu beinahe hundert Prozent transaktionsorientiert gestaltet«. Obwohl bereits bei der letzten Studie auf hohem Niveau, gelang es auch diesmal, den Turbo-Nachbrenner einzuschalten und bei den Einzelwertungennoch einmal kräftig prozentual zuzulegen. Bei Kunst- und Medienstaatssekretär Franz Morak kommt da natürlich Freude auf.»Das ist ein schöner Erfolg der E-Government-Initiative derRegierung und aller Akteure«, so Morak. österreich habe enormesPotential und man werde die Chance der Digitalisierung auch in Zukunft optimal nutzen. Dass sein Name und die Regierungmit dem »schönen Erfolg« verknüpft sind, dürfte angesichtsdes kommenden Wahlkampfes nicht ungelegen kommen. Tatsächlich ist die Performance auch im Zeitvergleich beeindruckend.
Turboschub. Beim ersten E-Government-Benchmark heimste österreich fast noch die rote Laterne ein und landetelediglich auf den hintersten Plätzen. Seither ging es steilnach oben. Der Weg vom Nachzügler bis zum MusterbeispielEuropas wurde mit einem energischen Sturmlauf absolviert.Die gute Stimmung rund um EGovernment macht sich rundumbemerkbar. »Die Regierung scheint es ernst zu nehmen. Anallen Ecken und Enden sind innovative Triebkräfte zu spüren«,bemerkte ACP-Gesellschafter und Prokurist Martin Nemeth.Die Innovationen - und damit der Euro - rollen aber nicht nurim Inland. österreichs Ruf als Vorreiter einer effizienten E-Verwaltung dringt auch jenseits der Grenzen. Best-Practice-Beispiele wie FinanzOnline, der elektronische Akt ELAK oder die Plattform help.gv.at heimsten schon mehrfach internationaleAuszeichnungen ein. Ein Umstand, der auch beim von der Kommission festgestellten Know-how-Transfer in die neuen Mitgliedsstaaten nicht gerade schadet. österreichs Unternehmen wie beispielsweise die SBS haben sich zwischen Bukarest, Pragund Budapest als Lieferanten fest etabliert.
Die neuen »europäischen Tigerstaaten« weisen auch beimE-Government eine äußerst dynamische Entwicklung auf. DerBaltenstaat Estland gilt sowieso als kleines IT- und Internet-Wunderland und ist österreich in der Capgemini-Studiemittlerweile hart auf den Fersen. Aber auch Ungarn oder Slowenienhaben ihr Ranking massiv verbessert. Zugute kommt denöstlichen Nachbarn sicher, dass die Green-field-Investments das Problem von gewachsenen - und teilweise obsoleten - Strukturen gar nicht erst aufkommen lassen. Die IT- und Telekommunikations-Infrastruktur ist in den Oststaaten, zumindest dort, wo sie auf die grüne Wiese gesetzt wurde, vom Feinsten und teilweise moderner als in manchen »alten« EU-Staaten. Viel bewegt sich beimtechnisch-organisatorischen Hintergrund.
Brüssel schreibt auch beim Backoffice-Integration und Interoperabilität auf seine Fahnen. Vor allem hier sind bedeutende Kosten- und Beschleunigungspotenziale zu heben. »Beim übergreifenden und medienbruchfreien Prozessmanagement machen wir große Fortschritte«, sagt Kremsmünsters AmtsleiterReinhard Haider, dessen Gemeinde als Musterbeispiel für erfolgreiches E-Government dient.
Wo es noch hakt. Für das gedeihliche Fortkommen von E-Government hat die Regierung ein ganzes Bündel von Maßnahmen gesetzt. Legistische Rahmenbedingungenrund um Beschaffung oder Signatur, Identifikationssystemewie die Bürgerkarte, eine klar kommunizierte Strategie oder möglichst flächendeckende Umsetzung beim Roll-Out sind nur einige davon. Ein wichtiger Part ist der Wille zur Kooperation. »Für die Topplatzierung ist die erfolgreiche Zusammenarbeit der politischen Institutionen und der Wirtschaftspartner ausschlaggebend«, sagt Capgemini-CEO Peter Laggner. Auch Franz Morak betont die Rolle aller Akteure. Wie die EU-Benchmarkzeigt, dürfte das auch ziemlich gut funktionieren. Und doch gibt es Platz für Verbesserungen. Die Akteure des föderalen österreich kochen manchmal nicht uneigennützig ihr eigenes Süppchen. »Dann fliegen auch Torpedos«, wie ein Insider schmunzelt. Ansatzlos und aus heiterem Himmel setze dann beispielsweise der Städtebund auf die Microsoft-Initiative Egora, was nicht nur beim Gemeindebund Stirnrunzeln auslöst. Kleinere und größere Animositäten soll es auch bei den Bürgermeistern geben. Schwarz/Rot-Kriterien oder schlichter Neidkomplex sollen bei Anschaffungen bisweilen wichtiger sein als das übergeordneteGemeinwohl. Um hier Geldverschwendung zu vermeiden, müsse der Bund die Zügel straffer anziehen, meint ein anderer Insider. Der Bund kann freilich auch nicht stressfrei agieren und befindet sich wiederum im Spannungsfeld der Wirtschaft.
Diese beäugt bestehende öffentliche Plattformen wie kommunalnet.at oder auch help.gv.at mit Argusaugen, das Geschäft würde man lieber selber machen. Diese Situation führt bisweilen zum Patt. Das Innenministerium hat ursprünglich die Order ausgegeben, dass Zugriffe aus Sicherheitsgründen ab Ende September nur mehr über ein Stammportal abgewickelt werden dürfen - eine Funktion, die bei den öffentlichen Plattformen schon implementiert ist. Die Privaten wollen das zwar auch anbieten, können es aber technisch noch nicht. Worauf das Innenministerium die übergangsfrist erst in den letzten Tagen vorerst einmal verlängert hat. Der Zuzug zu den öffentlichen Portalen soll auf Druck der Wirtschaft schon etwas eingeschlafen sein. Das kommunalnet verharrt beispielsweisebei rund tausend teilnehmenden Gemeinden. Aber kleinere Spannungsfelder hin oder her: österreich ist E-Government-Europameister und muss daher viele Dinge richtig machen oderzumindest besser als die Konkurrenz. Der große Nachbar Deutschland hat sich bei der Fußball-WM zwar Bronze geangelt und ist in heller Euphorie, über das deutsche E-Government wollen aber nicht einmal die gewogensten Kommentatoren ein positives Wort verlieren. Der Unterschied zu österreich? »Bei uns reden die Institutionen und Leute miteinander, ohne gleich die ultimative Keule auszupacken«, vermutet ein Insider. Wie Franz Morak über das Ranking so schön sagt: »Ein Erfolg aller Akteure.«